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# taz.de -- Kirche für ein Tempolimit: Mehr auf die Bremse treten
> Eine kirchliche Initiative will Unterstützung für eine
> Geschwindigkeitsbegrenzung sammeln. Und so Druck auf das
> Verkehrsministerium machen.
Bild: Im Auftrag des Herren unterwegs – aber bitte schön langsam
Nürnberg taz | Ein basisdemokratisches Tempolimit, für das sich die
Fahrer*innen im Bundesgebiet einfach selbst entscheiden. Vorbei [1][an
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Co.,] beschlossen durch das
Mehrheitsrecht auf der Straße. So schlägt es Markus Bärlocher vor,
Verkehrswende-Aktivist aus Nürnberg: „Wenn wir jetzt alle freiwillig
Tempo-100 auf der Autobahn, Tempo-80 auf der Landstraße und Tempo-30
innerorts fahren, haben wir das Tempolimit verwirklicht. Wir müssen nur
genug sein.“
Könnte das funktionieren? Immerhin, seine Petition bei Campact hat bereits
216.353 Unterzeichner*innen. Auch die Mehrheit der deutschen Bevölkerung
ist für ein Tempolimit. In einer Forsa-Umfrage von 2022 waren 63 Prozent
der Befragten zumindest für eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h.
Bislang sind alle Forderungen aber am politischen Widerstand der FDP
gescheitert.
Dabei drängt es: Der Verkehrssektor ist der drittgrößte Verursacher von
Treibhausgasemissionen in Deutschland – und ein Bereich mit hohem
Einsparpotenzial. Ein Tempolimit, so wie es von Bärlocher vorgeschlagen
wird, würde laut Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe mindestens 11,1
Millionen Tonnen CO2 jährlich einsparen. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung
sei die Einzelmaßnahme mit dem höchsten Einsparpotential im Verkehr.
## Tempolimit zum Selbermachen
Die Lösung liege also auf der Hand, so Bärlocher: „Wenn die Politik nicht
handelt, müssen wir selbst was machen: Wir tun so, als wäre die
Geschwindigkeitsregelung bereits beschlossen und umgesetzt.“ Ein Tempolimit
zum Selbermachen: Einen ähnlichen Vorschlag legte die evangelische Kirche
bereits ihren Mitarbeiter*innen vor. Im Herbst vergangenen Jahres
tagte dazu die Synode der EKD. Hier wurde über Klimaschutz und auch übers
Tempolimit diskutiert, denn die Kirche sehe sich in der
„Schöpfungsverantwortung“. Sie fühle sich dem Natur- und Klimaschutz
verpflichtet.
Auf der Synode sprechen auch [2][die Aktivist*innen der Letzten
Generation.] Eine ihrer Forderungen ist ein Tempolimit von 100 km/h auf der
Autobahn. Aimée von Baalen, Sprecherin der Vereinigung, appelliert an die
Delegierten: „Wir brauchen jetzt eine gesellschaftliche Transformation. Die
werden wir nur mithilfe der Kirche schaffen.“
Aus der Diskussion heraus entsteht ein Beschlusspapier. Darin schreibt die
Synode, allen Mitarbeitenden der Kirchen sei geboten, sich bei
Dienstfahrten an ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf
Landstraßen zu halten.
Das Gebot bleibt freiwillig. Denn wer sollte es auch kontrollieren?
Verpflichtende Regeln für ihre Mitarbeiter*innen könnten nur die 20
Landeskirchen verabschieden. Diese setzen darauf, dass ihre Beschäftigten
eigenverantwortlich auf die Bremse treten: In einer Umfrage der
Nachrichtenagentur epd äußerte keine von ihnen die Absicht, verbindliche
Regeln zu verabschieden.
## Vom Kirchentag soll ein Signal ausgehen
Mit der freiwilligen Selbstverpflichtung positioniert die Kirche sich aber
auch eindeutig in der politischen Debatte. Außerdem erklärt die Synode in
ihrem Papier, sie unterstütze die Bemühungen für ein bundesweites
Tempolimit. Die Kirche wolle aber „bei sich selbst anfangen“, so
[3][Anna-Nicole Heinrichs, Präses der Synode.] Die Delegierten bitten das
Kirchenamt noch um eine öffentliche Kampagne zu dieser Selbstverpflichtung.
Diese steht bislang aus. „Werdet mit eurem Engagement sichtbar!“, wünscht
sich Markus Bärlocher. Er hofft, dass vom Kirchentag ein Signal ausgeht.
Das wird es sicherlich, doch wird es auch politisch durchschlagen?
Verkehrsminister Wissing äußert sich bisher ablehnend zum Tempolimit. Die
FDP drängt eher auf den Freiheitsgedanken als auf verordneten Klimaschutz.
Anders bei den Grünen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) besteht
bereits seit geraumer Zeit auf ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen.
Denn genau dies könne ein „wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz“ sein. Mit
dieser Haltung ist sie nicht allein. Auch Expert*innen von
Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace sprechen sich für eine
Geschwindigkeitsbegrenzung aus. Mit der Koalition aus SPD, Grünen und der
FDP wird sich dabei wohl nicht viel machen lassen.
9 Jun 2023
## LINKS
[1] /Technologieoffenheit-der-FDP/!5936043
[2] /Bewegungsforscher-ueber-Letzte-Generation/!5935523
[3] /Neue-Synoden-Praeses-Anna-Nicole-Heinrich/!5766119
## AUTOREN
Luisa Faust
## TAGS
Kirchentag 2023
Klimaschutzziele
Tempolimit
Evangelische Kirche
Glaube, Religion, Kirchenaustritte
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Schwerpunkt Klimaproteste
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