# taz.de -- Neues Polizeigesetz für Berlin: Mehr Rechte für die Polizei | |
> Taser und Bodycams kommen und auch die Präventivhaft wird verlängert. | |
> Doch nicht alle Repressionswünsche gegen Klimaprotestler sind | |
> durchsetzbar. | |
Bild: Zukünftig mit Taser? | |
Berlin taz | Der von den Fraktionen von CDU und SPD beschlossene Entwurf | |
für eine Novelle des [1][Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes | |
(Asog) – also des Berliner Polizeigesetzes] – lässt zwei gegensätzliche | |
Lesarten zu, die gleichermaßen zutreffen. Erstens: Die Koalition vollzieht | |
die sicherheitspolitische Wende, also die Ausweitung der Befugnisse für die | |
Polizei auf Kosten von Grund- und Bürgerrechten. Zweitens: Zum wiederholten | |
Male hat sich die Law-and-Order-Rhetorik im Bezug auf ein härteres Vorgehen | |
gegen Klimaaktivist:innen als heiße Luft entpuppt. | |
Beide Lesarten zugleich zeigen sich in der Einigung, den Präventivgewahrsam | |
zu verlängern. Dabei geht es um das Festhalten von Personen nicht für | |
begangene, sondern zur Verhinderung zukünftiger Straftaten. Maximal 48 | |
Stunden ist das in Berlin bislang möglich. Nun soll zumindest bei schweren | |
Straftaten gegen Leib und Leben oder bei Sexualdelikten der | |
Unterbindungsgewahrsam auf fünf Tage ausgeweitet werden; im Falle einer | |
bevorstehenden terroristischen Tat gar auf sieben. Für Ordnungswidrigkeiten | |
und geringfügige Delikte soll er bei 48 Stunden bleiben. | |
Das Ziel der Ausweitung [2][war im Koalitionsvertrag festgehalten worden]. | |
Anlass und Begründung der vorausgegangenen Debatte waren die Proteste der | |
Letzten Generation. Innensenatorin [3][Iris Spranger (SPD) wollte den | |
Präventivgewahrsam erhöhen], „damit es sie endlich abschreckt“ – und di… | |
auch gegen einen SPD-Parteitagsbeschluss durchsetzen. Die CDU hatte noch | |
vor der Wiederholungswahl einen Antrag auf Verlängerung des Gewahrsams | |
eingebracht; von Kai Wegner begründet mit den „Wiederholungstätern“ der | |
Letzten Generation. | |
Nun sagt der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Martin Matz, der | |
zusammen mit seinem CDU-Kollegen Burkhard Dregger den Entwurf erarbeitet | |
hat: „Wir wollen keine Scheinlösungen schaffen.“ Die Ausweitung auch für | |
geringfügige Straftaten würde „kaum praktische Relevanz entfalten“, so | |
Matz. Schon jetzt sind richterliche Anordnungen eines Präventivgewahrsams | |
für Klimaaktivist:innen die Ausnahme. Dies mussten letztlich wohl | |
auch die Hardliner einsehen. | |
## Populismus trifft auf Rechtsstaat | |
Immer wieder waren Bestrafungsforderungen gegen Klimaaktivist:innen | |
an der rechtsstaatlichen Wirklichkeit gescheitert. Vergangene Woche hatte | |
das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren entschieden, dass die Polizei | |
keine – von Spranger und Co. ebenso geforderten – Gebühren für das Ablös… | |
eines festgeklebten Aktivisten verlangen durfte. Ein regelrechter | |
[4][Fehlschuss war der Versuch, „Klimakleber“ im Eilverfahren | |
abzuurteilen]. Regelmäßig liegen die Bedingungen hierfür nicht vor. | |
Um zumindest den kurzen Präventivgewahrsam häufiger vor Gericht | |
durchzubekommen, enthält die Novelle Konkretisierungen, etwa die | |
Ankündigung einer Straftat, eine wahrscheinliche Wiederholung von bereits | |
begangenen Taten oder das Auffinden von Waffen und gefährlichen | |
Gegenständen. Die ersten beiden Punkte dürften direkt auf die Letzte | |
Generation zielen. | |
Laut Matz blieben diese Anwendungsbeispiele „erheblich hinter anderen | |
Bundesländern zurück“ Derweil befürchtet der Grünen-Innenpolitiker Vasili | |
Franco: Der Präventivgewahrsam „kann zukünftig jedem drohen, der auf eine | |
Demo geht“. | |
## Der Taser kommt | |
Das neue Polizeigesetz wird zudem Sprangers Lieblingswaffe mit einem Status | |
als polizeiliches Eingreifmittel versehen: den Taser. Die Elektroschocker | |
sollen verwendet werden dürfen, wenn dadurch der Gebrauch der Schusswaffe | |
oder aber auch des Schlagstocks, „bei dem eine erhebliche | |
Gesundheitsbeeinträchtigung zu besorgen ist“, vermieden werden kann. Der | |
Taser, dessen Einsatz in den vergangenen drei Jahren zu bundesweit sieben | |
Todesfällen führte, soll demnach als „milderes Mittel“ gelten. | |
Für Matz geht es um „besondere Situationen“, insbesondere damit | |
„Schusswaffengebrauch unterbleiben kann“. Franco warnt vor einem | |
„Freifahrtschein für mehr Eskalationen und mehr Verletzte durch | |
Polizeieinsätze“. | |
Spranger hatte vor einem Jahr trotz eines laufenden, nicht ausgewerteten | |
Taser-Modellprojekts [5][im Alleingang der Polizei die Beschaffung von 300 | |
weiteren Geräten versprochen]. Mit der Änderung des Asog steht einer | |
regelhaften Ausstattung der Polizeikräfte nichts mehr im Wege. Die | |
Polizeigewerkschaft GdP dankte den Beteiligten, „die sich unseren | |
langjährigen Forderungen entschlossen angenommen haben. Die vereinbarten | |
Regelungen entsprechen durchgehend unseren Erwartungen.“ | |
Zufrieden ist die Polizeigewerkschaft demnach auch mit der Ausweitung der | |
Bodycams, deren Einsatz dauerhaft ermöglicht werden soll. Angeschaltet | |
werden sollen sie zukünftig, wenn die Polizei mit körperlichem Zwang | |
vorgeht oder wenn Betroffene dies verlangen. Auch der Einsatz in | |
Privaträumen wird geregelt: Aufnahmen sind demnach dann möglich, wenn es | |
Anhaltspunkte gibt, „dass dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder | |
Freiheit der Person erforderlich ist“, etwa in Fällen häuslicher Gewalt. | |
Hinzu kommen Dashcams – Kameras für Polizeiautos. | |
Die Diskussion über das Gesetz im Innenausschuss und Abgeordnetenhaus und | |
die endgültige Verabschiedung steht noch aus. Laut Matz plant die Koalition | |
danach eine weitere größere Überarbeitung des Gesetzes. | |
4 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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