| # taz.de -- Tuntenhaus in Berlin von Verkauf bedroht: Sanieren statt plattmachen | |
| > Das Tuntenhaus in der Kastanienallee kann ohne Darlehen nicht gerettet | |
| > werden. In einem Monat läuft die Frist für die Ausübung des | |
| > Vorkaufsrechts aus. | |
| Bild: Mit einem Rave-Protest machten die Bewohner*innen am Sonntag auf sich und… | |
| Berlin taz | Es ist nicht mehr viel Zeit. In einem Monat läuft die Frist | |
| für die Ausübung des Vorkaufsrechts aus. Wenn bis zum 15. Mai kein | |
| Drittkäufer für die Kastanienallee 86 in Prenzlauer Berg gefunden ist, | |
| steht die [1][queere Hausgemeinschaft des Tuntenhauses] vor einer | |
| ungewissen Zukunft. Mit einem Rave-Protest machten die Bewohner*innen | |
| am Sonntag erneut auf ihre Lage aufmerksam. | |
| Eine Luxusmodernisierung, die sie verdrängen würde, ist dabei nicht das | |
| einzige Schreckensszenario, über das derzeit gesprochen wird. „Der Worst | |
| Case ist, dass der schlechte Zustand des Gebäudes die Bewohnbarkeit infrage | |
| stellt und ein potenzieller Käufer, wenn es mit dem Vorkaufsrecht nicht | |
| gelingt, einen Abrissantrag stellt“, sagt Pit Weber, Vorstand der | |
| Genossenschaft Selbstbau, zur taz. | |
| Die Genossenschaft sei die letzte Hoffnung für die [2][Kastanienallee 86]. | |
| „Alle landeseigenen Wohnungsunternehmen und alle anderen Genossenschaften | |
| sind bereits abgesprungen. Nur wir kommen noch infrage“, sagt Weber. Doch | |
| ob die Selbstbau einspringen kann, hängt letztlich vom Willen des Senats | |
| ab. Gründe dafür sind der schlechte Zustand des Hauses und eine Lücke, die | |
| in der Landschaft der Fördermittel klafft. | |
| Seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2021 kann das Vorkaufsrecht | |
| nur noch ausgeübt werden, wenn Häuser in einem besonders schlechten | |
| baulichen Zustand sind. Ein Mal ist das im vergangenen Jahr in Neukölln bei | |
| einem Haus in der Weichselstraße 52 gelungen. Auch bei der Kastanienallee | |
| 86 müsste sich der gemeinwohlorientierte Dritte, der bei einem Vorkauf | |
| anstelle des eigentlichen Käufers in den Kaufvertrag eingesetzt wird, | |
| gegenüber dem Bezirk vertraglich verpflichten, die baulichen Mängel zu | |
| beheben. | |
| ## Kredite sind teuer | |
| Doch die Selbstbau kann das nicht aus eigener Kraft. Junge Genossenschaften | |
| verfügen über kein großes Sparvermögen, und Kredite sind teuer. Für den | |
| Erwerb von Bestandsgebäuden gibt es allerdings Förderprogramme. Ein | |
| zinsloses Darlehen kann dabei von der Investitionsbank Berlin gewährt | |
| werden, um den Ankauf eines Hauses zu finanzieren. | |
| Was es allerdings nicht gibt, ist solch ein Darlehen für Instandhaltung und | |
| nachgeholte Grundmodernisierung eines angekauften Hauses, also für die | |
| Sicherung der Standsicherheit, den Einbau von Bädern oder den Ersatz von | |
| Ofenheizungen. Sprich: Arbeiten, mit denen das Haus auf einen aktuell | |
| üblichen Wohnstandard gebracht wird und teilweise Maßnahmen, zu denen sich | |
| die Genossenschaft gegenüber dem Bezirk verpflichten müsste. | |
| Zwar gibt es wiederum Fördermittel für besonders energetische Maßnahmen. Um | |
| solche energetischen Sanierungen durchzuführen, müsse aber erst einmal eine | |
| „entsprechende Basis“ geschaffen werden, sagt Weber. | |
| Im Förderprogramm für den genossenschaftlichen Bestandserwerb können 3.500 | |
| Euro je Quadratmeter gewährt werden. Wenn ein Haus allerdings nur 1.000 | |
| Euro je Quadratmeter kostet, aber einen Sanierungsaufwand von bis zu 2.500 | |
| Euro je Quadratmeter hat, dann werde das nicht gefördert, erklärt Weber. | |
| „Es ist das generelle Problem, dass die Häuser günstig sind, weil sie | |
| kaputt sind.“ Das trifft auch für die Kastanienallee 86 zu. Die | |
| Instandsetzungsdauer und Sanierungskosten sollen deutlich höher ausfallen | |
| als die 1,5 Millionen Euro, für die das Haus verkauft worden ist. | |
| ## Schnelle Lösung muss her | |
| Der Bezirk Pankow und der Senat müssten schnell zu einer Lösung kommen. | |
| Ansonsten, so Webers Befürchtung, werde so geprüft, bis die Frist für das | |
| Vorkaufsrecht verstrichen ist. „Wir müssen verhindern, dass die Sache | |
| ausgesessen wird, und dann wollten zwar alle unterstützen, aber leider, | |
| leider war es zu spät.“ | |
| Man sei derzeit noch im Austausch mit dem Bezirk, um verschiedene | |
| Lösungsmöglichkeiten zu prüfen, sagt der Sprecher von Bausenator Christian | |
| Gaebler (SPD). Eine „Umwidmung von Fördermitteln“ des Bestandserwerbs für | |
| die Sanierung sei allerdings nicht möglich. „Weiterhin steht es dem | |
| Eigentümer frei, alle angebotenen Fördermöglichkeiten des Landes Berlin | |
| beziehungsweise des Bundes zur Instandsetzung/Modernisierung des Gebäudes | |
| zu beantragen“, so Gaeblers Sprecher, Martin Pallgen, zur taz. | |
| Pit Weber sagt hingegen, es gebe keine weiteren Förderprogramme, die für | |
| die notwendigen Maßnahmen infrage kämen. „Wenn der Senat wirklich will, | |
| dass Genossenschaften gestärkt werden, dann muss diese Finanzierungslücke | |
| geschlossen werden“, so der Vorstand der Genossenschaft Selbstbau. | |
| Für ihn wiederholt sich aktuell ein leidiger Vorgang: Anfang 2023 übernahm | |
| die Selbstbau nur wenige Meter vom Tuntenhaus entfernt den Hauskomplex in | |
| der Kastanienallee 12. Der Fall hatte berlinweit Bekanntheit erlangt, weil | |
| hier auch der Zugang auf dem Spiel stand zu dem hinter dem Haus gelegenen | |
| Hirschhof, der ein Treffpunkt der DDR-Bürgerrechtsbewegung war. Zwar war | |
| das Gebäude kein Vorkaufsfall, weil die Erben an eine Genossenschaft | |
| verkaufen wollten. Doch auch dieses Haus hing lange in der Luft. | |
| Niedriger Kaufpreis und ein hoher nicht förderfähiger Sanierungsaufwand: | |
| Auch damals hatte die Genossenschaft der Senatsverwaltung gesagt, dass sie | |
| das Haus nur übernehmen können, wenn die Gesamtfinanzierung steht. „Die | |
| Senatsverwaltung hat uns damals vertröstet, dass der Ankauf nur der erste | |
| Schritt ist und wir alles weitere danach besprechen. Bis heute gibt es | |
| keine Lösung für die Kosten einer Grundmodernisierung“, kritisiert Weber. | |
| 15 Apr 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.kastanie86.net/ | |
| [2] /Verkauf-des-queeren-Projekts-Tuntenhaus/!5998687 | |
| ## AUTOREN | |
| Yannic Walther | |
| ## TAGS | |
| Mieten | |
| Verdrängung | |
| Räumung | |
| Subkultur | |
| Subkultur | |
| Berlin-Lichtenberg | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Queer | |
| Hausbesetzung | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Queeres Hausprojekt in Berlin: Das Tuntenhaus ist gerettet | |
| Per Vorkaufsrecht wird das queere Hausprojekt im Berliner Stadtteil | |
| Prenzlauer Berg geschützt. SPD, Linke und Grüne fordern mehr Einsatz gegen | |
| Spekulation. | |
| Verkauf des Tuntenhauses: Vielfalt braucht Subkultur | |
| Bis zur letzten Minute muss das Tuntenhaus in Berlin um seine Zukunft | |
| bangen. Dabei steht viel mehr auf dem Spiel als nur das queere Hausprojekt. | |
| BLO-Ateliers in Berlin-Lichtenberg: Bahn macht Kulturstandort platt | |
| Mit den BLO-Ateliers in Lichtenberg steht ein weiterer Ort der Kreativszene | |
| vor dem Aus. Die Bahn als Eigentümer des Geländes setzt auf Konfrontation. | |
| Kampf gegen Verdrängung: Berliner Tuntenhaus sucht Finanzier | |
| Das queere Hausprojekt in Prenzlauer Berg ist von Verkauf bedroht. Das | |
| Gebäude ist sanierungsbedürftig. Berlin müsste einspringen – zögert aber. | |
| Verkauf des queeren Projekts Tuntenhaus: Baufällig genug | |
| Das Tuntenhaus in der Kastanienallee erfüllt die Voraussetzung für das | |
| Vorkaufsrecht. Der Bezirk hätte das queere Wohnprojekt längst retten | |
| können. | |
| Queere Institution in Prenzlauer Berg: Kastanienallee soll tuntig bleiben | |
| Nach einem Eigentümerwechsel droht dem legendären Tuntenhaus in Prenzlauer | |
| Berg das Aus. Die Bewohner*innen fordern das Vorkaufsrechts. | |
| Demonstration für Liebig34: „Die letzte Schlacht gewinnen wir“ | |
| Nach der Räumung der Liebig34 in Berlin wird für das Hausprojekt | |
| demonstriert – inklusive Sachbeschädigungen und Zusammenstößen mit der | |
| Polizei. |