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# taz.de -- Vier-Tage-Woche auf dem Kirchentag: Am fünften Tage sollst du ruhen
> Viele junge Menschen wollen nicht in Vollzeit arbeiten, Gewerkschaften
> fordern die Viertagewoche. Auch die Kirche spricht über die Zukunft der
> Arbeit.
Bild: Eine Wochenarbeitszeit von 32 Stunden macht einen ganzen freien Tag. Was …
Nürnberg taz | Die jungen Menschen denken zu viel an sich selbst und nicht
genug an die Gesellschaft, sagte Thomas de Maizière, dieses Jahr Präsident
des Kirchentags, in [1][einem Interview in der Wochenzeitung Die Zeit]. Die
ganze Diskussion über „Work-Life-Balance“ sei absurd, Arbeitszeitreduktion
und eine Viertagewoche außerdem nicht biblisch: „Am siebten Tage sollst du
ruhen, heißt es in der Bibel. Das bedeutet ein Verhältnis von sechs zu
eins. Und nicht, dass die Freizeit überwiegt“, so de Maizière.
Auf dem Kirchentag erntet diese Haltung wenig Zuspruch. „Wenn Gott schon
einen Tag Ruhe braucht, dann brauche ich mindestens einen mehr“, scherzt
der Moderator eines Podiums mit dem Titel „Arbeiten im neuen Normal“,
Bjarne Thorwesten. Er ist Vorstandsmitglied der Christlichen Pfadfinder.
Wie sieht sie aus, die Arbeit der Zukunft? Kann es wirklich weniger Arbeit
für den gleichen Lohn geben, so wie es [2][die IG-Metall inzwischen
fordert]?
Die Vier-Tage-Woche sei vor allem ein „Buzzword“, sagt Alexander Zumkeller,
tätig in einem Technologieunternehmen. Es ginge nicht um ein langes
Wochenende, sondern um eine generelle Arbeitszeitverkürzung und
-flexibilisierung. Beides sei grundsätzlich machbar.
Zum einen würden einige Arbeiten in Zukunft durch neue Entwicklungen in der
Künstlichen Intelligenz ohnehin automatisiert, zum anderen seien
Arbeitnehmer*innen durch den Fachkräftemangel in einer besseren
Verhandlungsposition. Aber sie hätten unterschiedliche Bedürfnisse, die der
Viertagewoche nicht unbedingt entsprechen. Sie bräuchten vielmehr ein
maßgeschneidertes Arbeitszeitmodell, das zum Leben passt. Dazu brauche es
aber Deregulierungen in den Arbeitszeitgesetzen.
## Deregulierung nur mit Tarifvertragsbindung
Alles schön und gut, antwortet Andrea Nahles, ehemalige
Bundesarbeitsministerin und heute Chefin der Bundesagentur für Arbeit.
Einige Gesetze müssten flexibler werden. Deregulierung in diesem Bereich
dürfe es „aber bitte nur mit Tarifvertragsbindungen“ geben. Dafür erntet
sie Applaus aus dem Publikum.
Katja Hessel, Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, gibt
zu bedenken, dass nicht alle Arbeitnehmer*innen von Homeoffice und
flexibler Arbeit profitieren könnten. Der Arbeitsmarkt könne gespalten
werden, in Menschen, die Freiheit und Flexibilität genießen, und andere,
die die Arbeit erledigen müssten.
Die Soziologin Jutta Allmendinger stimmt zu und ergänzt: „Eine gespaltene
Gesellschaft kann keine Gesellschaft der Zukunft sein.“ Sie plädiert für
eine generelle Arbeitszeitverkürzung auf 32 Wochenstunden. Außerdem fordert
sie eine „große Offensive des Miteinanders“ und Gelegenheiten, bei denen
sich Menschen mit unterschiedlichen ökonomischen Hintergründen wieder mehr
begegnen – zum Beispiel mit einem verpflichtenden sozialen Jahr.
## Ein ganzer Tag mehr freie Zeit
Eine Wochenarbeitszeit von 32 Stunden, das wäre ein ganzer Tag mehr freie
Zeit. Was würden die Menschen, die hier auf dem Kirchentag unterwegs sind,
damit anfangen? „Ich hätte gerne mehr Zeit für…“ steht auf einem Plakat
inmitten des Messegeländes. Olaf Zechlin, Pfarrer und psychologischer
Berater aus Essen, spricht die Vorbeilaufenden an. „Wofür brauchen Sie mehr
Zeit?“ Viele Wünsche landen auf dem Plakat: Zeit für Enkel*innen, fürs
Nichtstun, für Spiritualität, für Aktivismus oder für ihre Kinder.
Zechlin hat den ganzen Tag mit Menschen über Zeit gesprochen. Und was sind
seine Eindrücke? Wollen die jungen Menschen einfach nicht mehr arbeiten?
Das sei nicht das leitende Bedürfnis, erzählt er: „Die junge Generation
will innere Orientierung und erfüllte Arbeit. Den Zeitausgleich wollen sie
dann außerdem.“
Auch das sei im Sinne der Kirche: „Unser Ziel ist ja, dass die Menschen
einen inneren Frieden finden können. Wenn sie dazu mehr Zeit brauchen, dann
sollen sie die bekommen.“ Deswegen sei die Arbeitszeitreduktion gerade ein
Thema in den Kirchen, denn auch Pfarrer*innen könnten nicht unbegrenzt
arbeiten: „[3][Wir gehen da gerade auf eine Arbeitszeit von 41 Stunden], um
den Pfarrberuf auch für junge Menschen wieder attraktiv zu machen.“
9 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.zeit.de/2023/25/thomas-de-maiziere-work-life-balance-generation…
[2] /Gewerkschaft-fuer-Vier-Tage-Woche/!5923169
[3] https://www.evangelisch.de/inhalte/211863/01-02-2023/gesundheitsschutz-im-j…
## AUTOREN
Luisa Faust
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