# taz.de -- Verkauf des Tuntenhauses: Vielfalt braucht Subkultur | |
> Bis zur letzten Minute muss das Tuntenhaus in Berlin um seine Zukunft | |
> bangen. Dabei steht viel mehr auf dem Spiel als nur das queere | |
> Hausprojekt. | |
Bild: Unterstützer*innen protestieren seit Monaten für die Rettung des Tunten… | |
Es bleibt spannend bis zum Schluss: Bis Mittwoch hat der [1][Käufer des | |
Tuntenhauses] in Prenzlauer Berg noch Zeit, eine Abwendungsvereinbarung zu | |
unterschreiben. Damit steht und fällt die Zukunft des legendären queeren | |
Hausprojekts. | |
Denn tut er es nicht, kann – und wird – der Bezirk [2][das Vorkaufsrecht] | |
ziehen und das Tuntenhaus retten. Das bekräftigte Bausenator Christian | |
Gaebler (SPD) am Dienstag. Unterschreibt der bayerische Investor jedoch die | |
Vereinbarung, dass er auf teure Sanierung und die Umwandlung in | |
Eigentumswohnungen verzichtet, könnte dies langfristig das Aus für das | |
Tuntenhaus bedeuten. | |
Denn zum einen gilt eine solche Vereinbarung nur für einige Jahre und zum | |
anderen bietet sie keinesfalls umfassenden Schutz vor Verdrängung. Denn | |
dass bei Neuvermietung die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten | |
werden darf, wäre für die Bewohner*innen der kleinen Oase in der | |
durchgentrifizierten Kastanienallee der Todesstoß. | |
„Wir wissen noch nicht, ob der Käufer die Abwendungsvereinbarung | |
unterschreibt“, sagte Gaebler am Dienstag. Für die Bewohner*innen heißt | |
es also: bangen bis zur letzten Minute. [3][Seit drei Monaten] kämpfen sie | |
mit ihren zahlreichen Unterstützer*innen für den Erhalt des queeren | |
Projekts, das am 15. Februar verkauft wurde. Angesichts der attraktiven | |
Lage in Prenzlauer Berg rechnet das Tuntenhaus ohne die Überführung in | |
gemeinwohlorientierte Strukturen mit seiner Verdrängung. | |
## Eine queere Oase in einem durchgentrifizierten Kiez | |
Aus Gründen: Wer die Gegend kennt, weiß, dass in den vergangenen | |
Jahrzehnten allzu viele alternative und linke Projekte kapitalträchtigeren | |
Nutzungsmöglichkeiten weichen mussten. Wo nach der Wende zahlreiche | |
leerstehende Häuser besetzt wurden und Hausprojekte, Konzertlocations und | |
nichtkommerzielle Kunsträume aus dem Boden schossen, sieht man heute nur | |
noch schicke Boutiquen, hochpreisige Restaurants, unbezahlbare | |
Eigentumswohnungen und einen überteuerten Weinladen nach dem anderen. | |
Kommerz statt Kreativität und bürgerliche Eintönigkeit statt bunter | |
Vielfalt prägen heute den einst so lebendigen Kiez. „Kapitalismus tötet“ | |
steht zu Recht auf der Hausfassade der Kastanienallee 86. | |
Noch gibt es einige wenige Ausnahmen. Wie das Tuntenhaus, mittlerweile das | |
älteste queere Wohnprojekt Berlins. Menschen, die andernorts wegen ihrer | |
Lebensweise, ihres Aussehens und/oder ihrer sexuellen Identität um ihre | |
Sicherheit fürchten müssen, haben hier einen Safe Place, wo sie sein | |
können, wie sie sind, und gegenseitige Unterstützung erfahren. | |
## Es braucht Schutz vor renditehungrigen Investoren | |
Solche Orte werden immer wichtiger. Zum einen, weil das Kapital sich | |
gnadenlos durch die subkulturelle Szene Berlins frisst und nichts als | |
konforme Einöde hinterlässt. Zum anderen, weil angesichts des Rechtsrucks | |
sichere Räume für alternative Lebensformen wichtiger sind denn je. | |
Es bleibt zu hoffen, dass der Einsatz des Senats für das Tuntenhaus keine | |
Eintagsfliege ist. Denn es wird nicht das letzte alternative Hausprojekt | |
sein, das das Gesicht dieser Stadt seit Jahrzehnten prägt und früher oder | |
später dennoch vor seiner Verdrängung steht. Ohne den Schutz vor | |
renditehungrigen Investor*innen ist von dem kreativen und vielfältigen | |
Berlin, mit dem sich die Stadt so gern schmückt, bald nichts mehr übrig. | |
14 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Tuntenhaus-in-Berlin-von-Verkauf-bedroht/!6001666 | |
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## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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