# taz.de -- Queeres Hausprojekt in Berlin: Das Tuntenhaus ist gerettet | |
> Per Vorkaufsrecht wird das queere Hausprojekt im Berliner Stadtteil | |
> Prenzlauer Berg geschützt. SPD, Linke und Grüne fordern mehr Einsatz | |
> gegen Spekulation. | |
Bild: Monatelang haben Unterstützer*innen für den Erhalt des Tuntenhauses dem… | |
BERLIN taz | Drei Monate mussten [1][die Bewohner*innen des | |
Tuntenhauses in Prenzlauer Berg um ihr Zuhause bangen], seit Donnerstag ist | |
klar: Der Bezirk Pankow zieht das Vorkaufsrecht, die Zukunft des queeren | |
Hausprojekts ist gesichert. | |
Bis Mittwochnacht hatte der Investor aus Bayern, der das Tuntenhaus | |
[2][Mitte Februar gekauft hatte], Zeit, eine Abwendungsvereinbarung zu | |
unterzeichnen. Da dies nicht geschehen ist, wird das Haus mit 25 | |
Wohneinheiten in der Kastanienallee 86 an die Stiftung Edith Maryon | |
verkauft, wie das Bezirksamt Berlin-Pankow am Donnerstag mitteilte. | |
Die Genossenschaft Selbstbau werde das Haus zunächst im Auftrag der | |
Stiftung sanieren und nach Abschluss der Instandsetzungsmaßnahmen als | |
Erbbaurechtsnehmer übernehmen, so das Bezirksamt. Das Grundstück verbleibe | |
im Eigentum von Edith Maryon. | |
„Die Stiftung ist nicht profitorientiert, sondern am langfristigen Erhalt | |
preiswerter Wohnungen interessiert.“ Ihr Zweck sei es, Grundstücke der | |
Spekulation zu entziehen und unter anderem gemeinschaftlichen Wohnprojekten | |
zur Verfügung zu stellen. Über den Kaufpreis ist nichts bekannt. | |
## Teil der queeren Stadtgeschichte | |
Die Anfänge des heutigen Tuntenhauses gehen zurück auf [3][die | |
Hausbesetzungen in der Mainzer Straße in Berlin-Friedrichshain nach der | |
Wende 1990]. Hausbesetzer*innen vor allem aus Westberlin übernahmen | |
damals im Osten der Stadt ein Dutzend Häuser in dem Straßenzug. [4][Das | |
Tuntenhaus mit der Hausnummer 4 war eines der ersten, das damals bewohnbar | |
gemacht wurde, und zugleich das Aushängeschild für die Hausbesetzer] in der | |
ganzen Straße. | |
Nach [5][der Räumung der Mainzer Straße im November 1990] zog ein Teil der | |
Bewohner:innen des Tuntenhauses in die Kastanienallee 86. Dort | |
existiert das Projekt nun seit über 33 Jahren. Das Haus wurde auch bekannt | |
durch den Schriftzug „Kapitalismus normiert, zerstört, tötet“, der seit | |
vielen Jahren an der Fassade hängt. | |
## Bewohner*innen sind erleichtert | |
Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung, Cornelius Bechtler (Grüne), zeigte | |
sich erleichtert, dass Bezirk und Senat durch den Vorkauf „bezahlbaren | |
Wohnraum für alle Bewohner*innen des Tuntenhauses sichern konnten“. | |
Queere Menschen seien eine besonders vulnerable soziale Gruppe. „Daher ist | |
es wichtig, Wohnprojekte wie das Tuntenhaus als Orte der Vielfalt zu | |
erhalten.“ | |
Noch größer ist die Freude bei den Bewohner*innen selbst. Als der Anruf | |
am Donnerstagmorgen kam, sei die Erleichterung groß gewesen, so Sprecherin | |
Jil Brest zur taz. „Wir freuen uns sehr, dass das Vorkaufsrecht ausgeübt | |
werden kann.“ Die vergangenen Monate der Unsicherheit seien nicht leicht | |
gewesen. „Es war ein Zittern und Bangen.“ | |
Dank der vielen Unterstützer*innen, [6][die für den Erhalt des | |
Projekts auf die Straße gegangen waren], aber auch durch die Unterstützung | |
durch Senat, Bezirk und Genossenschaft sei das seit 30 Jahren bestehende | |
Projekt nun vor Verdrängung geschützt. „Wir hoffen, dass sich nun | |
mietenpolitisch etwas bewegt und das Instrument des Vorkaufsrechts wieder | |
verstärkt eingesetzt wird.“ | |
## Ampelkoalition soll Vorkaufsrecht stärker ermöglichen | |
Ähnlich äußert sich die Linkspartei: „Vor dem Hintergrund des steigenden | |
Verwertungsdrucks wird auch in Zukunft um queere Schutzräume gerungen | |
werden müssen“, so der queerpolitische Sprecher und einstige Berliner | |
Kultursenator Klaus Lederer. „Der Senat muss nun endlich Druck auf den Bund | |
ausüben, um das in seinen Anwendungsmöglichkeiten massiv eingeschränkte | |
Vorkaufsrecht wieder in ein wirkungsvolles politisches Instrument zu | |
verwandeln.“ | |
Auch die Berliner SPD forderte am Donnerstag eine Reaktivierung des | |
Vorkaufsrechts auf Bundesebene. „Dieser Fall zeigt erneut, wie wichtig das | |
Vorkaufsrecht ist, um den Ausverkauf unserer Stadt an private Investoren zu | |
verhindern“, so der stadtentwicklungspolitische Sprecher Mathias Schulz. | |
„Das Tuntenhaus darf kein Einzelfall bleiben“, fordern auch Katrin | |
Schmidberger und Sebastian Walter von den Berliner Grünen. „Der Senat steht | |
in der Pflicht, gemeinsam mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen, den | |
Genossenschaften, Stiftungen und anderen gemeinwohlorientierten Akteurinnen | |
eine berlinweite Ankaufsstrategie zu entwickeln.“ Es müsse Priorität des | |
Senats werden, „so viele wie möglich der bedrohten Häuser dem freien Markt | |
und damit der Immobilienspekulation zu entziehen“. | |
16 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Kampf-gegen-Verdraengung/!6004763 | |
[2] /Queere-Institution-in-Prenzlauer-Berg/!5997177 | |
[3] /Raeumung-der-Mainzer-Strasse-1990/!5719496 | |
[4] https://mainzerstrasse.berlin/tuntenhaus/index.html | |
[5] /Raeumung-der-Mainzer-Strasse-1990/!5248049 | |
[6] /Queerfeministische-Demo-in-Berlin/!6008079 | |
## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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