# taz.de -- Mietenkrise und Verdrängung: Liberale Blockade | |
> Bauministerin Klara Geywitz will das Vorkaufsrecht der Kommunen neu | |
> regeln, um den Mieterschutz zu stärken. Doch die FDP will lieber weiter | |
> prüfen. | |
Bild: Begehrt und knapp: Wohnraum (hier eine Hausfassade in München) | |
BERLIN taz | Wenn es nach Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) geht, | |
soll das Vorkaufsrechts der Kommunen wieder gestärkt und neu geregelt | |
werden, um Verdrängungsprozesse zu verhindern. Am vergangenen Freitag wurde | |
ein entsprechender Gesetzesentwurf zur Abstimmung an die anderen | |
Bundesministerien und Bundestagsfraktionen verschickt. Doch schon jetzt | |
zeichnet sich ein Streit innerhalb der Ampel-Koalition ab: Die | |
Konfliktlinie verläuft wie so oft zwischen SPD und Grünen einerseits und | |
der FDP andererseits. | |
„Wesentliche Fragen sind für uns Freie Demokraten in diesem Entwurf noch | |
nicht beantwortet“ sagte Daniel Föst, der wohnungspolitische Sprecher der | |
FDP-Bundestagsfraktion, der taz. Es müsse geprüft werden, „ob ein solches | |
Instrument Sinn macht und auch wirklich hilft, den Wohnungsmarkt zu | |
entspannen.“ Er sei da weiterhin sehr skeptisch und setze lieber auf | |
schnelles und kostengünstiges Bauen. Aus dem Justizministerium heißt es auf | |
Nachfrage lediglich, dass „noch Beratungsbedarf“ bestehe. Das | |
Bauministerium wollte sich im laufenden Abstimmungsverfahren nicht weiter | |
äußern. | |
Der Gesetzentwurf aus dem Bauministerium ist eine Reaktion auf ein | |
[1][Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom November 2021, das das | |
Vorkaufsrecht in weiten Teilen gekippt] hat. Es kann seither in sogenannten | |
Milieuschutzgebieten, also Wohnvierteln, die besonders von | |
Verdrängungsprozessen betroffen sind, nur noch angewandt werden, wenn ein | |
Wohngebäude etwa leer steht oder droht zu verfallen. Der Bundesrat sowie | |
Mieterinitiativen drängen seither auf eine Reform des Vorkaufrechts. | |
Bis zu diesem Urteil war das Vorkaufsrecht in Städten wie München, Leipzig, | |
Hamburg oder Berlin ein erprobtes Mittel, um gegen Spekulation mit Wohnraum | |
vorzugehen. Wenn private Investoren Mietshäuser kaufen wollten, hatten | |
Kommunen durch das Vorkaufsrecht die Möglichkeit, die Häuser selbst zu | |
kaufen oder Bedingungen für den Kauf zu vereinbaren. | |
## Grüne sind sauer auf FDP | |
Denn erfahrungsgemäß gehen mit dem Aufkauf eines Hauses oft | |
Verdrängungsprozesse einher: Wenn etwa durch Luxussanierungen die Mieten | |
steigen oder die Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. FDP | |
und Union stehen dem Vorkaufsrecht aber eher skeptisch gegenüber, weil sie | |
das Instrument als zu teuer und als Eingriff in Eigentümerrechte werten. | |
Das Bauministerium verfolgt mit dem Entwurf, der der taz vorliegt, nun aber | |
das Ziel, „die bisherige Verwaltungspraxis der Gemeinden“ in | |
Milieuschutzgebieten wieder zu ermöglichen und „auf eine sichere | |
Rechtsgrundlage“ zu stellen. Laut Entwurf können Investoren ein Wohnhaus | |
dann nur noch kaufen, wenn sie sich in einer Abwendungsvereinbarung | |
ausdrücklich verpflichten, die Ziele des Milieuschutzes einzuhalten. | |
So kann dann etwa festgelegt werden, dass [2][keine Umwandlung in | |
Eigentumswohnungen] oder keine Luxussanierungen vorgenommen werden – für | |
notwendige Sanierungen soll das nicht gelten. Die Geltungsdauer einer | |
solchen Vereinbarung soll auf maximal 20 Jahre begrenzt werden. | |
Dass sich die FDP nun bei der Gesetzesnovelle quer stellt, ist für die | |
wohnungspolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Christina-Johanne | |
Schröder, nicht nachvollziehbar. In einer gemeinsamen Koalition zu sein, | |
bedeute auch, „Gesetze mitzutragen, die nicht auf der eigenen Agenda ganz | |
oben stehen“, sagte sie der taz. „Der Bundesrat, die Kommunalen | |
Spitzenverbände und Bürgerinitiativen fordern, die Rechtssicherheit beim | |
Vorkaufsrecht wiederherzustellen“ betonte sie. Es gehe darum, „abzuwenden, | |
dass Menschen ihr Lebensumfeld verlassen, Kinder die Schule wechseln müssen | |
und die soziale Mischung einer Stadtstruktur nachhaltig in Gefahr gerät.“ | |
Das mächtigste Instrument für die Kommunen sei aber „nicht das | |
Vorkaufsrecht selbst, sondern der Abwendungsvertrag mit den | |
Investor*innen.“ | |
## Die Linke hat eigene Pläne | |
Formal haben sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag nur darauf | |
geeinigt, zu „prüfen“, ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht | |
„gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt.“ Bernhard Daldrup, | |
wohnungspolitischer Sprecher der SPD, erklärte gegenüber der taz aber, dass | |
sich die drei Parteien in den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt | |
hätten, „den Status quo ante wiederherzustellen.“ Dass nur „geprüft“ … | |
solle, stehe dort nur, „weil die Urteilsbegründung des Gerichts zu dem | |
Zeitpunkt noch nicht vorlag“, sagte Daldrup. Er erwarte von allen | |
Beteiligten, sich an die Vereinbarungen zu halten. | |
Auch in der Opposition ist der Entwurf zum Vorkaufsrecht umstritten – | |
allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Der wohnungspolitische Sprecher | |
der Union, Jan-Marco Luczak, bezeichnete das Vorkaufsrecht gegenüber der | |
taz als „ein symbolhaft überhöhtes Instrument, das in seiner Wirkung völlig | |
überschätzt“ werde. Anstatt so viel Geld für den Kauf von Häusern | |
auszugeben, könnte man „mehr soziale Belegungsrechte kaufen, Mietzuschüsse | |
zahlen oder – was langfristig einzig und allein gegen Wohnungsknappheit | |
hilft – neue Wohnungen bauen“, argumentierte er. | |
Luczak sei nun gespannt, „ob die FDP bei ihrer Ablehnung bleibt und gegen | |
das ineffiziente, kostspielige und wenig wirksame Mittel Vorkaufsrecht die | |
gleiche Durchsetzungskraft entfaltet wie bei den Corona-Maßnahmen.“ | |
Für die Linkspartei ist der Gesetzentwurf aus dem Bauministerium hingegen | |
nicht ausreichend, obwohl auch sie die schnelle Wiederherstellung des | |
Vorkaufsrecht befürwortet. Die wohnungspolitische Sprecherin der | |
Linksfraktion, Caren Lay, bemängelte gegenüber der taz, dass sich | |
Mieter:innen nach dem Entwurf des Bauministeriums, nicht mehr „gegen die | |
energetische Sanierung in Milieuschutzgebieten“ wehren können. Dabei sei | |
die „Modernisierungsumlage Verdrängungsmotor Nummer 1 in vielen Städten“. | |
Die Linkspartei hatte bereits Mitte Februar einen eigenen [3][Gesetzentwurf | |
zum Thema] eingebracht. „Wir werden die Aufhebung des Fraktionszwangs | |
vorschlagen, damit er auch ohne die Blockade der FDP eine Mehrheit finden | |
kann“ kündigte Caren Lay an. Am kommenden Montag soll es im Bundestag eine | |
öffentliche Anhörung zum Entwurf der Linken geben. | |
4 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Urteil-des-Bundesverwaltungsgericht/!5814508 | |
[2] /Mietwohnungen-werden-EIgentum/!5789518 | |
[3] https://dserver.bundestag.de/btd/20/006/2000679.pdf | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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