# taz.de -- Telefonüberwachung und Handyortung: Es wird weiter mitgehört | |
> Anders als gesetzlich vorgesehen spart sich der Senat eine Evaluation von | |
> Überwachungsmaßnahmen der Polizei. Kritik kommt von der | |
> Datenschutzbeauftragten. | |
Bild: Daten, Daten, Daten: Berlins schwarz-rote Koalition will die Telefonüber… | |
Berlin taz | Eigentlich sollten die Befugnisse der Berliner Polizei zur | |
Überwachung von Telefonkommunikation sowie zur Handyortung am 1. April | |
enden – und ihr Nutzen vor einer möglichen Verlängerung wissenschaftlich | |
ausgewertet werden. Nun aber will die schwarz-rote Koalition diese | |
Befristung streichen und auch die Evaluation fallen lassen. Ein | |
entsprechender [1][Antrag von CDU und SPD] wurde am Montag im | |
Innenausschuss des Abgeordnetenhauses mit den Stimmen der beiden Fraktionen | |
sowie der AfD-Fraktion angenommen. | |
„Die Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung haben sich aus unserer | |
Sicht bewährt, sie sind unersetzlich“, sagte CDU-Innenpolitiker Burkard | |
Dregger im Ausschuss. Sie würden ohnehin demnächst im Zuge der | |
[2][bevorstehenden Novelle des Berliner Polizeigesetzes] ausgedehnt. „Bis | |
dahin müssen die bestehenden Regeln in Kraft bleiben“, so Dregger. | |
„Wenn wir jetzt nicht gehandelt hätten, wären die Fristen abgelaufen“, | |
ergänzte SPD-Mann Martin Matz. Bei der Entfristung der | |
Überwachungsbefugnisse handele es sich um eine „Vorschaltmaßnahme“ zur | |
großen Gesetzesreform. Warum überhaupt eine Vorgabe zur Evaluation im | |
Gesetzestext gestanden habe, „erschließe sich gar nicht“, sagte Matz. | |
Die entsprechende Passage stammt aus der [3][letzten großen Reform des | |
Berliner Polizeigesetzes] durch die damals rot-grün-rote Koalition im Jahr | |
2021. SPD, Grüne und Linke hatten darin die Telekommunikationsüberwachung | |
(TKÜ) zur Gefahrenabwehr – und damit über die Strafverfolgung hinaus – | |
eingeführt sowie der Polizei die Ortung von Handys gestattet. | |
## Bedenken bei tiefen Grundrechtseingriffen | |
Auf Drängen von Grünen und Linken, die Bedenken angesichts dieser | |
Grundrechtseingriffe äußerten, waren beide Maßnahmen auf vier Jahre | |
befristet sowie eine wissenschaftliche Auswertung vorgeschrieben worden – | |
um zu prüfen „ob ein solches Instrument effektiv und verhältnismäßig ist�… | |
wie der Linken-Abgeordnete Niklas Schrader am Montag vor dem Innenausschuss | |
erklärte. „Wer so tief in die Grundrechte eingreifen möchte, der muss sich | |
einer unabhängigen und objektiven Prüfung stellen“, forderte Schrader. | |
Das sei „aus verschiedenen Gründen“ nicht möglich gewesen, schreiben CDU | |
und SPD hingegen in ihrem gemeinsamen Antrag. Unter anderem sei die | |
Evaluation wegen der „hohen Anforderungen an eine Sicherheitsüberprüfung | |
der vorgesehenen unabhängigen wissenschaftlichen Sachverständigen“ | |
gescheitert, heißt es darin. | |
## Datenschutzbeauftragte kritisiert Innensenatorin | |
Für Berlins [4][Innensenatorin Iris Spranger (SPD)] kein Problem: Sie habe | |
„keine Bedenken“ bezüglich Entfristung und Verzicht auf Evaluation, sagte | |
Spranger. Sie verwies auf zwei Berichte ihrer Verwaltung, in denen der | |
Einsatz der fraglichen Überwachungsmaßnahmen dokumentiert wird. Die | |
Berichte zeigten, dass „praktischer Bedarf“ für präventive TKÜ und | |
Standortabfrage in Bezug auf Gefährder bestehe, so Spranger. „Berlin kann | |
sich keine Befugnislücken leisten. Die Entfristung ist unerlässlich.“ | |
Dafür erntet Spranger allerdings deutliche Kritik von Berlins | |
Datenschutzbeauftragter Meike Kamp. In einer Stellungnahme an den | |
Innenausschuss, die der taz vorliegt, bemängelt Kamp die von Spranger | |
genannten Senatsberichte als „äußerst knapp gehalten“. Sie beschränkten | |
sich auf eine rein quantitative Darstellung der durchgeführten Maßnahmen – | |
deren Anzahl sich im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich | |
bewege. | |
„Diese Berichte stellen keinen adäquaten Ersatz für eine unabhängige | |
wissenschaftliche Evaluation dar. Ihr rein deskriptiver Charakter und ihr | |
stark begrenzter Umfang erlauben keine fundierte Bewertung der | |
Brauchbarkeit oder der Notwendigkeit der Maßnahmen“, stellt Kamp klar. | |
Falle die Auswertung wie von CDU und SPD geplant weg, fehle eine „wichtige | |
rechtsstaatliche Sicherung“, so Kamp. Das gefährde „die Ausgewogenheit der | |
ursprünglichen Regelung“. | |
Nach der Zustimmung im Innenausschuss kommt der Antrag nun ins Plenum des | |
Abgeordnetenhauses; dort wollen CDU und SPD die Gesetzesänderungen Ende | |
März beschließen. | |
10 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/InnSichO/vorgang/iso19-0210-v.pdf | |
[2] /Innere-Sicherheit-in-Berlin/!5923457 | |
[3] /Berliner-Polizeigesetz/!5689604 | |
[4] /Innensenatorin-Iris-Spranger/!t5827174 | |
## AUTOREN | |
Hanno Fleckenstein | |
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