# taz.de -- Klimaschutz im Kapitalismus: „Grünes Wachstum ist nicht möglich… | |
> Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Aber geht das in unserem | |
> Wirtschaftssystem überhaupt? Ein Streitgespräch. | |
Bild: taz-Finanzexpertin Ulrike Herrmann (l.) und Energieexperte Patrick Graich… | |
Patrick Graichen ist Direktor des Thinktanks Agora Energiewende, der | |
umfassende Studien vorgelegt hat, wie Wege zu einem „klimaneutralen | |
Deutschland“ aussehen könnten. Sie lesen sich wie Blaupausen für eine | |
schwarz-grüne Regierung, die den Klimaschutz ernst nimmt. Er trifft an | |
einem langen Abend auf Ulrike Herrmann, Finanzexpertin der taz und | |
Bestsellerautorin von Büchern wie „Der Sieg des Kapitals“. Sie stellt | |
infrage, ob die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie so gelingen kann. Es | |
wird ein intensives Gespräch. Für die Dauer einer Fußballpartie mit | |
Nachspielzeit spielen die beiden sich die Bälle zu. Die taz fungiert als | |
Schiedsrichter, aber der Austausch bleibt fair. Es wird ernsthaft geredet, | |
aber auch viel gelacht. Der Wein wird kaum angerührt, Konzentration ist | |
gefragt. Schließlich geht es um eine komplexe Materie und entscheidende | |
Zukunftsfragen. | |
taz: Frau Herrmann, die Agora von Patrick Graichen hat Studien unter dem | |
Titel „Klimaneutrales Deutschland“ vorgelegt, die auf Ihren Widerspruch | |
treffen. Was stört Sie daran? | |
Ulrike Herrmann: Das Problem daran ist, dass sie behaupten, auch eine | |
klimaneutrale Wirtschaft könnte stetig wachsen – ohne dass dies irgendwo | |
genau modelliert wäre. Diese Lücke ist kein Zufall, glaube ich. Grünes | |
Wachstum ist nicht möglich. | |
Warum nicht? | |
Wenn wir bis 2045 oder gar 2035 klimaneutral sein wollen, bleibt sehr wenig | |
Zeit. Heute liegt der Anteil der Erneuerbaren am gesamten Energieverbrauch | |
bei etwa 17 Prozent. Es ist völlig unklar, wie das in 30 Jahren auf 100 | |
Prozent steigen soll. | |
Die Szenarien sehen vor, dass man den Energieeinsatz bis 2050 halbiert. | |
Herrmann: Ja, und gleichzeitig nimmt die Studie ein Wirtschaftswachstum von | |
1,3 Prozent pro Jahr an. Das heißt, wir müssten eine Steigerung der | |
Energieeffizienz um etwa 75 Prozent bis 2050 erleben. Wenn sich dafür zum | |
Beispiel der Autoverkehr halbieren muss, was ich als Radfahrerin ja sehr | |
begrüßen würde, dann frage ich mich: Wo soll das beschworene Wachstum | |
herkommen? | |
Patrick Graichen: Die Halbierung des Gesamtenergieverbrauchs ist machbar, | |
weil schon der Ersatz von Öl, Gas und Kohle durch Wind- und Solarstrom | |
unglaubliche Effizienzgewinne bringt. Bisher verschwenden wir da ja 60 | |
Prozent der Energie als Wärme und CO2 an die Luft. Allein diese | |
Elektrifizierung der Volkswirtschaft spart schon massiv Primärenergie ein. | |
Ein Beispiel ist der Umstieg auf Elektroautos, die um zwei Drittel | |
effizienter sind als Verbrenner. Die eigentliche Herausforderung ist der | |
Gebäudesektor, denn da muss der Energiebedarf wirklich halbiert werden. Und | |
bisher ist noch nicht geklärt, wo all die Handwerker dafür herkommen | |
sollen. | |
Herrmann: Man würde damit nur die jetzige Produktion energieeffizienter | |
angehen, das ist noch kein grünes Wachstum. Erneuerbare Energien sind | |
außerdem teurer als die jetzige fossile Energie. Und der Kapitalismus | |
braucht dringend billige Energie für sein Wirtschaftswachstum. | |
Graichen: Ich stimme zu, dass das jetzige fossile System billiger ist als | |
Erneuerbare. Aber wir erreichen einen Gleichstand bei einem CO2-Preis von | |
50 oder 60 Euro. Und bei 100 Euro wird das erneuerbare System billiger. | |
Also spätestens in zehn Jahren. Da kommt die Politik ins Spiel, die den | |
CO2-Preis festlegt. Dafür muss man nicht den Kapitalismus abschaffen. Dafür | |
brauchen wir Preise und Ordnungsrecht, dann läuft das System in die | |
richtige Richtung. | |
Herrmann: Daran sieht man, dass Sie Volkswirtschaft zu einer Zeit studiert | |
haben, als Energie in der neoklassischen Theorie keine Rolle spielte. Sonst | |
würden Sie gar nicht darauf kommen, dass Wachstum ohne Energie möglich ist. | |
Graichen: Wachstum braucht Energie. Aber teurere Energie ändert nichts an | |
den Grundlagen des Systems, sondern am Verhältnis von eingesetzter Arbeit, | |
Energie und Kapital. | |
Herrmann: Das sehe ich eben ganz anders. Aus meiner Sicht ist Energie | |
alles. Ohne billige Energie hätte es den Kapitalismus nicht gegeben. Und | |
Wachstum ohne billige Energie ist nicht möglich. | |
Graichen: Selbst wenn man Ihnen recht gäbe, haben wir immer noch kein | |
Problem, weil Strom aus Erneuerbaren immer billiger wird. Die Kosten sinken | |
weiter, in den sonnenreichen Gegenden kommt Öl gar nicht mehr an | |
Solarenergie heran. In Portugal gab es letztens eine Solarstromauktion für | |
1,1 Cent die Kilowattstunde. Das ist fast umsonst und schlägt Kohle, Öl und | |
Gas bei Weitem. Es gibt keinen Grund, dass die Kosten nicht noch weiter | |
nach unten gehen. | |
Herrmann: Das Problem ist die Speicherung der Ökoenergie. Die | |
Industriegesellschaft kann nicht stillstehen, sobald kein Wind weht und die | |
Sonne nicht scheint. Mindestens zweimal im Jahr produzieren Wind- und | |
Solarenergie mindestens zwei Tage lang fast gar nichts. | |
Graichen: Es können in Europa sogar mal bis zu zwei Wochen im Winter geben, | |
in denen wir kaum Windstrom haben … | |
Herrmann: Das ist ja noch schlimmer! Also für diese zwei Wochen braucht man | |
dann Batterien oder andere Speichersysteme. Die sind aber teuer. | |
Graichen: … und ich will das Problem der sogenannten Dunkelflaute nicht | |
wegdiskutieren. Alle paar Jahre kann das über einen Zeitraum von einer | |
Woche vorkommen, das letzte Mal 2012. | |
Herrmann: Auch in diesem Januar hatten wir zweimal jeweils zwei Tage lang | |
kaum Wind. | |
Graichen: Das ist völlig normal und kein Grund zur Beunruhigung. Es hängt | |
eben nicht alles an den Speichern. Wir werden die Gaskraftwerke einfach | |
behalten, als Versicherung gegen solche Zeiten. Und für 100 Prozent | |
Klimaneutralität stellen wir sie auf Wasserstoff um. | |
Herrmann: Aber es geht ja nicht um einen kleinen Rest. Wenn die | |
Dunkelflaute kommt, muss man sofort den gesamten Strombedarf der | |
Volkswirtschaft ersetzen können – und der wird viel größer sein als jetzt, | |
sobald wir alles auf Strom umstellen. Man muss also zusätzliche | |
Gaskraftwerke als Reserve bauen. | |
Graichen: Das ist das Standardargument der Kohlelobby: Ohne fossile Energie | |
gehen bei uns die Lichter aus. Seit sieben Jahren ist das eine der | |
zentralen Aufgaben der Agora, dafür die sauberen Lösungen zu kalkulieren. | |
Und wir haben das bis ins Detail durchgerechnet. Ergebnis: kein Problem. | |
Diese Diskussion ist auf der technischen Ebene nun wirklich gelöst. | |
Herrmann: Mein Punkt ist nicht, dass es keine technischen Lösungen gäbe. | |
Mir geht es darum, dass Ökoenergie nur mit Speichern funktioniert. | |
Dunkelflauten sind ja nur ein Problem. Auch im normalen Alltag muss man den | |
Ökostrom zwischenspeichern, damit er in der ganzen Volkswirtschaft | |
permanent zur Verfügung stehen kann. Aber genau diese Speicherkapazitäten | |
machen Ökostrom vergleichsweise aufwendig und ineffizient. | |
Graichen: Im normalen Alltag werden wir Batterien nehmen zur | |
Zwischenspeicherung, und da erleben wir gerade genau die gleiche sagenhafte | |
Kostenreduktion wie bei der Solarenergie. Was dann noch als Herausforderung | |
bleibt, ist der grüne Wasserstoff, den wir als saisonalen Speicher brauchen | |
werden, um im Winter in der Dunkelflaute Strom zu erzeugen. Da sagen Sie, | |
das ist sündhaft teuer, zu teuer, als dass sich der Kapitalismus da seine | |
billige Energie holen könnte. Aber da würde ich den Kapitalismus mal nicht | |
unterschätzen: Wir fangen ja gerade erst an, den Wasserstoff im großen Stil | |
auszubauen. Wir haben die Kosten bei Wind und Solar unglaublich schnell und | |
weit heruntergebracht, sie gehen bei Batteriespeichern runter, wie ich es | |
vor fünf Jahren nicht für möglich gehalten habe. Und jetzt fängt das | |
Gleiche beim Wasserstoff an. | |
Herrmann: Das ist eine Wette auf die Zukunft. Wenn man aus Ökostrom | |
Wasserstoff macht und daraus wieder Strom, hat man insgesamt einen | |
Wirkungsgrad von nur etwa 30 Prozent – ein modernes Braunkohlekraftwerk hat | |
bis zu 45 Prozent. Wie soll die Ökoenergie reichen, damit es zu grünem | |
Wachstum kommt? | |
Tatsächlich geht das Gutachten von einem Jahreswachstum von 1,3 Prozent | |
aus. Über 30 Jahre kumuliert, ist das auch nicht gerade öko. | |
Graichen: Damit sind wir bei der Kernfrage: Sind Wachstum und Klimaschutz | |
vereinbar? | |
Und? Können wir die Wirtschaft wachsen lassen, ohne die Welt zu ruinieren? | |
Graichen: Die Debatte wird mir zu holzschnittartig geführt. Eigentlich ist | |
die Frage doch: Was darf aus ökologischer Sicht noch wachsen, was nicht | |
mehr? Wind und Solar sind so verfügbar, dass sie unbegrenzt wachsen können. | |
Wir haben kein Problem beim Energieangebot. Wir haben vielleicht ein | |
Materialproblem bei der Herstellung der Anlagen. Aber Stahl ist nicht knapp | |
und außerdem gut recycelbar, Erze und Silizium sind nicht knapp. Bei den | |
Speichern könnten Lithium oder Kobalt irgendwann mal ein Problem werden, | |
aber man arbeitet bereits an Ersatz und Lösungen auf Basis von Schwefel. Wo | |
wir echte, harte globale Grenzen haben, das sind die Knappheiten bei | |
Flächen und beim Süßwasser – deswegen muss man unbedingt an die | |
industrielle Landwirtschaft ran – und natürlich bei der | |
CO2-Aufnahmekapazität der Atmosphäre. Deswegen sitzen wir ja hier. Aber ein | |
Erneuerbare-Energien-System ist weltweit gut skalierbar, ohne planetare | |
Grenzen zu überschreiten. | |
Es kann also grünes Wachstum geben, wenn man dem Kapitalismus die Grenzen | |
setzt, die er nicht überschreiten darf? | |
Herrmann: Aus meiner Sicht nicht. Bisher lief der Kapitalismus so: Wir sind | |
gewachsen, indem wir alles zerstört haben; wir haben zwar punktuelle | |
Probleme behoben, etwa das Ozonloch. Aber jetzt geraten wir an die Grenzen | |
des gesamten Planeten. Das war noch nie so. | |
Graichen: Ist Kapitalismus denkbar in diesen Grenzen? Ich sage, ja. Manche | |
Vertreter der Postwachstumstheorie sagen mir: Der Kapitalismus ist in sich | |
unersättlich und akzeptiert keine Grenzen. Daher sei meine Position naiv. | |
Ich sage: Das ist die Bewährungsprobe für die Demokratie, ob wir es | |
schaffen, diese Grenzen zu setzen und durchzusetzen. Und die wichtigsten | |
Hebel hinsichtlich der planetaren Klimagrenze sind Ordnungsrecht und der | |
CO2-Preis. Außerdem braucht es klare Grenzen beim Megathema Fläche und | |
Natur, um Artenvielfalt und die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen | |
zu sichern. Weltweit gesehen ist das tatsächlich auch eine Kulturfrage: | |
Schaffen wir es, Grenzen für den Kapitalismus global durchzusetzen, sowohl | |
gegen die starke Lobby im Norden als auch im gesetzlosen Regenwald am | |
Amazonas? Da gebe ich Frau Herrmann insofern recht, dass wir bisher keinen | |
politischen Willen erkennen können, der diese Grenzen durchsetzen würde. | |
Herrmann: Noch mal zum CO2-Preis. Theoretisch gäbe es zwei Varianten. | |
Erstens: Man erhöht den Preis pro Tonne CO2 sofort auf jene 195 Euro, die | |
das Umweltbundesamt als die Umweltkosten einer Tonne berechnet hat. Dann | |
würden aber viele Unternehmen zusammenbrechen, weil sie die Energiepreise | |
nicht mehr stemmen könnten. Man hätte Massenarbeitslosigkeit und als | |
Nächstes einen rechtsradikalen Diktator. Oder, zweite Variante: Die Abgaben | |
und Steuern, die der Staat dann in Klimaschutz investieren kann, steigen | |
langsam und stetig. | |
So machen wir das ja, etwa beim Emissionshandel oder den Energiesteuern. | |
Herrmann: Genau. Sozial gerecht ist das aber nur, wenn nicht vor allem die | |
Armen belastet werden. Daher gibt es die Idee, die CO2-Steuern als | |
Energiegeld an die Bürger wieder auszuzahlen. Das wäre zwar gerecht, aber | |
durch das Energiegeld hätten die Leute wieder die Mittel, um nach Mallorca | |
zu fliegen. Für das Klima wäre nichts gewonnen. | |
Graichen: Nein, das ist ein Irrtum. Die relativen Preise des Mallorcaflugs | |
sind ja durch die hohen CO2-Preise gestiegen. Ich bekomme nicht so viel vom | |
Staat zurück, dass umweltschädliches Verhalten ausgeglichen wird. Die Frage | |
ist dann, wie viel mir der Flug wert ist. Nutze ich das Geld dafür, oder | |
mache ich damit Urlaub in der Uckermark und habe noch etwas übrig? | |
Herrmann: Niemand sitzt in der Uckermark, wenn er nach Mallorca kann. Wenn | |
man aber kein Energiegeld zahlt, können ärmere Leute nicht mehr fliegen – | |
während es sich Reiche mühelos leisten können. Diese Ungerechtigkeit wäre | |
in einer Demokratie nicht durchzuhalten: Wer nicht mehr fliegen darf, ist | |
morgen bei der AfD. Bleibt also nur die Rationierung. Jeder bekommt einen | |
Flug zugeteilt. Auch andere knappe Güter wird man rationieren müssen. So | |
wird sich die Frage stellen, wer noch Auto fahren darf. | |
Graichen: Ich glaube nicht, dass die Preise so hochgehen. Da bin ich eher | |
Technikoptimist. Elektroautos werden in zwei, drei Jahren billiger sein als | |
Verbrenner, dafür werden der technische Fortschritt und kluge Politik | |
sorgen. Dann ist das keine Frage mehr, dass man den Armen das Auto | |
wegnimmt. Der Innovationspfad lautet ja: Ich investiere viel Geld in die | |
richtigen Lösungen und mache sie damit erschwinglich. | |
Die Frage mal andersherum: Wir brauchen für den Umbau zur Klimaneutralität | |
jedes Jahr Investitionen von etwa 70 Milliarden Euro zusätzlich. Wo kommen | |
die denn her ohne Kapitalismus? | |
Herrmann: Aus dem Nichts. Geld ist kein Problem, das kann der Staat aus dem | |
Nichts schaffen und tut das auch. Bei Corona sieht man es ja: Da pumpt der | |
Staat 400 Milliarden aus dem Nichts in die Wirtschaft. | |
Teile der Umweltbewegung fordern, die Wirtschaft müsse schrumpfen. Wäre das | |
eine Lösung für die Klimakrise? | |
Graichen: Das Problem mit diesen Degrowth-Szenarien ist: Bisher hat niemand | |
realistisch skizzieren können, wie eine solche Wirtschaft aussehen und | |
funktionieren soll. | |
Herrmann: Wie die Degrowth-Bewegung glaube ich auch, dass die Wirtschaft | |
schrumpfen muss, wenn sie klimaneutral sein soll. Man darf aber nicht den | |
Fehler machen, die Vision schon für den Weg zu halten. Es reicht nicht aus, | |
nur zu sagen, dass wir alle als Selbstversorger in Schrebergärten leben | |
werden. Man braucht eine Idee, wie man aus einem dynamisch wachsenden | |
Kapitalismus in eine ökologische Kreislaufwirtschaft kommen soll. Es ist | |
sehr populär, Konsumverzicht zu postulieren. Denn es gibt schöne Studien, | |
die zeigen, dass wir nur die Hälfte der Sachen nutzen, die wir kaufen. Aber | |
was würde passieren, wenn plötzlich viele Leute nur noch halb so viel | |
konsumieren? Dann gingen die Einzelhändler pleite, es käme zu | |
Massenentlassungen, die Krise würde sich durch die ganze Wirtschaft | |
fressen. | |
Der Konsumverzicht muss ja nicht von heute auf morgen kommen. Und das Geld | |
könnte auch für immaterielle Dinge ausgegeben werden: nicht für neue Hosen, | |
sondern einen Tanzkurs. | |
Herrmann: Das würde nicht weiterhelfen. Der Kapitalismus muss wachsen, um | |
stabil zu bleiben. Er kann nicht auf Dauer stagnieren. Nein, wenn der | |
Konsum sinken soll, dann muss man das staatlich planen und steuern, damit | |
es nicht zu einer chaotischen Krise kommt. Außerdem braucht man eine | |
Rationierung der knappen Güter, die viel zu viel Ökoenergie verbrauchen und | |
die alle haben wollen, also der Flüge zum Beispiel. | |
Warum soll das funktionieren und auch noch demokratisch akzeptiert werden? | |
Herrmann: Der wichtigste Punkt ist die Rationierung. Das sorgt für absolute | |
Gerechtigkeit – alle bekommen gleich viel. Die Agora meint, grünes Wachstum | |
sei möglich. Durch technischen Fortschritt ließe sich die Umwelt schonen. | |
Wenn wir aber hart an die Grenzen des Planeten stoßen und schrumpfen | |
müssen, dann gibt es von allem weniger. In einer Demokratie, wo jeder eine | |
Stimme hat, ist es schlicht nicht denkbar, dass nur die Reichen Zugriff auf | |
die begehrten Güter haben. | |
Wann wird es erste Rationierungen geben? | |
Herrmann: Alle gucken erstaunt, wenn von Rationierung die Rede ist, aber | |
das wird schnell kommen. Zum Beispiel beim Wasser. Hier in Berlin und in | |
Ostdeutschland fällt seit Jahren deutlich zu wenig Regen. Wer bekommt also | |
das knappe Wasser? Die Landwirtschaft? Die Industrie? Tesla? Die Bürger? | |
Ganz schnell werden alle beim Staat anklopfen, nicht beim Markt, um diese | |
Verteilungsfrage zu lösen. Darüber hinaus glaube ich, dass man so schnell | |
wie möglich die Landwirtschaft reformieren sollte. Wenn wir die Insekten- | |
und Vogelpopulationen retten wollen, muss der Verbrauch an Pestiziden | |
deutlich sinken. Zudem verursacht die Landwirtschaft etwa 14 Prozent der | |
Treibhausgase. | |
Graichen: Volle Zustimmung beim Thema Landwirtschaft. Und beim Wasser kann | |
auch ich mir die Rationierung vorstellen. Das heißt aber nicht, dass das | |
auch für die Energie gilt. Wasser ist eine lokal begrenzte Ressource, | |
anders als Energie. | |
Herrmann: Für mich ist alles knapp. Für Sie nicht, das ist im Kern der | |
Unterschied zwischen uns. Und ich glaube nicht so sehr an den technischen | |
Fortschritt wie Sie. Aber ich hoffe natürlich, dass ich mich irre. Es ist | |
ja nicht so, dass ich gern in einer Wirtschaft leben würde, in der vieles | |
rationiert ist. | |
30 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
## TAGS | |
Grünes Wachstum | |
Energiewende | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
GNS | |
Robert Habeck | |
Schlagloch | |
OTTO | |
Bündnis 90/Die Grünen | |
IG | |
CO2-Preis | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Erneuerbare Energien | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Bündnis 90/Die Grünen | |
Pendlerpauschale | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vorwürfe gegen Staatssekretär Graichen: Steilvorlage für die Opposition | |
Bei der Wahl des Dena-Chefs hätte es mehr Transparenz gebraucht. Die | |
Verflechtungen sind ein gefundenes Fressen für die Gegner grüner | |
Klimapolitik. | |
Politischer Diskurs: Bremsklotz Grünenhass | |
Der Blick nach vorn setzt den Abschied vom Gestern voraus, von überholten | |
Strukturen und Klischees. Fortschritt ermöglichen vorbehaltlose Bündnisse. | |
Otto-Erbe über seine linke Biographie: „In meiner Jugend war ich Frank“ | |
Der Hamburger Medienunternehmer Frank Otto hat als Sohn des | |
Otto-Versand-Gründers ein Millionenvermögen geerbt. Nun hat er ein Buch | |
geschrieben. | |
Medien und Neutralität: Neutralität gibt es nicht | |
Seit vielen Jahren schreibe ich für die taz über Wirtschaftsthemen. Meine | |
Mitgliedschaft bei den Grünen war dabei nie ein Problem. Bis jetzt. | |
Elektrizität aus Pflanzen: Lebendes Licht | |
Energie kann man auch auch mit einem grünen Daumen gewinnen. Das zeigen | |
eine Scheibe aus Biokunststoff und eine Lampe, die dank Mikroben leuchtet. | |
Ökostrom wird teurer: Grüner, aber nicht günstiger | |
Im Herbst wird die Stromrechnung vor allem durch die gestiegenen CO2-Preise | |
teurer werden. Das gilt auch für Ökostrom. | |
Klima, Umverteilung, Mieten: Heiße Wochen bis zur Wahl | |
Wer geht wofür in den nächsten Wochen auf die Straße? Den Überblick gibt es | |
hier im taz-Protest-Poesiealbum zwischen zivilem Ungehorsam und Großdemos. | |
Debattenreihe Klima: Zero Waste ist machbar | |
Der Begriff der Kreislaufwirtschaft ist ähnlich sinnentleert wie der der | |
Nachhaltigkeit. Dabei wäre sie ein wichtiger Beitrag zur Klimaneutralität. | |
Studie zur Exportwirtschaft: Ladenhüter Solarmodul | |
Warum wird manche Technik rund um erneuerbare Energien zum Exportschlager | |
und andere nicht? Das könnte wichtig für die zukünftige Finanzpolitik sein. | |
Asiens fossiler Kraftwerkpark: Abkürzung zum Kohleausstieg | |
Indonesien, Vietnam und Co haben immer wieder Kohlekraftwerke gebaut. Die | |
Hürde, sie abzuschalten, ist groß. Ein neuer Finanzmechanismus soll helfen. | |
Klimaschutz nach der Pandemie: Eine ungenutzte Chance | |
Die Coronapandemie hat gezeigt, dass koordinierte Wirtschaftspausen möglich | |
sind. Leider ist der Wille dazu nicht erhalten geblieben. | |
Klimanotstand ausgerufen: 14.000 Forschende klagen an | |
Tausende Wissenschaftler:innen aus 150 Ländern haben den Klimanotstand | |
ausgerufen. Der Ernst der Lage sei vielen Menschen noch nicht klar. | |
Koalitionsoptionen nach der Wahl: Experiment mit Potenzial | |
Eine Ampelkoalition könnte die Grünen zur Kanzlerschaft bringen – und | |
funktionieren: Leistung, Ökologie und soziale Gerechtigkeit passen | |
zusammen. | |
Klimapolitik und die soziale Frage: Die Armen dürfen zahlen | |
Klimaschutz ist nötig, aber die Unterschichten werden am stärksten | |
belastet. Dabei stoßen sie eher wenig CO2 aus – anders als viele | |
Umweltbewusste. | |
Neues Klimagesetz verabschiedet: Großes Ziel, kleiner Mut | |
Einschneidend sind die Veränderungen, die aus dem Gesetz folgen müssen. Vor | |
ihnen schrecken die meisten Parteien zurück. | |
Studie zu Kapitalismus und Umweltpolitik: Wachstum, ein Dilemma | |
Wieder scheitert eine Studie, die zeigen will, dass „grünes Wachstum“ | |
möglich ist. Es bleibt unklar, wie man ohne Crash auf Wachstum verzichtet. |