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# taz.de -- Prozess zu tödlichen Polizeischüssen: Fünf Beamte vor Gericht
> Der 16-jährige Mouhamed Lamine Dramé wurde 2022 von der Polizei in
> Dortmund erschossen. Der Fall wirft grundsätzliche Fragen zur
> Polizeiarbeit auf.
Bild: Die fünf angeklagten Polizeibeamtinnen und -beamten am 19. Dezember im G…
Dortmund taz | Im lang erwarteten Prozess gegen fünf Dortmunder
Polizist:innen ist am Dienstagnachmittag vor dem Landgericht Dortmund
die Anklageschrift im Fall Mouhamed Lamine Dramé verlesen worden. Der 16
Jahre alte Geflüchtete aus dem Senegal war am 8. August 2022 bei einem
Polizeieinsatz in Dortmund erschossen worden.
Die Beamt:innen [1][waren zu einer Jugendhilfeeinrichtung in der
Nordstadt gerufen] worden, weil Dramé sich ein Messer vor den Bauch
gehalten haben soll. Die Polizist:innen sollen versucht haben, mit dem
Jungen, der sich in einer psychischen Ausnahmesituation befand, zu
sprechen.
Nach Angaben der Polizei soll der junge Mann mit dem Messer in der Hand auf
die Beamten zugegangen sein, die Beamt:innen sollen daraufhin
Pfefferspray und einen Elektroschocker eingesetzt haben. Fast gleichzeitig
soll ein Polizist sechs Schüsse aus einer Maschinenpistole abgefeuert
haben. Fünf trafen Dramé und verletzten ihn tödlich.
Das öffentliche Interesse an dem Prozess ist groß. Vor dem Haupteingang des
Landgerichts halten Aktivisten am Dienstag eine Mahnwache ab und zeigen
dabei Plakate mit dem Konterfei von Mouhamed Dramé. Im Schwurgerichtssaal
ist an diesem ersten der elf angesetzten Verhandlungstermine jeder Platz
besetzt. Der Hauptangeklagte Fabian S. und seine vier Kolleg:innen
werden über den Keller in ein Nebenzimmer geführt. Als der Prozess beginnt,
decken sie ihr Gesicht mit einer Aktenmappe ab.
## Anklage gegen die Polizei
Der Fall wirft grundsätzliche Fragen über Polizeieinsätze gegen Personen
auf, die sich in akuten psychischen Krisen befinden. Zudem schwingt die
Frage mit, ob auch auf einen weißen Jugendlichen geschossen worden wäre.
Der Verteidiger von Fabian S. war so auch gleich zu Beginn bemüht,
klarzustellen, dass die Hautfarbe während des Einsatzes keine Rolle
gespielt habe.
Die Staatsanwaltschaft wiederum findet in der Anklageschrift deutliche
Worte: Eine Notwehrsituation, die die letztlich tödliche Intervention hätte
rechtfertigen können, sehen die Ermittler nicht. Auch den Einsatz von
Pfefferspray und Tasern bewerten die Ermittler als unverhältnismäßig.
Auf die Notwehrsituation wird aber wohl der junge Polizist S. plädieren.
Sollte er wegen Totschlags verurteilt werden, drohen ihm zwischen 5 und 15
Jahren Haft. Damit würde er aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
Zwei seiner Kolleginnen und ein Kollege sind wegen gefährlicher
Körperverletzung im Amt angeklagt worden. Ihnen wird in einem Fall der
„ungerechtfertigte Einsatz von Pfefferspray und in zwei weiteren Fällen der
ungerechtfertigte Einsatz von Distanzelektroimpulsgeräten“ – also Tasern �…
zur Last gelegt.
Ihrem Dienstgruppenleiter wird vorgeworfen, sie zu diesen gefährlichen
Körperverletzungen im Amt angestiftet zu haben. Ihnen droht je nach
Strafmaß eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren. Sollte
ihr Fall als weniger schwer beurteilt werden, könnten Geldstrafen verhängt
werden.
Für die Familie des getöteten Mouhamed Dramé gehe es nun um „Aufklärung u…
Gerechtigkeit“, erklärte Lisa Grüter, die die Angehörigen in der
Nebenklage im Prozess vertritt. „Sie wollen wissen, warum die Polizei ein
Kind in einer Notsituation tötet“, [2][sagte sie im Vorfeld im WDR.]
Anwaltlich vertreten werden Vater und Bruder des Getöteten außerdem vom
Polizeiwissenschaftler und Strafverteidiger Thomas Feltes, der sich als
Kriminologe immer wieder mit Polizeigewalt auseinandergesetzt hat. Vor
Prozessbeginn forderte er größere Sensibilität und andere Einsatzkonzepte
für den Umgang mit psychisch Erkrankten: „Wir brauchen mehr räumliche
Distanz zwischen Polizei und Betroffenen in solchen Ausnahmesituationen
sowie mehr Zeit zur Deeskalation“, sagte er der taz.
Mouhamed Dramés Familie möchte im kommenden Jahr regelmäßig an dem Prozess
teilnehmen. Ein Solidaritätskreis kümmert sich derweil um Visa und um die
Finanzierung der Reisekosten. „Dabei ist die Familie auf Spenden
angewiesen“, heißt es von der Initiative.
19 Dec 2023
## LINKS
[1] /Polizist-erschiesst-Teenager/!5872147
[2] https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/fall-mouhamed-drame-prozess-100.…
## AUTOREN
David Bieber
## TAGS
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