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# taz.de -- Protest gegen Polizeigesetz: Gefährliche neue Spielzeuge
> Rund 50 Aktivist*innen demonstrieren in Berlin gegen das neue
> Polizeigesetz. Sie kritisieren vor allem die Anschaffung von Tasern und
> Bodycams.
Bild: Die Polizei filmt künftig mit
Berlin taz | „Heute werden wir gleich doppelt verarscht“, ruft der
Linken-Abgeordnete Ferat Koçak am Donnerstagmorgen vor den Berliner
Abgeordnetenhaus. Trotz der Kälte sind gut 50 Menschen dem Aufruf des
„Bündnisses für soziale Sicherheit“ gefolgt, um gegen die
Sicherheitspolitik des schwarz-roten Senats zu demonstrieren. „Der Anteil
des Polizeibudgets ist in Berlin höher als in New York“, kritisiert Koçak �…
„und wir alle kennen die Bilder der hochgerüsten US-Polizei“.
Doch die Koalition aus CDU und SPD erhöht nicht nur die Ausgaben für die
Polizei. Mit der Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes
(ASOG) erweitert sie auch deren Befugnisse. Der Präventivgewahrsam wird
verlängert, Einsätze dürfen mit Bodycams gefilmt werden und statt des
[1][Schlagstockes kann der Taser] zum Einsatz kommen.
„Taser tötet“ und „ASOG-Verschärfung stoppen“ steht dann auch auf den
Plakaten der Demonstrierenden. Sie zweifeln daran, dass Taser, wie
behauptet, ein milderes Mittel als Schlagstöcke sind. „Mir ist nicht
bekannt, dass es in den letzten Jahren Tote durch den Einsatz von
Hiebwaffen gab“, sagt der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion,
Niklas Schrader, der taz. Durch Taser starben in den vergangenen sechs
Jahren in Deutschland mindestens acht Menschen.
Die vorangegangene massive Kritik am neuen Polizeigesetz blieb offenkundig
nicht ohne Wirkung: Ursprünglich war die Ausweitung der Präventivhaft auch
und vor allem auf die Klebeaktionen der Letzten Generation gemünzt. Davon
wollte Schwarz-Rot später nichts mehr wissen. Fünf bis sieben statt bisher
zwei Tage Haft auf Verdacht und ohne Prozess soll es jetzt nur noch für
Menschen geben, bei denen Gerichte Anhaltspunkte für terroristische
Straftagen sehen, [2][drohende Tötungsdelikte oder Sexualstraftaten].
## Präventivhaft künftig leichter möglich
Doch das neue ASOG setzt auch die Hürden herab, damit die Polizei auf
Verdacht Menschen zwei Tage lang einsperren kann. Hier soll es reichen,
dass Personen zum Begehen von Ordnungswidrigkeiten aufrufen oder in der
Vergangenheit durch Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten aufgefallen sind.
Damit, heißt es von Kritiker:innen, werde es deutlich einfacher, Menschen
durch Präventivhaft vom Demonstrieren abzuhalten. Auf der Kundgebung vor
dem Abgeordnetenhaus kritisierte eine Rednerin, dass die Entscheidung
darüber allein bei der Polizei liege: „Sollen wir uns künftig für jede Demo
zwei Tage frei nehmen?“
Deutlich ambivalenter wird der Beschluss bewertet, Polizist*innen
Bodycams an die Westen zu heften. In Teilen der USA haben diese auch dazu
beigetragen, Polizeigewalt aufzudecken und zu verfolgen. Doch wie werden
diese Daten verarbeitet und gespeichert?
David Kiefer vom „Bündnis für soziale Sicherheit“ kritisiert gegenüber d…
taz, dass Bodycam-Aufnahmen oft verschwinden würden oder nur geschnittenes
Material von der Polizei rausgegeben werde. Während in den USA eine
unabhängige Speicherung diskutiert werde und dies teilweise auch schon
erfolge, soll das Material in Berlin weiterhin in den Händen der Polizei
bleiben.
Was im neuen ASOG ebenfalls fehlt, ist eine Klarstellung, dass auch
Bürger*innen Polizeieinsätze filmen dürfen. Oft würde die Polizei Handys
von Menschen beschlagnahmen, die sie filmen, kritisiert Kiefer. Zwar hatten
in einer [3][Anhörung des Innenausschusses] Mitte November auch Experten
wie der Jurist Hartmut Aden eine solche Klarstellung gefordert. Übernommen
wurde sie freilich nicht. „Die Koalition sieht das Filmen von
Polizeieinsätzen als Gefahr“, sagt Linke-Politiker Niklas Schrader.
## Taser statt Rettungswagen
Für die Anschaffung von Tasern sind im neuen Haushalt 700.000 Euro
vorgesehen. Die Bodycams finanziert die Koalition aus CDU und SPD mit fünf
Millionen aus dem „Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt“.
Gelder mithin, die im Haus von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) an
anderer Stelle fehlen werden.
So wurden laut Feuerwehr von 500 beantragten neuen Stellen weniger als 80
genehmigt. Und statt der 100 benötigten neuen Rettungswagen gibt es
lediglich 47. Für die Summe, die in Bodycams und Taser investiert wird,
ließen sich rund 20 Rettungswagen kaufen.
14 Dec 2023
## LINKS
[1] /Polizei-in-Berlin/!5937400
[2] /Neues-Polizeigesetz-fuer-Berlin/!5961246
[3] /Novelle-des-Berliner-Polizeigesetzes/!5969488
## AUTOREN
Simon Zamora Martin
## TAGS
Polizeigesetz
Polizeigewalt
Demonstration
Berlin-Mitte
Taser
Bodycams
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Bundespolizei
Kiel
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Innensenatorin Iris Spranger
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Innensenatorin Iris Spranger
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werden.
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