# taz.de -- BLO-Ateliers in Berlin-Lichtenberg: Bahn macht Kulturstandort platt | |
> Mit den BLO-Ateliers in Lichtenberg steht ein weiterer Ort der | |
> Kreativszene vor dem Aus. Die Bahn als Eigentümer des Geländes setzt auf | |
> Konfrontation. | |
Bild: Ende Gelände: Geht es nach der Bahn, sind die Blo-Ateliers demnächst Ge… | |
BERLIN taz | Das Land Berlin schmückt sich gern mit den BLO-Ateliers in | |
Lichtenberg, parteienübergreifend wird der Kunst- und Kreativstandort am | |
S-Bahnhof Nöldnerplatz abgefeiert, die Kulturverwaltung spricht von einem | |
„wichtigen Beitrag zur kulturellen Vielfalt Berlins“. Allein, der wichtige | |
Beitrag könnte ab Ende Juli Geschichte sein. So will es der Eigentümer der | |
kleinen und großen Werkstätten und Ateliers: die Deutsche Bahn. Und der | |
Konzern setzt aus Sicht der BLO-Ateliers auf Konfrontation. | |
So habe die Bahn nicht nur die laufenden Verhandlungen über eine | |
Verlängerung des am 31. Juli auslaufenden Nutzungsvertrags „mit | |
fadenscheinigen Begründungen“ abgebrochen, wie es vom Trägerverein | |
Lockkunst heißt, [1][der seit zwei Jahrzehnten Mieter des einstigen | |
Bahnbetriebswerks Berlin-Lichtenberg Ost ist]. Vor gut einer Woche wurde | |
den rund 90 Künstler:innen und Handwerker:innen zudem das Betreten | |
mehrerer Gebäude verboten. | |
„Wir sind jetzt de facto obdachlos und wissen nicht, wohin“, sagt Peter | |
Tietz von Lockkunst bei einem Vor-Ort-Termin am Freitagmittag. Der | |
Kunstschlosser Alexander Dammeyer spricht auch jenseits der aktuellen | |
Nutzungsuntersagung von einer „existenziellen Katastrophe“, auch für ihn | |
persönlich. Er sitze „auf zehn Tonnen Stahl“. Dafür bis Ende Juli eine | |
weiterhin bezahlbare neue Bleibe zu finden und einen Umzug zu organisieren, | |
sei nahezu unmöglich. | |
[2][Die Bahn bekümmert das wenig]. Im Sommer soll definitiv Schluss sein. | |
Die Nutzung des Geländes als Ort für Kunst und Kultur „war von Anbeginn als | |
Interimslösung gedacht“, so ein Sprecher des Konzerns zur taz. Den | |
drastischen Schritt des vorfristigen Betretungsverbots begründet er dabei | |
mit der „Baufälligkeit“ der Räume. Auch habe man einzelne technische | |
Anlagen geprüft, „für die die DB wegen des teilweise maroden Zustands | |
besonders hohe Sicherheitsrisiken vermutete, die sich dann auch bestätigt | |
haben“. | |
## Zähe Verhandlungen mit der Bahn | |
Sicher, sagt Alexander Dammeyer, es handele sich bei den Gebäuden um | |
Altsubstanz und es gebe vereinzelt auch Elektroanlagen, „die von | |
Nichtfachleuten improvisiert“ wurden. „Aber es ist doch nicht so, dass | |
diese Probleme von Elektrikern nicht lösbar wären.“ Für Dammeyer und seine | |
Mitstreiter:innen lassen die drastischen Schritte der Bahn nur einen | |
Schluss zu: Die BLO-Ateliers sollen weg, komme was wolle. | |
Schon in der Vergangenheit hätten sich die Verhandlungen mit der Bahn um | |
eine langfristige Perspektive für dieses einmalige Gelände „sehr zäh | |
gestaltet“, sagt Peter Tietz. Trotzdem waren die Künstler:innen und | |
Handwerker:innen zwischenzeitlich immer mal wieder guter Hoffnung. | |
Dies umso mehr, als vor zwei Jahren die Vorstandsvorsitzende der DB Cargo, | |
Sigrid Nikutta, den BLO-Ateliers einen Besuch abgestattet und dabei | |
verkündet habe, es gebe keinen Grund zur Sorge. „Die DB hat keine Pläne für | |
das Gelände“, soll Nikutta gesagt haben. So berichtet es zumindest Tietz. | |
Was die Bahn jetzt plötzlich mit der 12.000 Quadratmeter großen Fläche | |
anfangen will? Entweder weiß sie es selbst noch nicht oder sie hält sich | |
bewusst bedeckt. Offiziell heißt es von der Bahn: „Mittelfristig könnte das | |
Gelände wieder für den Eisenbahnbetrieb genutzt werden.“ Mit der | |
zunehmenden Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene wachse zunächst aber | |
vor allem auch „der Bedarf an zusätzlichen Abstellflächen für Züge“. Als | |
solche Abstellfläche käme das Grundstück in Lichtenberg infrage. | |
## Der Stinkefinger des Staatskonzerns | |
Christian Goiny winkt ab. „Hier passiert die nächsten 20 Jahre gar nichts, | |
wenn die Ateliers verschwunden sind“, sagt der [3][Sprecher für Clubkultur | |
und Haushalt der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus] zur taz. Er selbst sei | |
inzwischen wie alle „ernstzunehmenden Kulturpolitiker“ des Landes Berlin, | |
die das Projekt seit Jahren unterstützen und fördern, am Ende mit seinem | |
Latein: „Wir haben parteienübergreifend jetzt alles Pulver verschossen.“ | |
Oder mit den Worten von Manuela Schmidt, der Kulturexpertin der | |
Linksfraktion: „Die Bahn zeigt uns einfach den Stinkefinger.“ | |
Sowohl für Goiny als auch Schmidt steht fest: Jetzt ist der Bund als | |
alleiniger Anteilseigner der Deutschen Bahn am Zug. „Da muss | |
Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP ein Machtwort sprechen“, | |
sagt Schmidt zur taz. | |
Unterdessen schaltet sich jetzt auch Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) | |
in den Konflikt ein. Fast ein Jahr lang hätten der Verein Lockkunst und die | |
Bahn intensiv verhandelt, „mit Unterstützung und Beteiligung“ des Landes | |
Berlin, heißt es aus Chialos Verwaltung. Auch deshalb sei man von den | |
aktuellen Entwicklungen „überrascht und schockiert“. Der Senat werde sich | |
nun zeitnah mit Bitte um Unterstützung direkt an die Bundesregierung | |
wenden. Erfolgsaussichten: offen. | |
3 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.blo-ateliers.de/ueber-about/ | |
[2] /Jahresbilanz-der-DB/!5996626 | |
[3] /Berliner-Doppelhaushalt/!5973895 | |
## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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