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# taz.de -- Mutmaßliche Polizeigewalt in Dortmund: Sechs Schüsse aus der MP
> Polizist:innen haben den 16-Jährigen Mouhamed Lamine Dramé im August
> 2022 erschossen. Im Prozess zeigt sich, wie hektisch die Polizei vorging.
Bild: Prozess um den Polizeieinsatz in Dortmund: Protestaktion des Solidarität…
Dortmund taz | Am 8. August 2022 hockt Mouhamed Lamine Dramé im Hof der
katholischen Jugendhilfeeinrichtung St. Antonius in der Dortmunder
Nordstadt. Der 16-Jährige richtet ein Küchenmesser gegen seinen Bauch.
Betreuer:innen sprechen ihn an – doch der Geflüchtete aus dem Senegal
lässt das Messer nicht los. Um 16.25 Uhr ruft der Leiter der Einrichtung
deshalb die Polizei an, bittet um Hilfe.
Um 16.47 Uhr, nur 22 Minuten nach Eingang des Notrufs, feuert ein Polizist
6 Schüsse aus einer Maschinenpistole auf den Jugendlichen ab. Dramé wird im
Gesicht, am Hals, in Schulter, Arm und Bauch getroffen.
Reanimationsversuche im Krankenhaus bleiben erfolglos.
Wieso der Polizeieinsatz so furchtbar scheiterte, wer für den Tod des
16-Jährigen verantwortlich ist, soll ein seit Dezember laufender Prozess
vor dem Landgericht Dortmund klären. Oberstaatsanwalt Carsten Dombert hat 5
Polizist:innen angeklagt: Fabian S., den Schützen an der
Maschinenpistole wegen Totschlags, drei seiner Kolleg:innen wegen
gefährlicher Körperverletzung und ihren Einsatzleiter wegen Anstiftung
dazu.
Am gestrigen Mittwoch, dem 5. Prozesstag, sind als Zeug:innen noch einmal
die Mitarbeiter:innen von „St. Antonius“ geladen. Den Einsatz haben
sie teils aus direkter Nähe miterlebt. Ihre Aussagen machen nicht nur
deutlich, wie schnell, hektisch und nervös die Polizist:innen in der
migrantisch geprägten Dortmunder Nordstadt gehandelt haben – sondern auch,
wie schwierig es wird, die Frage nach der Verantwortung für die tödlichen
Schüsse zu klären.
## Ein Zeuge bricht unter Tränen zusammen
So kann sich der Einrichtungsleiter als erster Zeuge nicht mehr an die
Gesichter der Polizist:innen erinnern. Welcher Beamte, welche Beamtin
also was an diesem schrecklichen Montagnachmittag vor eineinhalb Jahren
getan hat, kann Alexander G. deshalb nicht sagen.
Als zweiter Zeuge folgt Moritz P., der die zur Hilfe gerufenen
Polizist:innen auf Anweisung seines Chefs am Tor der Einrichtung in
Empfang nahm und deshalb 2 kurze Einsatzbesprechungen mithören konnte. Doch
der Sozialarbeiter, der nicht mehr bei „St. Antonius“ arbeitet, ist vom
Erlebten offensichtlich noch immer traumatisiert – am 4. Prozesstag ist er
bei einer intensiven Befragung unter Tränen zusammengebrochen. An die
Inhalte der Einsatzbesprechungen der Polizei kann P. sich nicht mehr
erinnern. „Ich weiß nicht mehr, was erörtert wurde“, sagt er leise.
„Desorientiert, nicht zielorientiert“ habe Mouhamed Dramé gewirkt, als er
sich nach dem massiven Einsatz von Pfefferspray „langsam“ in Richtung der
Polizist:innen bewegt habe, erklärt Moritz P. allerdings mit
Bestimmtheit. Dem widerspricht jedoch ein weiterer Mitarbeiter der
Einrichtung: „Schnell“ sei der Suizidgefährdete auf die Beamt:innen
zugegangen. Für die Frage, ob der Polizist an der Maschinenpistole in
Notwehr gehandelt hat, kann das von entscheidender Bedeutung sein.
Der Prozess, in dem ein Urteil wohl erst im Sommer fallen dürfte, wird
kommenden Mittwoch fortgesetzt. Was noch heute zu spüren ist, ist blankes
Entsetzen: „Ich habe mich gefragt: Die sollen doch helfen“, sagt eine
weitere Zeugin über die Polizist:innen. „Warum kommen die sofort mit
solchen Waffen?“ Einfach schnell weggelaufen sei sie, sagt die
Sozialarbeiterin, selbst Person of Colour – und ahmt das Geräusch der
Schüsse nach: „Papp, papp, papp, papp.“
21 Feb 2024
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Polizeigewalt
Dortmund
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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