| # taz.de -- Polizist erschießt Teenager: Tödliche Staatsgewalt | |
| > Vor 11 Tagen tötete ein Polizist in Dortmund den 16-jährigen Mouhamed | |
| > Lamine Dramé. Wer war der Junge aus dem Senegal? Und wie kam es zu seinem | |
| > Tod? | |
| Bild: Trauer in Dortmund Nordstadt: Kerzen und Blumen für den erschossenen 16j… | |
| Dortmund taz | Wäre die Dortmunder Nordstadt ein Lied, dann wäre das Heulen | |
| der Polizeisirene ihre Melodie. Alle paar Minuten rast in dem Stadtteil ein | |
| Streifenwagen um die Ecke. Vorbei an Kiosken, Imbissen und vollgesprayten | |
| Gründerzeitfassaden. Ein kurzer Blick weg vom Handy, ein langsames | |
| Kopfdrehen – mehr Aufmerksamkeit schenken die Bewohner:innen den | |
| Beamt:innen gewöhnlich nicht. | |
| Das Lied ist abgedroschen, die Anwohner:innen kennen es zu gut: Im | |
| Vorjahr wurden in der Nordstadt mehr als 14.000 Straftaten von der Polizei | |
| registriert. Dortmund ist, das sagt zumindest die Kriminalstatistik, die | |
| gefährlichste Stadt im Ruhrgebiet. | |
| Seit 2016 gibt es eine eigene „Ermittlungskommission Nordstadt“. In dem | |
| Stadtteil werden harte Drogen verkauft, es gibt oft Stress: Unter | |
| Konsument:innen, unter Dealer:innen. Kameras überwachen deshalb ganze | |
| Straßenzüge in dem Viertel, 24 Stunden am Tag. Die ständige Polizeipräsenz | |
| ist, ob von den knapp 60.000 Bewohner:innen erwünscht oder nicht, | |
| ziemlich normal in der Nordstadt. | |
| Auch der Polizeieinsatz, über den seit vorvergangenem Montag bundesweit | |
| diskutiert wird, findet zuerst keine besondere Beachtung. Ohne Sirenen, so | |
| berichten es mehrere Anwohner:innen vier Tage später der taz, rücken am | |
| 8. August zwölf Polizist:innen um kurz vor halb fünf in die | |
| Missundestraße aus. Erst das Rattern einer Maschinenpistole schreckt die | |
| Nachbarschaft auf: Das ist kein normaler Einsatz. | |
| An dem heißen Sommernachmittag werden insgesamt sechs Schüsse im Innenhof | |
| einer Wohngruppe für Jugendliche abgefeuert. Fünf davon treffen ihr Ziel: | |
| [1][Den 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé]. | |
| Die Polizei schreibt am selben Abend, der Geflüchtete habe die eingesetzten | |
| Beamt:innen mit einem Messer angegriffen, woraufhin ein Polizist das | |
| Feuer eröffnete. Die Projektile treffen den jungen Senegalesen in den | |
| Bauch, den Arm, in die Schulter, am Hals und im Gesicht. Die | |
| Reanimationsversuche im Krankenhaus bleiben ohne Erfolg. | |
| Es ist die Art, wie Mouhamed getötet wird, weshalb die Empörung über seinen | |
| Tod weit über die Stadtgrenzen von Dortmund hinaus schwappt. So brutal sich | |
| die Beschreibung des Polizeieinsatzes liest, so drängender stellen sich | |
| viele Menschen hinterher die Frage: Wieso endete der Einsatz so | |
| schonungslos tödlich für den Teenager? | |
| Die Suche nach einer Antwort beginnt an dem Ort, an dem die Schüsse fielen. | |
| Vier Tage nach dem Tod von Mouhamed flattert erneut Absperrband in der | |
| Missunder Straße. Zwei Polizeiwagen versperren ankommenden Autos die | |
| Zufahrt. Mit einer Drohne und Kameras vermisst die Kriminalpolizei | |
| Recklinghausen den Tatort. | |
| ## Ein schüchternen Teenager | |
| Auf dem Gehweg vor dem Hof, in dem Mouhamed starb, erinnern Blumen und | |
| Trauerkerzen an den Getöteten. Immer wieder halten Passant:innen an, | |
| darunter viele Kinder aus dem Viertel. Sie tuscheln und zeigen mit dem | |
| Finger in den Hof. | |
| Nur ein paar Meter vom Tatort entfernt lehnt Zoran Licic an einer Hauswand. | |
| Der 58-Jährige, ein kleiner Mann im Unterhemd, vergilbte Tattoos an seinen | |
| dürren Armen, wohnt seit mehr als 20 Jahren in der Nordstadt. Seine | |
| Erdgeschosswohnung grenzt direkt an den Hof der katholischen | |
| Jugendeinrichtung. Im Sommer steht er oft vor der Tür und lässt seinen | |
| Blick über die Straße schweifen. | |
| So auch an jenem Montag, erzählt Licic. Er habe aus wenigen Metern Abstand | |
| von der Seite dabei zugesehen, wie ein Polizist mit Maschinenpistole durch | |
| die Eisenstangen des Zaunes in Richtung Innenhof schoss. Was davor im Hof | |
| passiert ist, konnte er von seinem Standpunkt aus nicht sehen. Genauso | |
| wenig den getroffenen Mouhamed. | |
| Trotzdem wirkt Licic mitgenommen, seine Augen werden wässrig. Er zittert: | |
| „Das Ganze ist einfach nur traurig.“ Ein paar Mal sei er Mouhamed vorher | |
| auf der Straße begegnet. Er sei sehr ruhig gewesen, ein schüchterner | |
| Teenager: „Der hätte keiner Fliege was getan. Der war doch erst 16, fast | |
| noch ein Kind.“ | |
| Licic ist einer der wenigen aus dem Viertel, der an diesem Freitag kein | |
| Problem damit hat, seinen Namen in der Zeitung zu lesen. Die Anwesenheit | |
| der Polizei verängstige die Leute, sagt er. Die meisten Anwohner:innen | |
| treten mit versteinerten Gesichtern vor die Tür. Man tauscht sich | |
| untereinander kurz aus und fragt rum: Wer weiß schon mehr? | |
| Die am häufigsten gestellten Fragen auf der Straße sind die gleichen, die | |
| aktuell die Staatsanwaltschaft in Dortmund beschäftigen: Wer war Mouhamed? | |
| Und was ist kurz vor den tödlichen Schüssen passiert? | |
| Zu beiden Fragen kursierten in den vergangenen Wochen immer wieder | |
| Gerüchte. Und auf beide Fragen gibt es teils noch immer keine vollständigen | |
| Antworten. Bedingt Aufklärung über Mouhameds Flucht nach Deutschland | |
| liefern die Akten des Jugendamtes im Rhein-Pfalz-Kreis, wo er nach seiner | |
| Ankunft im April erstmals registriert wurde. | |
| Demnach soll er sich bereits Ende 2019 aus dem Senegal auf den Weg nach | |
| Europa gemacht haben. Gemeinsam mit seinem Stiefbruder sei der Jugendliche | |
| nach Zwischenstopps in Mali und Mauretanien Ende 2021 mit einem Boot von | |
| Marokko nach Spanien übergesetzt. Sein Stiefbruder sei auf der Fahrt im | |
| Mittelmeer ertrunken. | |
| ## Erstmal kein Platz für Mouhamed | |
| Angekommen in Spanien wohnte er offenbar in einer Unterkunft für | |
| Asylsuchende in Sevilla. Weil es ihm dort nicht gefallen habe, soll er sich | |
| entschlossen haben, mit dem Zug über Paris nach Deutschland zu fahren. Die | |
| deutsch-französische Grenze habe er zu Fuß überquert und sich in den | |
| nächstbesten Zug gesetzt, bevor er sich in Worms bei der Polizei meldete. | |
| Von dort wurde er am 30. April nach Zornheim gebracht, ein kleines Dorf | |
| südlich von Mainz. Dort gab Mouhamed an, seine beiden Eltern seien im | |
| Senegal gestorben. | |
| Diese Information wurde zunächst von der Stadt Dortmund verbreitet. Weil es | |
| in den umliegenden Einrichtungen keinen Platz für ihn gab, wurde Mouhamed | |
| schließlich am 1. August in die katholische Jugendeinrichtung St. Elisabeth | |
| in der Dortmunder Nordstadt gebracht. | |
| Die Informationen über Mouhameds Flucht aus der Akte des Jugendamts beruhen | |
| auf seinen eigenen Aussagen. Sie lassen sich nur schwer überprüfen. Eine | |
| Woche nach seinem Tod wurde bekannt: Er hat noch nahe Angehörige im | |
| Senegal. Auf der Suche nach Familienmitgliedern haben mehrere | |
| senegalesische Nachrichtenseiten Bilder von Mouhamed verbreitet. | |
| Daraufhin meldeten sich sein Vater und sein Bruder. Sie stehen derzeit in | |
| Kontakt mit der senegalesischen Botschaft in Berlin und haben den Wunsch | |
| geäußert, Mouhamed in seinem Heimatdorf im Westen des Landes zu beerdigen. | |
| Im Innenhof einer Moschee in der Dortmunder Nordstadt nehmen am | |
| Freitagnachmittag nach dem tödlichen Polizeieinsatz mehrere Hundert | |
| Menschen an einer Trauerfeier für den 16-Jährigen teil. Es verabschieden | |
| sich vor allem Menschen aus der afrikanischen und muslimischen Community. | |
| Unter den Zuhörer:innen sind kaum Menschen aus der weißen | |
| Stadtgesellschaft. Eine der wenigen Ausnahmen ist Thomas Westphal (SPD), | |
| Oberbürgermeister von Dortmund. | |
| In seiner Trauerrede fällt wiederholt das Wort Vertrauen, das nicht | |
| verloren gehen dürfe. Er spricht vom Vertrauen in die Polizei, in die | |
| Justiz, in den Zusammenhalt aller Dortmunder:innen. Während der Rede gibt | |
| es immer wieder Zwischenrufe. Einige Teilnehmende sind verärgert, dass | |
| Westphal ausgerechnet im Moment des Innehaltens vom Vertrauen in die | |
| Behörde spricht, durch deren Waffe Mouhamed getötet wurde. | |
| Über dem Hof der Moschee liegt an diesem Vormittag eine drückende Schwere. | |
| In den Blicken einiger Anwesender paart sich die Trauer mit Wut. Direkt im | |
| Anschluss ist eine Demonstration von der Moschee zum Rathaus geplant, die | |
| eine lückenlose Aufklärung des tödlichen Polizeieinsatzes fordert. | |
| Bei der Trauerfeier und anschließenden Demo ist auch Mariama Sow dabei. Die | |
| 30-jährige Sozialarbeiterin aus Guinea, herzliches Lachen, runde | |
| Brillengläser, hat die muslimische Gedenkfeier mitorganisiert. Sie sagt: | |
| „Das mit dem Vertrauen in die Polizei ist als Ausländer in Dortmund | |
| kompliziert.“ | |
| ## Auffällig gewalttätig | |
| Sow ist Mitglied im Integrationsrat der Stadt. Sie kennt die zahlreichen | |
| Geschichten von negativen Erfahrungen, die in Dortmund lebende People of | |
| Colour mit der Polizei machen. Sie selbst werde nach 12 Jahren in Dortmund | |
| regelmäßig auf der Straße nach ihrem Ausweis gefragt. | |
| In letzter Zeit sei das Verhältnis zur Polizei besonders angespannt | |
| gewesen. In den vergangenen zwei Monaten fielen Polizist:innen der | |
| Wache Nord zweimal mit gewalttätigen Einsätzen auf. Ende Mai wurden drei | |
| Teenagerinnen, die auf einem E-Scooter unterwegs waren, unsanft vom Roller | |
| geholt und von den Beamt:innen angeschrien. | |
| Auf Tiktok machte [2][ein Video des Vorfalls] die Runde. Vier Tage später | |
| wurde ein flüchtender Kleindealer in der Nordstadt von einem Polizeiauto | |
| angefahren. Bereits 2019 wurde eine schwangere Frau von einem Polizisten | |
| mehrere Minuten auf den Boden gedrückt. Ihr Kiefer brach nach mehreren | |
| Schlägen ins Gesicht. | |
| In allen Fällen stand der Vorwurf im Raum, die Polizist:innen hätten | |
| dabei rassistische Kommentare geäußert. Im vorigen Jahr wurde gegen mehrere | |
| Polizist:innen in Nordrhein-Westfalen wegen rechtsextremer Chats | |
| ermittelt. Darunter waren 14 Fälle aus Dortmund. | |
| „Der Tod von Mouhamed hat die negative Stimmung gegenüber der Polizei nur | |
| verschlimmert“, sagt Sozialarbeiterin Sow. Seit Jahren beobachte sie, wie | |
| fremd sich viele Beamt:innen und Menschen aus dem Viertel sind. In der | |
| Nordstadt haben 55 Prozent der Bewohner:innen keinen deutschen Pass, | |
| leben aber oft seit vielen Jahren in der Stadt. | |
| Polizeieinsätze sind zwar Alltag. „Trotzdem kennen wir uns nicht. Das macht | |
| es schwierig, gut miteinander umzugehen“, beschreibt Sow ihr Verhältnis mit | |
| der Polizei. Sie fordert Workshops in Zusammenarbeit mit der Behörde, in | |
| denen Beamt:innen und Mitglieder der unterschiedlichen Communities | |
| miteinander ins Gespräch kommen. Um nicht erst dann aufeinandertreffen, | |
| wenn es Probleme gibt, sagt Sow. | |
| Auf der Trauerfeier für Mouhamed fällt ein groß gewachsener blonder Mann | |
| auf. Die Vertreter:innen der muslimischen und afrikanischen Communities | |
| begrüßen ihn herzlich. Er schüttelt viele Hände. Jörg Stüdemann, | |
| dunkelblauer Anzug, tiefe Stimme, ist der erste Ansprechpartner von der | |
| Stadt, wenn Dialog notwendig ist. | |
| Eigentlich wollte der ehemalige Stadtdirektor, Kämmerer und Kulturdezernent | |
| in diesem Jahr in den Ruhestand gehen. Auf Bitten des Oberbürgermeisters | |
| macht der 65-Jährige doch bis 2025 weiter: als Krisenmanager. | |
| ## Er habe nachts viel geweint | |
| Stüdemann arbeitet seit 22 Jahren im Rathaus. Er kennt die sozialen | |
| Konflikte in der Nordstadt und die strukturellen Probleme von jungen | |
| Geflüchteten hier. In Dortmund gebe es insgesamt 3.000 „entkoppelte“ | |
| Jugendliche, wie er sie nennt. Das seien Geflüchtete im Alter bis 27, die | |
| aus Sozialleistungen herausfallen, ihre Duldung verloren haben oder selbst | |
| aus dem Asylverfahren aussteigen. Für sie gebe es kaum passende | |
| Anlaufstellen. | |
| Viele von ihnen seien traumatisiert durch Erfahrungen in ihren | |
| Heimatländern oder auf der Flucht: „Das ist eine heterogene Gruppe von | |
| Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Welt, die eins eint: Sie sind | |
| am unteren Ende der sozialen Klaviatur“, sagt Stüdemann. Um sie besser | |
| aufzufangen, müsse man mehr Menschen verschiedener Herkunft in die | |
| zuständigen Jugendämter und sozialen Einrichtungen bringen. | |
| Auch der 16-Jährige war offenbar psychisch labil und hatte Suizidgedanken. | |
| Aus seiner Akte im Jugendamt geht hervor, er habe an seinem ersten Wohnort | |
| in Zornheim Schlafprobleme gehabt und nachts oft geweint. Zu Ausflügen und | |
| Freizeitangeboten musste er motiviert werden. | |
| Eine Ausnahme war Fußball. Er soll leidenschaftlich gerne gespielt haben, | |
| weshalb auch geplant war, ihn an einen Fußballverein zu vermitteln. Seiner | |
| psychischen Probleme soll sich der Jugendliche wohl durchaus bewusst | |
| gewesen sein. Er war wohl gewillt, therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. | |
| Dazu passen die Informationen aus der Dortmunder Staatsanwaltschaft, die | |
| derzeit gegen den Beamten, der auf Mouhamed schoss, wegen des Verdachts auf | |
| Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Demnach war Mouhamed zwei Tage | |
| vor seinem Tod in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in | |
| Dortmund. Am Tag vor seinem Tod wurde er nach ärztlicher Untersuchung auf | |
| eigenen Wunsch wieder entlassen. | |
| Die Frage nach dem psychischen Zustand von Mouhamed ist deshalb zentral, | |
| weil sie mit dem Ablauf des tödlichen Polizeieinsatzes zusammenhängt. Die | |
| Polizei sei kurz vor dem Einsatz von einem Mitarbeiter der | |
| Jugendeinrichtung darüber informiert worden, dass Mouhamed in suizidaler | |
| Absicht mit einem Messer im Innenhof der Einrichtung saß. | |
| Außerdem soll den Beamt:innen vorher mitgeteilt worden sein, dass | |
| Mouhamed kaum Deutsch, sondern nur Französisch und die senegalische | |
| Landessprache Wolof spreche. | |
| Nach der Darstellung von Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul | |
| (CDU) haben zuerst Beamt:innen in Zivil versucht, Mouhamed | |
| „runterzureden“. Weil das nicht funktionierte, habe man versucht, ihn mit | |
| Reizgas „abzulenken“. Auch der Einsatz eines Elektroschockers habe die | |
| Situation nicht beruhigen können. | |
| ## Die Bodycams waren aus | |
| Im Gegenteil: Mouhamed soll mit Messer in der Hand auf die Beamt:innen | |
| zu gerannt sein, dann schoss ein Polizist. Das widerspricht den | |
| Schilderungen mehrerer Anwohner:innen, die gegenüber der taz sagten, sie | |
| hätten erst Schüsse und danach das laute Surren eines Tasers gehört. | |
| Der Innenhof der Einrichtung, in dem sich die Szene abspielte, ist auf | |
| einer Seite von einem etwa 1,60 Meter hohen Eisenzaun abgeschirmt. Der | |
| Eingang auf der anderen Gebäudeseite ist mit einem ähnlich hohen Eisentor | |
| verschließbar. | |
| Weitere Fragen zu dem Einsatz wirft ein Bericht vom Kölner Stadt-Anzeiger | |
| auf. Demnach waren die Bodycams der zwölf eingesetzten Beamt:innen | |
| allesamt ausgeschaltet. Auf taz-Nachfrage teilte das Innenministerium in | |
| Nordrhein-Westfalen mit, das Filmen eines Einsatzes bei bestehender | |
| Suizidgefahr sei möglicherweise gar nicht erlaubt. | |
| Begründet wird das mit dem Polizeigesetz. Laut diesem sind | |
| „Lebenssachverhalte höchstpersönlicher Art“ geschützt. In den sozialen | |
| Netzwerken macht sich nicht nur Verwunderung über die ausgeschalteten | |
| Bodycams breit, sondern auch über die Waffe, mit der Mouhamed getötet | |
| wurde. In Nordrhein-Westfalen führen Streifenwagen seit 2018 standardmäßig | |
| zwei Maschinenpistolen mit. | |
| Die Rufe nach Aufklärung der Todesumstände von Mouhamed haben mittlerweile | |
| den Landtag erreicht. Die SPD-Fraktion forderte Innenminister Reul | |
| vergangene Woche auf, einen Bericht über den Polizeieinsatz vorzulegen. In | |
| dem Dokument, das der taz vorliegt, ist weder von Bodycams noch von der | |
| Gefahr, die von Mouhamed kurz vor seinem Tod ausging, die Rede. | |
| Eine von Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen gestartete | |
| Petition mit über 30.000 Unterschriften verlangt eine unabhängige | |
| Untersuchungskommission zur Aufarbeitung des Einsatzes. | |
| Der Tod von Mouhamed war der vierte Fall innerhalb einer Woche in | |
| Deutschland, bei dem ein Mensch während eines Polizeieinsatzes ums Leben | |
| kam. Dass bei heiklen Polizeieinsätzen [3][psychisch kranke Menschen zu | |
| Tode] kommen, ist keine Ausnahme. Aktuelle Zahlen, wie hoch ihr Anteil | |
| darunter ist, gibt es nicht. | |
| Dennoch hat der Tod von Mouhamed die Debatte darüber, wie die Polizei mit | |
| psychisch Kranken umgehen soll, wieder angestoßen. „Wer psychisch labil und | |
| in einer derartig stressigen Situation ist, der empfindet den Einsatz von | |
| Reizgas und Elektroschockern als Angriff“, sagt der Kriminologe Thomas | |
| Feltes. | |
| ## Mouhamed liebte Fußball | |
| In solchen Situationen müssten die Beamt:innen auf Distanz gehen und | |
| erst das Gespräch suchen. Feltes bemängelt, die entsprechende Schulung von | |
| Polizeibeamt:innen sei nicht ausreichend: „Die polizeiliche | |
| Ausbildung muss Fort- und Weiterbildungen anbieten, die auf solche | |
| Situationen vorbereiten.“ | |
| Für Mouhamed Lamin Dramé hätte der Neuanfang in Dortmund vielleicht | |
| trotzdem gelingen können. Er wollte unbedingt hierbleiben. Nachdem klar | |
| war, dass im Rhein-Pfalz-Kreis keine Einrichtung Platz für ihn hat, äußerte | |
| er diesen Wunsch. Ausschlaggebend dafür soll vor allem sein: Der | |
| fußballbegeisterte Jugendliche war wohl schon vor seiner Ankunft in | |
| Deutschland ein riesiger Fan von Borussia Dortmund. | |
| Zwei Frauen, die am Freitagvormittag vor der Trauerfeier den Tatort | |
| besuchen, hätten davon über einen privaten Kontakt zum Jugendamt erfahren. | |
| Neben die roten Grabkerzen am Zaun des Innenhofs, wo Mouhamed starb, legen | |
| sie eine schwarz-gelbe Sonnenblume ab – die Farben seines Lieblingsvereins. | |
| 19 Aug 2022 | |
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