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# taz.de -- Einführung von Tasern: Niedersachsen will nicht schocken
> Schleswig-Holstein stattet dieses Jahr Streifenpolizist:innen mit
> Elektroschockern aus. Niedersachsen lehnt die Einführung weiterhin ab.
Bild: Kann nicht nur für vorerkrankte Menschen tödlich sein: Taser
HAMBURG | taz | Daniela Behrens bleibt dabei. Die niedersächsische
Innenministerin hat sich vergangene Woche erneut gegen die Einführung von
[1][Elektroschockpistolen für die Polizei] ausgesprochen. Für
Streifenpolizist:innen seien Taser ihrer Ansicht nach nicht
notwendig.
„Deshalb bleiben wir in Niedersachsen dabei, dass der Einsatz von Tasern
dem Spezialeinsatzkommando vorbehalten bleibt“ [2][erklärte Behrens] der
Osnabrücker Zeitung. Das niedersächsische Innenministerium begründet das
unter anderem mit „Verwechslungsgefahr“ zwischen Tasern und Schusswaffen in
„Hochstresssituationen“ sowie mit „hohem Schulungsaufwand“.
Mit seiner Haltung ist Niedersachsen Teil einer schrumpfenden Minderheit
unter den Bundesländern. Seit Rheinland-Pfalz 2018 den Anfang gemacht
hatte, hat Bundesland um Bundesland „Distanzelektroimpulsgeräte“ (Deig),
wie die Polizei die Taser nennt, für die Streifenpolizei eingeführt. Auch
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist dafür, dass bundesweit alle
Polizist:innen Taser einsetzen dürfen, [3][wie er Ende vergangenen
Jahres bekräftigte].
## Taser können tödlich sein
Dabei sind Elektroschocker umstritten. Immer wieder sterben Menschen,
nachdem sie im Rahmen von Polizeieinsätzen getasert wurden. Neun Tode hat
die Fachzeitschrift „Bürgerrechte und Polizei/CILIP“ seit 2021 nach
Taser-Einsätzen in Deutschland gezählt. Erst [4][Anfang des Jahres starb
ein 26-jähriger Geflüchteter] in Mühlheim an der Ruhr, nachdem
Polizist:innen ihn mit einem Taser beschossen hatten.
Taser nutzt die Polizei in Deutschland schon seit Anfang der 2000er- Jahre.
Lange waren sie allerdings Spezialeinsatzkommandos vorbehalten. Außer in
Niedersachsen ist das sonst weiterhin in Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt
und Thüringen der Fall.
Ab diesem Jahr wird auch die Streifenpolizei in Schleswig-Holstein Taser
einsetzen können. Noch 2024 soll ein erstes [5][Polizeirevier im Kieler
Stadtteil Gaarden] vorläufig zehn der Geräte bekommen.
Vorher waren die Taser in einigen Revieren im Land getestet worden. Während
dieser elfmonatigen Testphase sei „in keiner Situation Strom auf Personen
abgegeben“ worden, erklärt das Landespolizeiamt auf Nachfrage der taz.
Trotzdem seien die Erfahrungen „positiv“ ausgefallen. Eine „Wirkung auf d…
polizeiliche Gegenüber“ sei nämlich schon dann festzustellen gewesen, wenn
Beamt:innen diesen den Taser nur gezeigt hatten.
Das Argument der abschreckenden Wirkung lässt der Jurist und
Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes nicht gelten. „Es geht nicht um den
Anteil der Fälle, in denen der Taser nicht zum Einsatz kam, sondern um die
Fälle, wo er angewendet wurde“.
Für diese sei gerade die US-amerikanische Studienlage eindeutig: Besonders
für psychisch beeinträchtigte, unter Drogeneinfluss stehende, schwangere
oder vorerkrankte Menschen können Taser tödlich sein. Das belegt etwa eine
umfassende [6][Recherche der Nachrichtenagentur Reuters] zu Todesfällen
nach Taser-Einsätzen in den USA.
In Schleswig-Holstein ist im neuen Polizeigesetz von 2021 festgelegt, dass
die Geräte „nicht gegen erkennbar unter 14-Jährige, erkennbar Schwangere
oder gegen Personen mit bestimmten Vorerkrankungen“ angewendet werden
dürfen.
Für den Polizeiwissenschaftler ist diese Klausel nicht nur unzureichend, er
sieht die Ausweitung der Taser-Befugnisse für Streifenpolizist:innen
grundsätzlich kritisch.
## Im Zweifel verantwortlich für den Tod
„Für mich wird mit diesen Regelungen der schwarze Peter an Beamtinnen und
Beamte abgegeben.“ Diese müssten im Zweifel entscheiden, ob ein
Taser-Schuss für eine Person, etwa durch Vorerkrankung, potenziell
gefährlich oder sogar tödlich ist.
Das könnten Polizist:innen in den allermeisten Fällen aber nicht
beurteilen, sagt Feltes. Dennoch würden sie im Zweifel verantwortlich
gemacht. Der Jurist fordert daher von der Politik eine Haftungsklausel für
Taser-Einsätze in den Polizeigesetzen, in der festgeschrieben ist, „dass
der Staat entsprechend haftet“.
Während die Polizei in Schleswig-Holstein also schon bald mit Tasern auf
Streife geht, bleibt das in Niedersachsen Sache des SEKs. Eine Ausweitung
sei auch in Zukunft „nicht geplant“, gibt das Innenministerium bekannt.
30 Jan 2024
## LINKS
[1] /Prozess-zu-toedlichen-Polizeischuessen/!5977944
[2] https://www.presseportal.de/pm/58964/5698287
[3] /Bundesjustizminister/!5981511
[4] /Tasereinsatz-der-Polizei/!5982120
[5] /Taser-fuer-Schleswig-Holsteins-Polizei/!5982272
[6] https://www.reuters.com/investigates/special-report/usa-taser-database/
## AUTOREN
Amira Klute
## TAGS
Taser
Niedersachsen
Schleswig-Holstein
Tödliche Polizeischüsse
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Kiel
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Polizeigesetz
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