Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Sicherheit und Terrorismus: Die richtige Antwort
> Kein Staat der Welt kann Terror vollkommen verhindern – wohl aber aus
> Fehlern lernen. Dazu braucht es effiziente wie maßvolle Reformen.
Bild: Beliebt: Mehr Videoüberwachung fordern
Es gibt keine Änderung der Sicherheitslage in Deutschland. Der
islamistische Terror bedroht uns nicht erst seit dem Anschlag von Berlin.
Spätestens seit den Angriffen von 2001 weiß jeder, dass es in Europa
hasserfüllte Islamisten gibt, die Massenmorde planen und durchführen.
Überall, wo viele Menschen mehr oder weniger schutzlos zusammenkommen,
drohen Täter zuzuschlagen, denen ihr eigenes Leben wenig wert ist. Vor dem
IS gab es schon al-Qaida. Nichts ist neu an der aktuellen Bedrohung.
Und Deutschland hat auf diese Bedrohung durchaus reagiert. Seit 2004
arbeiten die rund 40 deutschen Sicherheitsbehörden im Gemeinsamen
Terrorabwehrzentrum (GTAZ) zusammen. Seit 2006 erleichtert die
Antiterrordatei den Austausch von Daten zwischen Polizei und
Geheimdiensten. Seit 2008 ist das Bundeskriminalamt auch für die
Terrorprävention zuständig. Neue Strafgesetze ermöglichen Freiheitsstrafen
(und vor allem Ermittlungen) schon bei der Vorbereitung von Terrortaten.
All diese Maßnahmen waren einst umkämpft. Heute bestreitet aber kaum noch
jemand, dass sie sinnvoll waren und sind.
Totale Sicherheit gibt es nicht. Wenn ein 17-Jähriger in Würzburg wie aus
dem Nichts beschließt, [1][Zugpassagiere mit der Axt zu attackieren], kann
dies kein Staat der Welt verhindern. Und das erwartet auch niemand.
[2][Wenn aber ein Täter wie Anis Amri ein Jahr lang auf der Liste der 550
potenziellen Attentäter steht] und dennoch ungehindert zuschlagen kann,
dann fragen sich die Bürger zu Recht, ob dieser Staat mit der Bedrohung
richtig umgeht.
Und dann geht es heute schnell auch um das große Ganze. Haben die Leute
noch Vertrauen in den ausgewogenen demokratischen Rechtsstaat? Oder wenden
sie sich populistischen und rassistischen Alternativen zu, die dann
liberale Errungenschaften auf allen Ebenen revidieren?
Der Rechtsstaat muss also dringend zeigen, dass er aus seinen Fehlern
lernt. [3][Innenminister de Maizière hat dabei in dieser Woche eine weitere
Zentralisierung der Sicherheitsbehörden vorgeschlagen]. Darüber kann man
durchaus diskutieren. Föderalistische Kleinstaaterei ist eine große
Fehlerquelle. Eine starke Bundespolizei und eine Auflösung der Landesämter
für Verfassungsschutz machen aus Deutschland auch sicher keinen autoritären
Staat. Über unsere Grundrechte wachen vielmehr die starken Gerichte in
Karlsruhe, Straßburg und Luxemburg.
## Vorstoß zur Unzeit
Dennoch kam der Vorstoß des Innenministers zur Unzeit. Noch ist unklar, ob
es föderale Reibungsverluste waren, die Amri durch die Maschen schlüpfen
ließen. Eine Umbaudebatte als Selbstzweck hilft aber niemandem und
erschwert nur die Arbeit der Behörden. Auch eine Massenüberwachung der
Bevölkerung darf nicht die Antwort des Rechtsstaats sein. Sie ist
unverhältnismäßig und ineffizient. Die Behörden wissen ja meist ganz gut,
wer die potenziellen Terroristen sind.
Auf deren wirksame Kontrolle sollte sich der Apparat deshalb konzentrieren.
Hier sollte der Staat auch offensiv auftreten: mit demonstrativen
Kontrollen, GPS-Fußfesseln und U-Haft nach Straftaten wie Sozialbetrug. Der
Fall Amri hat die Hoffnung widerlegt, man könne „Gefährder“ besser
überwachen, wenn man zaghaft im Hintergrund bleibt und die Überwachten so
vermeintlich in Sicherheit wiegt. Gegen die Unschuldsvermutung verstößt
eine solche Strategie nicht, denn sie gilt nur bei der Strafverfolgung.
Hier aber geht es im Kern um Gefahrenabwehr, die zweite zentrale Aufgabe
der Polizei.
Abzulehnen ist dagegen eine unbeschränkte Vorbeugehaft für potenzielle
Terroristen. Guantánamo hat gezeigt, wie schwer es ist, selbst
offensichtlich harmlose Gefangene wieder zu entlassen. Letztlich führt so
etwas vor allem zu neuem Hass auf den Westen. Erfolgreich werden deshalb
nur Maßnahmen sein, die nicht nur effizient, sondern auch maßvoll sind.
6 Jan 2017
## LINKS
[1] /!5319857/
[2] /!5370890/
[3] /Massnahmen-gegen-Terror/!5370506/
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Terrorismus
Sicherheitspolitik
Sicherheit
Schwerpunkt Überwachung
Deutsche Post
Andrea Voßhoff
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Anis Amri
Sicherheitsbehörden
Tunesien
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Prozess
Videoüberwachung
Thomas de Maizière
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hilfe für deutsche Geheimdienste: Post-Mitarbeiter filzen Briefe
Grundsätzlich gilt das Postgeheimnis. Dennoch sichten 1.500 Mitarbeiter der
Deutschen Post Briefe und Pakete für die Sicherheitsbehörden.
Ausweitung der Video-Überwachung: Gesichtserkennung ist okay
Den geplanten Modellversuch zur „intelligenten Videoüberwachung“ am
Berliner Bahnhof Südkreuz findet die Datenschutzbeauftragte akzeptabel.
Ausbau der Video-Überwachung: De Maizière testet Gesichtserkennung
Der Innenminister plant einen Modellversuch zur „intelligenten
Videoüberwachung“ in Berlin. Er soll noch in diesem Jahr starten.
Attentat eines Ex-Guantanamo-Häftlings: Selbstmordanschlag im Irak
Ein zum Islam konvertierter Brite landet in Guantánamo. Die britische
Regierung sorgt für seine Freilassung, doch er wird zum Terroristen.
Die Todesschützen von Anis Amri: Cola-Flasche mit „Adolf“ beschriftet
Zwei italienische Polizisten, die Anis Amri erschossen, werden in
Deutschland nicht geehrt – weil sie rechtes Zeug gepostet haben.
Sicherheitsmaßnahmen im Faktencheck: Völlig losgelöst?
Von Abschiebehaft bis Fußfesseln: Seit dem Anschlag in Berlin fordern
Innenpolitiker viele Maßnahmen. Nicht alle sind hilfreich.
Hand in Hand mit Tunesien: Schuld zuweisen hilft nicht
Was kann die deutsche Gesellschaft tun, damit der sogenannte „Islamische
Staat“ sein Ziel nicht erreicht? Zwischenruf eines tunesischen
Staatsbürgers.
Kommentar zur Verfassungsschutzreform: Schneidig, aber falsch
Föderalismus ist kein Überbleibsel von Spinnereien nach dem 2. Weltkrieg.
Wer in der Verfassungsschutzdebatte mehr Zentralisierung will, braucht gute
Gründe.
Prozess gegen mutmaßliches IS-Mitglied: Die Gefährder
Ein Syrer soll Berlin für Anschläge ausgespäht haben. Die Polizei nahm ihn
rechtzeitig fest. Dennoch zeigt sein Fall die Probleme der Ermittler.
Kriminologe über Videoüberwachung: „Das ist das Risiko der freien Welt“
Gefordert wird mehr Videoüberwachung. Der Soziologe Nils Zurawski ist
skeptisch – auch weil diese Technik langfristig gegen die Bürger verwendet
werden könnte.
Maßnahmen gegen Terror: De Maizière will den Bund stärken
Der Innenminister fordert mehr Vollmachten für den Bund, um besser gegen
Terroristen vorgehen zu können. „Ausreisezentren“ sollen Abschiebungen
erleichtern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.