Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tödlicher Polizeieinsatz in Dortmund: Anklage gegen fünf Polizist…
> Polizisten haben im August den 16-jährigen Mouhamed Dramé im Einsatz
> erschossen– offenbar rechtswidrig. Nun klagt die Staatsanwaltschaft.
Bild: Demonstration gegen Polizeigewalt in Dortmund am 19. November 2022
Berlin taz | Im Fall des [1][im August 2022 erschossenen Mouhamed Lamine
Dramé] hat die Staatsanwaltschaft Dortmund Anklage gegen fünf Polizisten
erhoben. Einem von ihnen wird Totschlag vorgeworfen, drei anderen
gefährliche Körperverletzung und dem Dienstgruppenleiter Anstiftung zur
gefährlichen Körperverletzung. Der WDR hatte am Dienstag von der Anlage
berichtet, nun hat Oberstaatsanwalt Carsten Dombert der taz die Anklage
offiziell bestätigt.
Dramé war ein zum Tatzeitpunkt 16-jähriger Geflüchteter aus dem Senegal,
der als psychisch labil und suizidgefährdet galt. Er wohnte in einer
Jugendeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt, von wo aus die Polizei am 8.
August gerufen worden war. Zum Eintreffen der Polizei lag laut Dombert eine
statische Situation vor. Der Jugendliche saß dort im Innenhof und richtete
zwar ein Messer auf seinen Bauch, aber war ruhig. Daher kritisiert der
Oberstaatsanwalt, dass bereits, kurz nachdem der 16-jährige Dramé
angesprochen wurde, Reizgas gegen ihn eingesetzt wurde.
Laut Dombert ist dies sicherlich „nicht das mildeste“ Vorgehen. Stattdessen
hätte man einen Dolmetscher oder eine Verhandlungsgruppe holen sollen, denn
Dramé verstand kein Deutsch, was die Kommunikation mit ihm erschwerte.
Nachdem das Pfefferspray keinen Einfluss zeigte, feuerte die Polizei zwei
Taser ab, von denen einer den Jugendlichen traf. Als er dann auf die
Polizisten losging, schoss einer von ihnen mehrmals mit einer
Maschinenpistole. Dombert bestätigte, dass Dramé vor dem Einsatz von keiner
der drei Maßnahmen gewarnt wurde. „Damit ist der Einsatz rechtswidrig“,
erläutert er.
Der Fall hatte bundesweit für Empörung gesorgt, da der Polizei ein unnötig
eskalatives Verhalten vorgeworfen wurde. In Dortmund gingen daher im
November über 1.000 Demonstrierende gegen Polizeigewalt auf die Straße. Für
Irritationen sorgte im Nachgang, dass das [2][Reizgas wohl abgelaufen] war
und dass der Treffer des Elektroschockers offenbar keinen Effekt hatte.
Anwohner:innen der Einrichtung hatten der taz zudem schon kurz nach der
Tat geschildert, dass sie zuerst Schüsse und erst dann ein Surren des
Tasers gehört hätten.
## Polizei will Vertrauen wiederherstellen
In einer heutigen Pressemitteilung informierte die Dortmunder Polizei
darüber, dass bereits kurz nach dem tödlichen Einsatz Disziplinarverfahren
eingeleitet wurden und infolgedessen einer der Beamten vom Dienst
suspendiert und vier weitere in andere Tätigkeitsbereiche versetzt wurden.
Polizeipräsident Gregor Lange forderte eine lückenlose Aufklärung und
bedauerte, dass durch den Fall, „vor allem bei Menschen mit
Zuwanderungsgeschichte, Vertrauen beschädigt“ worden sei, das die Polizei
nun wiederherstellen müsse. Direkt nach dem Einsatz sei eine Arbeitsgruppe
Dialog in der Nordstadt eingerichtet worden, um sich mit Vereinen und
Verbänden zu vernetzen. Zudem seien Schulungen für den Einsatz gegen
psychisch auffällige Personen etabliert worden. Ob diese verpflichtend
sind, blieb offen.
Wann mit dem Beginn eines Gerichtsprozesses gegen die fünf Polizisten zu
rechnen sei, vermochte Oberstaatsanwalt Dombert noch nicht abzuschätzen.
Der Fall birgt Potenzial für neue Diskussionen, etwa um landes- und
bundesweite Studien zu Rassismus bei der Polizei.
Rassismusforscher Professor Karim Fereidooni von der Ruhr-Universität
Bochum hatte kurz nach dem Einsatz in der WAZ neben der Einrichtung einer
unabhängigen Polizeibeauftragtenstelle auch „eine umfassende Studie über
Rassismus und Gewalt bei der Polizei NRW“ gefordert. Im Oktober wurde eine
solche [3][Studie für die Polizei in Berlin] veröffentlicht. Über das
Ergebnis war man sich uneinig. Während Grüne und Linke es als Nachweis für
Alltagsrassismus in der Polizei interpretierten, sahen FDP und CDU das
Gegenteil bestätigt.
16 Feb 2023
## LINKS
[1] /Polizist-erschiesst-Teenager/!5872147
[2] /Erschossener-16-Jaehriger-in-Dortmund/!5883376
[3] /Rassismus-bei-der-Berliner-Polizei/!5889886
## AUTOREN
Dariusch Rimkus
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Polizeigewalt
Dortmund
Geflüchtete
GNS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Hamburg
Schwerpunkt Rassismus
Wochenkommentar
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Frankfurter Bahnhofsviertel: Zwei Jahre nach Polizeigewalt
50 Menschen versammelten sich in Frankfurt zu einer Gedenkkundgebung. Die
Staatsanwaltschaft hatte zuletzt die Ermittlungen eingestellt.
Tödlicher Polizeieinsatz in Dortmund: Sechs Schüsse ohne Vorwarnung
Im Prozess um den von der Polizei in Dortmund getöteten Mouhamed Dramé
räumen Beamte ein, dass ohne Vorwarnung geschossen wurde.
Mutmaßliche Polizeigewalt in Dortmund: Sechs Schüsse aus der MP
Polizist:innen haben den 16-Jährigen Mouhamed Lamine Dramé im August
2022 erschossen. Im Prozess zeigt sich, wie hektisch die Polizei vorging.
Tod nach Polizeigewahrsam in Hamburg: Was geschah auf der Wache?
Die psychisch kranke Dagmar R. starb nach einem Herzstillstand auf einer
Polizeiwache. Ihr Bruder fordert, dass der Fall aufgeklärt wird.
Angriff auf Geflüchteten: Schläger will Freispruch
Der Polizist Stefan K. wurde 2022 wegen Körperverletzung verurteilt. Jetzt
will er das Urteil anfechten, am Dienstag startete der Prozess.
Rassismus bei der Berliner Polizei: Anschiss auf offener Bühne
Innensenatorin Spranger (SPD) hält Polizeikritiker Ferat Kocak eine
Standpauke. Das Signal: Es gebe keinen Grund, etwas zu ändern. Das wäre
fatal.
Erschossener 16-Jähriger in Dortmund: Hausdurchsuchungen bei Polizisten
In die Ermittlungen zum erschossenen 16-Jährigen kommt Bewegung. Die
Staatsanwaltschaft beschlagnahmt Handys von beteiligten Polizisten.
Polizist erschießt Teenager: Tödliche Staatsgewalt
Vor 11 Tagen tötete ein Polizist in Dortmund den 16-jährigen Mouhamed
Lamine Dramé. Wer war der Junge aus dem Senegal? Und wie kam es zu seinem
Tod?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.