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# taz.de -- Bodycams bei Polizei und Feuerwehr: Ungeliebte Spielzeuge
> Eine unabhängige Untersuchung des Bodycam-Einsatzes bei Feuerwehr und
> Polizei kommt zu wenig schmeichelhaften Erkenntnissen für die
> Innenverwaltung.
Bild: Ob der Rettungsdienst will oder nicht: Geht es nach der Innensenatorin, k…
Berlin taz | Berlins Feuerwehrleute lehnen den von CDU und SPD forcierten
Einsatz von Bodycams im alltäglichen Rettungsdienst mehrheitlich ab. Das
ist das Ergebnis einer aktuellen wissenschaftlichen Untersuchung zu den
bisherigen Erfahrungen mit den Kameras, die vom Senat selbst in Auftrag
gegeben wurde.
Seit Ende 2022 stehen dem Rettungsdienst der Feuerwehr 50 Bodycams zur
Verfügung, 250 weitere Geräte sind bei der Polizei im Einsatz. Geht es nach
dem Willen von Schwarz-Rot, soll das erst der Anfang sein. Nicht zuletzt
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) drängt darauf, die Zahl der
Bodycams bei der Feuerwehr möglichst noch im kommenden Jahr auf 900 zu
erhöhen, bei der Polizei sollen es dann 3.100 sein.
Die seit den bundesweit beachteten Angriffen auf Polizei und Feuerwehr in
der Berliner Silvesternacht vor zwei Jahren [1][immer wieder vorgetragene
Argumentation Sprangers]: Die Kameras seien „geeignete und erforderliche
Einsatzmittel“. Schließlich, das wisse sie genau, diente die Technik neben
der Beweissicherung bei Straftaten auch der Befriedung von brenzligen
Situationen.
Tatsächlich kommt die bislang nur intern im Senat und im Abgeordnetenhaus
zirkulierende Evaluation des Law and Society Institute der
Humboldt-Universität vor allem mit Blick auf den bundesweit erstmaligen
Einsatz von Bodycams bei der Feuerwehr zu einem komplett gegenteiligen
Schluss.
## Mindestens hinderlich, schlimmstenfalls kontraproduktiv
Der Einsatz von Bodycams im Rettungsdienst werde auch deshalb abgelehnt,
weil er in der konkreten Hilfssituation mindestens hinderlich, im
schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv sei, heißt es in der Auswertung der
Interviews mit rund 130 Feuerwehrleuten, die der taz vorliegt.
Schon die bloße Anwesenheit der Kameras könne demnach nicht nur zu „einem
nachhaltigen Vertrauensverlust“ der Patient:innen gegenüber der
Institution Feuerwehr führen, die bei etwaigen Straftaten nun
unnötigerweise als eine Art Hilfspolizei wahrgenommen werde. Auch
„hinsichtlich einer deeskalierenden Wirkung“ sei größte Skepsis angebrach…
Vielmehr erhöhe eine Bodycam in „gewissen Ecken“ der Stadt das
„Aggressionspotenzial“. Dann mache die Technik „alles noch schlimmer“, …
ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes in der Studie zitiert. Die Folge: Die
Kameras werden „im ‚normalen‘ Einsatzalltag prinzipiell nicht
kontinuierlich mitgeführt und eingesetzt“.
Die beiden Autorinnen der Studie empfehlen dem Senat dann auch, „den
Einsatz der Bodycams beim Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr zu
überdenken“. Eine „zielführende Verwendung“ der Technik sei hier kaum
möglich.
„Allenfalls für besondere Einsatzlagen, bei denen es erfahrungsgemäß ein
erhöhtes Risiko von Gewalt gegen Feuerwehrleute gibt, wie
[2][beispielsweise an Silvester, Neujahr] oder am 1. Mai, könnte die
Bodycam weiter Verwendung finden“, so ihr Fazit.
## Eigenwillige Interpretation der Innenverwaltung
Die Innenverwaltung interpretiert die ihr auf 160 Seiten vorgelegten
Befunde gleichwohl auf ihre Weise. So wird in einer kurz vor Weihnachten
veröffentlichten Stellungnahme aus der Handlungsempfehlung der
Wissenschaftlerinnen, den Einsatz der Bodycams bei der Feuerwehr weitgehend
zu stoppen, der freundlich gemeinte Rat, ihn „weiter zu prüfen“.
Ohnehin konzentriert man sich im Haus von Innensenatorin Spranger darauf,
den vermeintlichen Nutzen der Technikoffensive bestätigt zu sehen. Immerhin
würden die ebenfalls befragten 150 Dienstkräfte der Polizei das neue
Hilfsmittel „grundsätzlich positiv“ bewerten.
Selbst das ist nur in Teilen von der Untersuchung gedeckt. Wie die
Autorinnen schreiben, erscheine bei der Polizei „eine gewaltreduzierende
Wirkung“ der Bodycams zwar „durchaus realistisch“. Aber auch das sei stets
von der konkreten Situation abhängig. Aggressive Personen unter Alkohol-
oder Drogeneinfluss etwa ließen sich von einer Kamera kaum beeindrucken.
Hinsichtlich des Polizeialltags schränkt die Studie deshalb ein, dass sich
Bodycams als „wenig wirksames“ Mittel erweisen, sofern in den
Einsatzgebieten „der fehlende Zugang zu Gesundheitsversorgung und
Suchtberatung oder Wohnungslosigkeit konzentriert auftreten“.
## Von Anfang an erhebliche Zweifel
Dass überhaupt eine Evaluation des Bodycam-Einsatzes durchgeführt wurde,
geht noch auf die rot-grün-rote Vorgängerkoalition zurück. Grüne und Linke
hatten dabei schon zu gemeinsamen Regierungszeiten erhebliche Zweifel an
Sprangers Aufrüstungsstrategie.
Ursprünglich sollte daher auch erst die Evaluation abgewartet werden, bevor
in dieser Hinsicht das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG)
geändert wird. Mit dem Ende der Koalition Anfang 2023 hatte sich auch diese
Vereinbarung erledigt. [3][Das ASOG wurde vor genau einem Jahr novelliert.]
Juristisch steht dem flächendeckenden „Ausrollen“ von Bodycams seither
nichts mehr im Weg.
Der Innenexperte der Linksfraktion, Niklas Schrader, sieht sich durch den
Untersuchungsbericht jetzt noch einmal bestätigt. Die Studie zeige vor
allem eines, so Schrader zur taz: „Dass SPD und CDU die Evaluation nicht
abgewartet und den Einsatz einfach ausgeweitet haben, war ein Fehler.“
26 Dec 2024
## LINKS
[1] /Spranger-fordert-nach-Silvester-Bodycams/!5903973
[2] /Silvester-in-Berlin/!6054550
[3] /Novelle-des-Berliner-Polizeigesetzes/!5969402
## AUTOREN
Rainer Rutz
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