# taz.de -- Tod im Polizeigewahrsam: Obduktion entlastet Polizisten | |
> Am 3. Januar starb ein Mann im Braunschweiger Polizeigewahrsam. | |
> „Hocherregungszustand“ führte in Verbindung mit Rauschmitteln zu | |
> Herzstillstand. | |
Bild: Ungemütlicher Ort: Gewahrsamszelle, hier im Kölner Polizeipräsidium | |
HAMBURG taz | Im Fall [1][des Mannes, der im Januar in Gewahrsam der | |
Braunschweiger Polizei starb,] liegt das Obduktionsergebnis vor. Wie die | |
Staatsanwaltschaft auf Anfrage mitteilt, starb der aus Guinea stammende | |
Mamadou B., Spitzname „Johnson“, an einem Herz-Kreislauf-Stillstand. Dessen | |
Ursache sei höchstwahrscheinlich ein „Hocherregungszustand unter | |
Fremdbeeinflussung (Alkohol, Kokain)“ gewesen. Dass die Polizei den Mann | |
nach einer Kneipenrangelei mitgenommen habe, sei aber „ohne Wenn und Aber“ | |
korrekt gewesen. | |
Die Festnahme hatte für besondere Aufmerksamkeit gesorgt, weil B. Schwarz | |
ist und sich herausstellte, dass B. nicht Täter, sondern Opfer war. Nach | |
Auswertung der Videoaufnahmen aus dem Lokal hat die Staatsanwaltschaft das | |
noch einmal revidiert: B. sei „keinesfalls nur Opfer, sondern eben auch | |
Täter, wenn auch nicht in dem Umfang, der zunächst angesichts der | |
unzutreffenden Zeugenaussagen im Raum stand“. | |
Das Geschehen spielte sich am Neujahrsmorgen in der Kneipe „Charlie | |
Chaplin“ in der Braunschweiger Innenstadt ab. Nach Angaben der | |
Staatsanwaltschaft begann Mamadou B. gegen 9.50 Uhr eine „tätliche | |
Auseinandersetzung“ mit einem Gast, woraus sich eine Schlägerei mit | |
mehreren Beteiligten entwickelte. | |
B. habe sich auch aggressiv gegenüber schlichtend eingreifenden Personen | |
gezeigt. Dabei habe er auch Unbeteiligte geschlagen und sei selbst getreten | |
worden. Schließlich habe ein damals 20-jähriger Braunschweiger drei | |
Sekunden lang Pfefferspray auf B. gesprüht. Der junge Mann wurde vor | |
wenigen Tagen wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. | |
## Am Boden festgehalten | |
B. wurde festgenommen, weil ihn ein Opfer der Reizgasattacke als denjenigen | |
benannte, der Stress gemacht und das Gas versprüht habe. [2][Im Mai sagte | |
Staatsanwalt Christian Wolters der taz], die Beamten hätten B. mitgenommen, | |
um Schlimmeres zu verhüten. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, | |
dass B. schon mehrfach wegen Drogenbesitzes, Körperverletzung, Widerstand | |
gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung verurteilt worden war. | |
Der 38-Jährige weigerte sich, nach seiner Festnahme mitzugehen. Auf einem | |
[3][Instagram-Video ist zu sehen, wie ihn Polizisten aus der Kneipe | |
schleifen]. „Er beleidigte fortwährend die eingesetzen Polizeibeamten und | |
spuckte diese auch an“, schreibt die Staatsanwaltschaft mit Blick auf den | |
Vorgang. Die Ingewahrsamnahme wäre auch ohne den Verdacht des Versprühens | |
des Reizgases rechtmäßig gewesen, betont die Staatsanwaltschaft, weil B. | |
selbst die Auseinandersetzung in dem Lokal ausgelöst habe und einer | |
einfachen Körperverletzung verdächtig gewesen sei. | |
Auf der Wache habe B. versucht, Polizisten anzugreifen, die das abwenden | |
konnten, indem sie ihn gegen eine Wand drückten und schließlich am Boden | |
festhielten. Dort sei B. liegend zurückgeblieben. Eine Ärztin, die ein bis | |
zwei Minuten später nach ihm schaute, habe beobachtet, dass er den Kopf | |
drehte. | |
Gut zehn Minuten später habe die Ärztin mit Polizisten die Zelle betreten, | |
um eine Blutprobe zu nehmen. „Da wies der Geschädigte keine Vitalfunktion | |
mehr auf“, teilt die Staatsanwaltschaft mit. B. konnte zwar reanimiert | |
werden. Bis zu seinem Tod gut 36 Stunden später sei er aber nicht mehr aus | |
dem Koma erwacht. | |
## Herz-Kreislauf-Stillstand als Todesursache | |
„Die Obduktion ergab als Todesursache einen Herz-Kreislauf-Stillstand, der | |
zu einem massiven Hirnödem und in der Folge einem hypoxischen Hirnschaden | |
führte“, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Demnach hatte B. 1,55 Promille | |
Alkohol im Blut, außerdem Kokain und Kokainabbauprodukte. Zum letzten Mal | |
habe Johnson wohl maximal anderthalb Stunden vor der Schlägerei Kokain | |
geschnupft. Ein Schlag sei „als Todesursache zweifelsfrei ausgeschlossen“ | |
worden. „Damit waren weder die Ereignisse während der Schlägerei im | |
‚Charlie Chaplin‘ noch das Geschehen in Polizeigewahrsam todesursächlich�… | |
stellt die Staatsanwaltschaft fest. | |
Allerdings sind [4][immer wieder Fälle bekannt geworden, wo Menschen nach | |
dem Einsatz von Pfefferspray gestorben sind]. „Indirekte gesundheitliche | |
Gefahren beim Einsatz von Pfefferspray bestehen insbesondere für solche | |
Personen, die unter Drogeneinfluss stehen oder Psychopharmaka eingenommen | |
haben“, stellte der [5][Wissenschaftliche Dienst des Bundestages 2010] in | |
einer Ausarbeitung fest. Das Spray darf nur zur Selbstverteidigung | |
verwendet werden. In internationalen Konflikten ist es nach der | |
Biowaffenkonvention verboten. | |
Fatal könnte zudem die Fixierung am Zellenboden gewesen sein. Man dürfe | |
niemanden länger als ein paar Sekunden in Bauchlage festhalten, [6][sagte | |
der Kriminologe Thomas Feltes 2020 der taz]. | |
19 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Tod-im-Polizeigewahrsam/!5933222 | |
[2] /Tod-im-Polizeigewahrsam/!5933222 | |
[3] https://www.instagram.com/johnsonbraunschweig/ | |
[4] /Pfefferspray-fuehrt-zu-Herzversagen/!5525831 | |
[5] https://www.bundestag.de/resource/blob/191580/%20825a5997105f8aede09106fe71… | |
[6] /24-Todesfaelle-in-Gewahrsam/!5700481 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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