| # taz.de -- Personalmangel im Krankenhaus: Jede*r Vierte will reduzieren | |
| > Die Pandemie hat Intensivpflegekräfte in Teilzeit und Berufswechsel | |
| > getrieben. Eine aktuelle Umfrage zeigt: Die Unzufriedenheit hält an. | |
| Bild: Eine Krankenschwester versorgt einen schwer an Corona erkrankten Patiente… | |
| Für die Intensiv- und Notfallmedizin hatte die Coronazeit zwei Folgen: | |
| Deren Bedeutung wurde überdeutlich. Zugleich hat sich die Situation der | |
| Beschäftigten massiv verschlechtert. Viele Pflegekräfte haben dem Job den | |
| Rücken gekehrt oder die Arbeitszeit wegen Überlastung reduziert. Dass | |
| dieses Phänomen noch lange nicht beendet ist, zeigen die Ergebnisse einer | |
| am Mittwoch veröffentlichten Umfrage der Deutschen Gesellschaft für | |
| Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN). | |
| 1.369 Ärzt*innen und Pflegekräfte hatte die Gesellschaft im November 2022 | |
| zu ihrer Arbeitssituation, zu den Auswirkungen der Coronapandemie und zu | |
| ihrem Blick auf die Zukunft befragt. Und obwohl die Situation auf den | |
| Intensivstationen sich nach der Pandemie längst beruhigt hat, bleiben die | |
| Ergebnisse erschreckend negativ: Jede*r dritte Befragte ist unzufrieden im | |
| Beruf. | |
| Ein Viertel plant in den kommenden 12 Monaten eine Reduktion der | |
| Arbeitszeit, weitere 20 Prozent denken darüber nach. Fast 30 Prozent wollen | |
| den Arbeitgeber wechseln, und jede*r Zehnte will sogar ganz aus dem Beruf | |
| aussteigen. 86 Prozent der Befragten gab an, dass sich ihre | |
| Arbeitsbedingungen durch die Pandemie verschlechtert haben. | |
| Diese Ergebnisse sind besonders dramatisch vor dem Hintergrund, dass sich | |
| durch demografische Entwicklung in den kommenden Jahren eine weitere Lücke | |
| auftut, die – da sind sich die Expert*innen einig – nicht zu schließen | |
| ist. Jede*r dritte Beschäftigte ist über 50 Jahre alt. Aber nur jede*r | |
| sechste unter 30. Christian Karagiannidis, Intensivmediziner und Präsident | |
| der DGIIN, geht davon aus, dass die Notfall- und Intensivmedizin in den | |
| nächsten Jahren noch einmal 20 bis 25 Prozent Personal verlieren wird. | |
| ## Hoffen auf die Krankenhausreform | |
| Um dieser Prognose und der aktuellen Lage etwas entgegenzusetzen, gibt es | |
| aus Sicht der Notfallmediziner*innen und Pflegekräfte vor allem zwei | |
| Maßnahmen: Die Arbeitszufriedenheit steigern durch weniger Bürokratie und | |
| weniger Arbeitsausbeutung (im Dienstplan seien Überstunden oder | |
| Unterbesetzung oft schon eingeplant) sowie klare Kompetenzverteilung | |
| zwischen Mediziner*innen und Pflegekräften. So sollten zum Beispiel | |
| besonders geschulte Pflegekräfte im Bereich Wundversorgung, Beatmung oder | |
| Mobilisierung eigenständiger und nicht nur auf ärztliche Anweisung handeln | |
| können. | |
| Hoffnung setzen Beschäftigte außerdem in die [1][geplante | |
| Krankenhausreform]. Das immer weniger werdende Personal müsse effektiver | |
| eingesetzt werden, so Karagiannidis, der als [2][Teil einer | |
| Expert*innenkommission] den der Reform zugrunde liegenden Vorschlag | |
| mit erarbeitet hat. | |
| Die Krankenhäuser mussten zwar aus Personalnot bereits jetzt Behandlungen | |
| und betriebene Betten reduzieren – aber im europäischen Vergleich sei die | |
| Zahl der Pflegekräfte und Krankenhausbetten immer noch | |
| überdurchschnittlich. Die geplante Krankenhausfinanzierungsreform sieht | |
| eine stärkere Zentralisierung vor allem komplexer Krankenhausleistungen | |
| vor. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will sie noch in | |
| diesem Jahr gesetzlich umsetzen. | |
| Laut der aktuellen Umfrage glauben immerhin noch 75 Prozent der Befragten | |
| daran, dass Verbesserungen im Gesundheitssystem möglich sind. | |
| 8 Jun 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Manuela Heim | |
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