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# taz.de -- Anwalt über Berliner Polizeigesetz: „Menschen verhalten sich and…
> Die geplante Neufassung des Asog ist zum Teil verfassungswidrig, sagt der
> Anwalt Lukas Theune. Er fordert einen Stopp des Gesetzgebungsverfahrens.
Bild: Bald mit KI? Überwachungskamera an der Polizeiwache auf dem Berliner Ale…
taz: Herr Theune, Berlins schwarz-rote Koalition will das Polizeigesetz
[1][an vielen Stellen verschärfen]. In einem [2][offenen Brief] fordern Sie
mit anderen, das Gesetzgebungsverfahren auszusetzen. Warum?
Lukas Theune: Die geplante Neufassung des Polizeirechts ist nicht einfach
nur eine Reform eines kleinen Fachgesetzes, die ohne öffentliche Debatte
stattfinden kann. Es geht hier um viel größere Fragen: Wie wollen wir in
dieser Stadt miteinander leben? Nehmen wir in Kauf, komplett überwacht zu
werden? Oder wollen wir uns Raum zum Atmen lassen? Der Gesetzesentwurf soll
der Polizei gläserne Bürger*innen ermöglichen. Zugleich hat der Senat
hat diesen umfassenden Entwurf still und heimlich kurz vor der Sommerpause
eingebracht und das Gesetz soll noch dieses Jahr verabschiedet werden. Das
entspricht nicht den demokratischen Gepflogenheiten und auch nicht der
Bedeutung der Sache. Deswegen muss die Koalition das Verfahren stoppen, um
eine umfassende öffentliche Diskussion zu ermöglichen.
taz: Die Berliner Polizei soll weitreichende neue Befugnisse erhalten –
etwa beim Staatstrojaner und der Videoüberwachung – und Vorgaben zum
Einsatz von [3][Künstlicher Intelligenz (KI)]. Droht hier der
Überwachungsstaat?
Theune: Überwachungsstaat ist ein hartes Wort. Aber das, was in dem Entwurf
steht, geht wirklich weit. Natürlich könnte man behaupten, die Maßnahmen
betreffen ja nur Verdächtige. Aber am Ende droht jedem von uns, dass eine
KI-gestützte Kamera verdächtig findet, wie man sich verhält und das dann an
die Polizei meldet.
taz: Sie sprechen von dem Vorhaben, künftig an „kriminalitätsbelasteten
Orten“ [4][dauerhaft Videoüberwachung einzurichten] und das Material live
mithilfe von KI auszuwerten. Was bringt das?
Theune: Das weiß niemand und das ist auch schwer zu prognostizieren. Es
hängt auch davon ab, wie die entsprechenden Technologien funktionieren –
die das Land Berlin ja noch gar nicht besitzt. Was wir aber wissen ist,
dass sich Menschen anders verhalten, wenn sie überwacht werden. Wir
Jurist*innen nennen das „Chilling Effects“: dass man Handlungen
unterlässt, weil man befürchtet, sonst in den Fokus staatlicher Behörden zu
geraten.
taz: Auch im digitalen Raum sollen [5][die Überwachungsmöglichkeiten
ausgeweitet werden]. Handys zu orten, zu infiltrieren und abzuhören wäre
dann nicht mehr nur zur Strafverfolgung, sondern auch präventiv zur
„Gefahrenabwehr“ möglich. Ist das ein Trend im Polizeirecht?
Theune: Ja, das sehen wir auch in anderen Bundesländern. Aber Berlin
versucht mit dem Entwurf, sich an die Spitze eines solchen
Überwachungstrends zu setzen. Ein Smartphone gibt heutzutage fast alles
über uns preis. Wenn sich da der Staat reinhackt, hat er den gläsernen
Menschen vor sich. Das ist also eine sehr weitreichende Befugnis – zumal ja
noch gar keine Straftat passiert ist und der Kreis an Personen, die es
treffen kann, wegen der Begründung der Gefahrenabwehr wirklich sehr groß
ist. Im Polizeirecht geht es um Menschen, denen gar keine Straftat
vorgeworfen wird. Und dennoch sollen die Befugnisse der Polizei jetzt hier
weiter als im Strafrecht gehen. Das kann doch nicht sein.
taz: Weitreichend sind auch die geplanten Regeln zum KI-Einsatz: Die
Polizei soll künftig das Internet [6][anhand biometrischer Merkmale nach
Verdächtigen durchforsten] dürfen. Sehen wir hier das Ende der
Privatsphäre?
Theune: Die biometrische Echtzeit-Internetsuche ist in Zeiten von Social
Media enorm effektiv und grundrechtsintensiv. Genau deshalb ist sie auch
explizit verboten durch die EU-Verordnung zu KI. Es ist also völlig absurd,
dass man jetzt genau diese Suche ermöglichen will – und zwar mit einem
Trick. Angeblich soll die Polizei das gesamte Internet kopieren und auf
lokalen Servern speichern. Diese Kopie soll dann vermeintlich legal
durchforstet werden. Das wird nicht funktionieren. Am Ende macht die
Polizei genau das, was sie nicht darf: das Internet live nach Gesichtern
absuchen.
taz: Geht es nach der [7][Koalition], darf die Polizei demnächst sogar
gesammelte Daten auf einer automatisierten Analyseplattform zusammenführen,
verknüpfen und aufbereiten. Baut sich die Behörde hier ein
Überwachungsprogramm, vergleichbar mit der [8][umstrittenen
Ermittlungssoftware Palantir]?
Theune: Dass die Polizei selbst eine Software entwickelt, ist abwegig. Ich
befürchte, dass die Koalition am Ende doch Palantir anschaffen könnte,
obwohl sie das bislang abstreitet. Aus meiner Sicht ist auch dieser Teil
des jetzt vorgelegten Gesetzentwurfs problematisch und verfassungswidrig.
Das Bundesverfassungsgericht hat ähnliche Normen aus Hamburg [9][und Hessen
beanstandet].
taz: Dabei ist die Neufassung des Berliner Polizeigesetzes ja eigentlich
eine Reaktion auf eine veränderte Rechtslage auf Bundes- und EU-Ebene sowie
infolge von Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Theune: Berlin vermittelt hier die Botschaft: Uns ist das
Bundesverfassungsgericht egal. Dabei wäre der richtige Weg, von neuen
Technologien wie dem Einsatz von KI und der automatisierten Verknüpfung von
Datenbanken abzulassen, weil diese mit den Grundrechten nicht vereinbar
sind.
taz: Wie steht es um die Grundrechte in Berlin, wenn das Gesetz in der
derzeitigen Fassung in Kraft tritt?
Theune: Es gibt sowieso schon viele Grundrechtsverletzungen in Berlin. Zum
Beispiel das Recht auf Wohnen, [10][das überhaupt nicht gewährleistet
wird], sowie das Recht auf menschenwürdiges Leben oder auf Schutz vor
Gewalt. Das neue Polizeigesetz würde einen deutlichen Einschnitt in das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeuten. Wir müssten uns dann
in dieser Stadt vergegenwärtigen, dass wir immer mehr überwacht werden,
ohne überhaupt etwas davon mitzukriegen.
13 Nov 2025
## LINKS
[1] /Reform-des-Berliner-Polizeigesetzes/!6096087
[2] https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/novellierung-des-a…
[3] /Schwerpunkt-Kuenstliche-Intelligenz/!t5924174
[4] /Novelle-des-Berliner-Polizeigesetzes/!6092759
[5] /Telefonueberwachung-und-Handyortung/!6071495
[6] /Open-Source-Intelligence-bei-der-Polizei/!6060094
[7] /Schwarz-rote-Koalition-in-Berlin/!t5924436
[8] /Palantir-in-Deutschland/!6078828
[9] /Karlsruhe-zu-hessischem-Polizeigesetz/!5912911
[10] /Eskalation-in-der-Habersaathstrasse/!6126925
## AUTOREN
Hanno Fleckenstein
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