# taz.de -- Gekipptes Vorkaufsrecht bei Immobilien: Schmerzhafte Schelle | |
> Das Bundesverwaltungsgericht hat das kommunale Vorkaufsrecht für | |
> Immobilien in Innenstadtlagen gekippt – und damit Mieter*innen weiter | |
> geschwächt. | |
Bild: Protest von Anwohnern und MieterInnen gegen den Verkauf eines Hauses in B… | |
Einen Umzug in Berlin oder München kann man sich eigentlich nur noch ab | |
einem Richtergehalt leisten. Vielleicht lässt sich so erklären, warum das | |
Bundesverwaltungsgericht das [1][kommunale Vorkaufsrecht] faktisch gekippt | |
hat – und damit eine der letzten wirksamen Schutzmaßnahmen für | |
Mieter*innen in von Wohnungsnot geplagten Städten abgeschafft hat. In | |
der [2][kurzen Begründung] des Gerichts dazu heißt es lediglich, dass man | |
einem Investor nicht automatisch unterstellen könne, dass dieser künftig | |
gegen soziale Standards handeln wird. Wie realitätsfern kann man eigentlich | |
sein? | |
Natürlich kaufen Immobilienunternehmen Häuser in Innenstadtlagen mit der | |
Aussicht auf saftige Rendite. Und im konkret verhandelten Fall gibt es | |
dafür sogar unmissverständliche Belege. Die Käufer*innen hatten niemals | |
die Absicht, den Wohnraum im Sinne des Milieuschutzes und damit der | |
Mieter*innen zu bewirtschaften: Eine Verpflichtung auf soziale Ziele | |
lehnte die klagende Wohnungsfirma ausdrücklich ab, indem sie sich weigerte, | |
eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Erst dann dürfen Kommunen, | |
Gemeinden und Bezirke überhaupt das Vorkaufsrecht ziehen. | |
Nach dem Leipziger Urteil müssen Städte und Mieter*innen der Verdrängung | |
weiter tatenlos zuschauen. Nach dem im April vom Verfassungsgericht | |
gekippten Berliner Mietendeckel ist das die nächste schmerzhafte Schelle | |
für Menschen ohne Immobilieneigentum und mit Durchschnittseinkommen. | |
Entsprechend schockiert äußerten sich Politiker*innen aus Landes- und | |
Kommunalpolitik, die viel Zeit und Energie in eine sozial gerechtere | |
Wohnungspolitik stecken. Ihre Fassungslosigkeit ist Ausdruck ihrer | |
beschnittenen Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort. Und für Mieter*innen | |
bleibt es folgenlos, dass sie progressive Parteien in kommunale | |
Verwaltungen oder Parlamente gewählt haben, wenn diese angesichts der | |
drängendsten sozialen Frage unserer Zeit ohnmächtig sind und wirksame | |
Regelungen auf der Bundesebene weiter blockiert werden – bisher von der | |
CDU, bald wohl von der FDP. | |
Der Berliner Mietendeckel scheiterte ebenfalls auf Bundesebene, obwohl er | |
angesichts der Wohnungsnot im Bundesland eine demokratische Mehrheit hat. | |
Das ist dysfunktionaler Föderalismus. Inwiefern mit der FDP in einer | |
Ampelkoalition eine Reform des Baugesetzes oder wirksamer | |
Mieter*innenschutz machbar sein soll, ist angesichts dieser | |
Bund-Länder-Schieflage überaus fraglich. | |
10 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Gerichtsentscheidung-zum-Vorkaufsrecht/!5814462 | |
[2] https://www.bverwg.de/de/pm/2021/70 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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