# taz.de -- Kein Schutz vor Verdrängung: Senat unwillig beim Vorkauf | |
> Am Dienstag läuft die Frist aus, dem Verkauf der Schönleinstraße 19 | |
> zuvorzukommen. Das Scheitern könnte das Ende des Vorkaufsrechts | |
> besiegeln. | |
Bild: Der Countdown ist leider abgelaufen. Den Bewohner:innen der Schönleinstr… | |
Berlin taz | Schlechte Nachrichten für [1][die Bewohner:innen der | |
Schönleinstraße 19]: Der Vorkauf des sanierungsbedürftigen Mietshauses ist | |
gescheitert. In der Fachausschusssitzung am Montag bestätigte | |
Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD), die für den Ankauf | |
notwendigen Mittel nicht freigeben zu wollen. Friedrichhain-Kreuzbergs | |
Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hatte bis zuletzt darauf gehofft, | |
bezirkliche Mittel aus der Städtebauförderung für einen Ankauf verwenden zu | |
können. „Das ist rechtlich nicht zulässig“, sagte Gaebler im Ausschuss. | |
„Die Nichtkooperation des Senats ist bedauerlich“, kritisiert Schmidt die | |
Absage. „Damit wird eine wichtige Chance vertan, Mieter vor Verdrängung zu | |
schützen.“ Schmidts Plan sah vor, den Kaufpreis von 1,4 Millionen Euro | |
durch im Bezirk für Städtebauförderung vorgehaltene Mittel finanzieren zu | |
wollen. „Es wäre nicht so, dass wir andere Projekte dafür stoppen müssen�… | |
so Schmidt. | |
Als Käuferin vorgesehen war die landeseigene Treuhänderin GSE. Die nötigen | |
Sanierungen sollten nur in einem Minimalumfang durchgeführt werden. Dadurch | |
hätten die Sanierungskosten nach 20 Jahren vollständig durch moderat | |
erhöhte Mieten refinanziert werden können. Über die Mittel der | |
Städtebauförderung verfügt der Bezirk, allerdings müssen sie vom Senat | |
freigegeben werden. | |
Wie der Tagesspiegel bereits am Freitag berichtete, lehnt der Senat diese | |
Option aus rechtlichen Gründen ab. Für den Antrag seien nicht alle | |
erforderlichen Bedingungen erfüllt, begründet der Sprecher der | |
Senatsverwaltung Martin Pallgen die Entscheidung. Eine Verwendung der | |
Mittel sei nur dann zulässig, wenn der Verwendungszweck im städtebaulichen | |
Entwicklungskonzept explizit aufgeführt sei. | |
## Verkauf und Verdrängung | |
Für Schmidt ist die rechtliche Begründung nicht nachvollziehbar. Das | |
bezirkliche Rechtsamt habe den Fall ausgiebig geprüft und sei zu dem | |
Ergebnis gekommen, dass eine Verwendung der Mittel möglich sei. | |
Die Option, die Immobilie über ein landeseigenes Wohnungsbauunternehmen | |
ankaufen zu lassen, schloss die Senatsverwaltung bereits im Dezember aus. | |
Ohne Zuschüsse des Landes sei ein Ankauf unwirtschaftlich, hatten zuvor die | |
Unternehmen geurteilt. „Die Mittel, die wir haben, sind sehr begrenzt oder | |
nicht vorhanden“, verweist Gaebler auf die angespannte Haushaltslage. Am | |
Dienstag läuft die Frist aus. | |
Bei der Immobilie handelt es sich um ein stark sanierungsbedürftiges | |
Wohnhaus mit rund 20 Wohnungen. Die Bewohner:innen zahlen Mieten, die | |
teilweise deutlich unter 5 Euro pro Quadratmeter liegen. Dafür | |
vernachlässigte die Eigentümerin das Gebäude stark, viele der notwendigen | |
Reparaturen führte die Hausgemeinschaft selbst durch. Nun soll das Haus an | |
einen Investor verkauft werden. Extreme Mietsteigerungen scheinen bei dem | |
hohen Sanierungsaufwand unvermeidbar. | |
Seitdem [2][das Bundesverwaltungsgericht Ende 2021 das kommunale | |
Vorkaufsrecht für unwirksam erklärte,] ist das politische Instrument nur | |
noch in sehr wenigen Fällen anwendbar. [3][Voraussetzung ist, dass das Haus | |
in einem baulich schlechten Zustand ist.] | |
## Neue Bedingungen, altes Modell | |
Unter diesen Bedingungen ist eine Finanzierung landeseigener | |
Wohnungsbauunternehmen, wie sie der Senat vor dem Urteil massenhaft | |
durchführte, nur schwer möglich. Auch für Genossenschaften würde sich | |
aufgrund der hohen Sanierungskosten ein Ankauf kaum rechnen, denn Förderung | |
gäbe es nur für den Kaufpreis. In der Schönleinstraße 19 betragen die | |
Kosten je nach Sanierungsniveau zwischen 1,7 und 2,6 Millionen Euro. | |
Der Senat habe verpasst, ein neues Modell zu entwickeln, kritisiert | |
Schmidt, „Im Grunde ist das Vorkaufsrecht abgeschafft“. | |
Auch die grüne Mietenpolitikerin Katrin Schmidberger warf dem | |
Stadtenwicklungssenator in der Ausschusssitzung am Montag vor, sich hinter | |
formalen Argumenten zu verstecken. Gaebler reagierte in ungewohnter | |
Deutlichkeit: „Wir wollen kein Vorkaufsrecht, um vom Eigentümer | |
vernachlässigte Schrottimmobilien zu kaufen, um diese teuer von | |
öffentlichen Mitteln sanieren zu lassen.“ | |
7 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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