| # taz.de -- Otto-Erbe über seine linke Biographie: „In meiner Jugend war ich… | |
| > Der Hamburger Medienunternehmer Frank Otto hat als Sohn des | |
| > Otto-Versand-Gründers ein Millionenvermögen geerbt. Nun hat er ein Buch | |
| > geschrieben. | |
| Bild: Von der Hippiebewegung sozialisiert: Millionenerbe und Medienunternehmer … | |
| taz am wochenende: Guten Tag, Herr Otto. Wo ist Ihr Personenschützer? Haben | |
| Sie den nicht immer dabei? | |
| Frank Otto: Doch. | |
| Aber hier ist niemand. | |
| Er ist keine zwei Minuten von mir entfernt und hat das Umfeld hier im | |
| Blick. Das ist das System. Ich brauche keine Manndeckung. Es wird niemand | |
| auf mich schießen. Wenn, dann hätte man mit mir etwas anderes vor. | |
| Sie spielen auf die Entführung von Jan Philipp Reemtsma 1996 an. Damals | |
| wurde Lösegeld erpresst. Seitdem haben Sie Personenschutz. | |
| Ich habe mich daran gewöhnt. Das ist auch keine ständig wechselnde Person. | |
| Es macht hauptsächlich einer. Er nimmt intensiv an meinem Leben teil und | |
| ist ein Buddy geworden. Sogar unsere Ruhestandsüberlegungen gehen konform. | |
| Warum haben Sie ein Buch über Ihr Leben geschrieben? | |
| Ich bin angesprochen worden, und das war so ein Moment, wo ich dachte: Ist | |
| es schon so weit? Bin ich schon in einem Alter, in dem man eine Biografie | |
| braucht? Dann habe ich gemerkt, die meinen das ernst. Und ich fand es gut, | |
| weil ich schon den Eindruck hatte, dass es ein verzerrtes Bild von mir in | |
| der Öffentlichkeit gibt. | |
| Inwiefern? | |
| Weil ich immer so als Erbe dargestellt werde. Ich weiß, Geld ist für alle | |
| Menschen irgendwie faszinierend. Den meisten Menschen gefällt die | |
| Vorstellung, so reich zu sein. Ich habe versucht, den Reichtum | |
| nachvollziehbar zu machen. Aber meine Geschichte ist auch eine individuelle | |
| Geschichte. Ich glaube schon, dass meine Geschwister eine andere Geschichte | |
| schreiben würden. | |
| Sie schreiben viel über Ihre Tätigkeit als Medienunternehmer, Ihre | |
| Beteiligungen an Privatradios und Privatfernsehen, beginnend in den 1980er | |
| Jahren, als ein neues Mediengesetz das möglich gemacht hat. | |
| Viele Leute sagten nach der Lektüre des Buches: „Hey Frank, das wusste ich | |
| ja gar nicht, was Du alles gemacht hast.“ Es gibt ja zum Beispiel die | |
| Generation Viva mit Leuten wie Stefan Raab und Heike Makatsch, die bei Viva | |
| als Moderatoren angefangen haben. Viele wussten gar nicht, dass ich damit | |
| zu tun hatte. | |
| Was ist mit den Frauengeschichten? Zuletzt hat Ihre Beziehung mit dem Model | |
| Nathalie Volk die bunten Blätter intensiv beschäftigt. | |
| Mit Herzschmerzgeschichten bin ich im Buch sparsam. Ich habe mit niemandem | |
| etwas aufzurechnen. Das Buch besteht aus einer Aneinanderreihung von | |
| Anekdoten, besondere Vorfälle, die nicht jedem Menschen so passieren, wie | |
| sie mir passiert sind. Dadurch ist es interessant. | |
| Bevor Sie mit Ende 20 angefangen haben, sich mit Medien zu beschäftigen, | |
| haben Sie eine Ausbildung im Unternehmen des Vaters gemacht. | |
| Da war ich nur ganz kurz. | |
| Sie beschreiben in der Episode eine Raucherpause. Alle treffen sich und am | |
| Anfang war alles cool. Dann kam heraus, dass Sie der Sohn vom Chef sind und | |
| die Gespräche sind verstummt. Ist Ihnen so was öfter passiert? | |
| So krass nicht. Ich habe das Glück gehabt, dass ich bis zu meinem | |
| dreißigsten Geburtstag relativ unentdeckt leben konnte. Der Name Otto ist | |
| kein so ungewöhnlicher Name, den bringt man nicht automatisch mit dem | |
| Otto-Versand in Verbindung. In meiner Jugend war ich nicht der Sohn, | |
| sondern da war ich Frank. Die Verhältnisse waren relativ normal. Ich habe | |
| ja auch meinen finanziellen Hintergrund erst beim Radiomachen in Anspruch | |
| genommen. Vorher hat der gar keine Rolle gespielt. | |
| Als die Leute dann wussten, was Sie für einen familiären Background haben, | |
| hatten Sie da das Gefühl, die reagieren alle komisch? | |
| Nee. Dann war ich zwar nicht mehr der Frank, aber es war ja so, dass | |
| Privatfunk und Privatfernsehen neu waren. Die Medienlandschaft hat sich | |
| innerhalb eines Jahres völlig verändert. Viele haben das als spektakulär | |
| empfunden und ich war mittenmang dabei. Und dann war der Fokus eher auf dem | |
| Neuen als auf meiner Herkunft. | |
| Hatten Sie zu der Zeit noch Kontakt zu linken Kreisen? Als junger | |
| Erwachsener waren Sie ja zum Beispiel bei der Bunten Liste dabei, die | |
| später in den Grünen aufgegangen ist. | |
| Ich habe mich auch in meinem Radiosender ganz viel mit linken Kreisen | |
| beschäftigt. Da sind auch Mitarbeiter gekommen aus dem | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weil sie sich bei uns freier gefühlt | |
| haben. Aber als Inhaber hatte ich im Programm nichts zu suchen. Auch später | |
| bei der Hamburger Morgenpost habe ich den Leuten gesagt: „Wenn Ihr | |
| schreibt, was ich denke, dann haben wir ein Problem, dann müssen wir | |
| wahrscheinlich die Hälfte der Belegschaft entlassen.“ Weil meine Meinung | |
| damals eine Minderheitenmeinung war. Die war zu links und zu grün. | |
| Würden Sie eine Vermögenssteuer befürworten? | |
| Das Problem mit der Vermögenssteuer ist, dass der Aufwand, sie zu erheben, | |
| den Ertrag schon auffrisst. Das würde nichts bringen. Sonst hätte ich kein | |
| Problem damit. | |
| Also die Idee finden Sie gut? | |
| Ich glaube mehr an solche Sachen wie Grundeinkommen und | |
| Entbürokratisierung. Da sehe ich mehr Gewinn für die Zukunft unserer | |
| Gesellschaft, weil sie die Effizienz erhöhen würde. Die meisten Menschen | |
| wollen etwas tun, selbst wenn sie eine Grundsicherung haben, weil die | |
| Arbeit Anerkennung gibt. | |
| Im NDR sagten Sie, Sie würden sich Gedanken machen, ob unser | |
| Wirtschaftssystem das richtige ist. | |
| Das kann nicht das richtige sein, weil das Falsche belohnt wird. Es wird | |
| die Ausbeutung planetarer Ressourcen belohnt. Das darf nicht belohnt | |
| werden, es gehört bestraft. | |
| Das würde heißen, man müsste die Idee des Wachstums über Bord werfen. | |
| Ich glaube, dass die Idee des Wachstums nicht ganz über Bord geworfen | |
| werden kann, weil wir auch mit Armutsbekämpfung zu tun haben auf diesem | |
| Planeten. Die Bekämpfung von Hunger und die Verbesserung der hygienischen | |
| Verhältnisse funktionieren jetzt schon besser als vor 50 Jahren. Obwohl wir | |
| mehr Menschen geworden sind. Ich glaube, dazu braucht es schon irgendwo | |
| diesen Mehrwert, der durch Wachstum entsteht. Aber als Industrienation | |
| stehen wir vor einer anderen Herausforderung. | |
| Vor welcher? | |
| Wir müssen mehr in die Nachhaltigkeit kommen und das relativ zügig. Und | |
| insofern wird sich das Wirtschaftssystem schon verändern müssen. Also es | |
| wird nicht mehr ganz so einfach sein, Rendite zu erwirtschaften. | |
| Wie halten Sie es denn privat mit der Nachhaltigkeit? | |
| Bei den offensichtlichen Sachen wie der Vermeidung von Plastikmüll bin ich | |
| dabei. Ansonsten bin ich nicht so, dass ich mich jeden Tag überprüfe. | |
| Haben Sie ein Privatflugzeug? | |
| Nein, um Gottes willen. | |
| Soll vorkommen bei Leuten mit Ihrem Vermögen. | |
| Ja, ja, es gibt Leute, für die das Sinn macht, wenn sie für ihr Business | |
| viele unbedeutende Ortschaften besuchen müssen. Aber das ist bei mir nicht | |
| so. Ich bin, wenn überhaupt, von Metropole zu Metropole unterwegs, da | |
| brauche ich so was nicht. | |
| Bei Wikipedia gibt es zwei Angaben über die Höhe Ihres Vermögens, die eine | |
| nennt 900 Millionen Euro, die andere über 1,1 Milliarden Dollar. Was | |
| stimmt? | |
| Ich weiß nicht, wie die auf diese Zahlen kommen. | |
| Liegen die zu hoch oder zu niedrig? | |
| Deutlich zu hoch. Aber ich könnte selbst keine genaue Zahl sagen. Ich habe | |
| viele Unternehmensbeteiligungen und diese Unternehmen werden ja nicht | |
| ständig bewertet. | |
| Man stellt sich vor, ab einer gewissen Größe ist es egal, ob das eigene | |
| Vermögen noch weiter wächst. Welche Rolle spielt der wirtschaftliche Erfolg | |
| Ihrer Unternehmen? | |
| Der spielt auf jeden Fall eine Rolle, weil man natürlich nicht ein Business | |
| gründet, um Geld zu verlieren. Am Ende möchte man, dass sich die Leute, die | |
| man da beschäftigt, selbst refinanzieren. Das ist nicht immer überall | |
| möglich. Aber es ist immer das Ziel. | |
| Gibt es auch Unternehmen, wo Sie einen Verlust in Kauf nehmen, weil Ihnen | |
| die Inhalte so wichtig sind? | |
| Ja, zum Beispiel Hamburg 1. Ich finde lokale Informationen | |
| demokratiepolitisch wichtig. Jeder kennt dieses Gefühl, im großen Maßstab | |
| nichts bewirken zu können. Aber ich kann dafür sorgen, dass die Ampel um | |
| die Ecke nachts abgeschaltet wird, wenn da keine Autos kommen. | |
| Wie viel Chance räumen Sie Fridays for Future ein, eine Veränderung zu | |
| erwirken? | |
| Eine Menge, aber Fridays for Future kann es nicht alleine schaffen. Fridays | |
| for Future ist eine Bewegung, die den Finger in die Wunde legt. Im Kern | |
| geht es ja um die Hinwendung zur Wissenschaft, die da eingefordert wird. | |
| Das ist eine neue Qualität. Das ist das Tolle, dass sie uns darauf | |
| aufmerksam machen, dass wir uns über wissenschaftliche Erkenntnisse | |
| hinwegsetzen. | |
| Der letzte Satz in Ihrem Buch ist: „Meine Geschichte gehört uns allen.“ Was | |
| meinen Sie damit? | |
| Ich meine, dass ich ein Teil der Gesellschaft bin. Wenn wir über die | |
| Bundesrepublik sprechen und über das, wie wir leben, dann gehört meine | |
| Geschichte auch dazu. Weil sie anders ist, als viele erwarten. Aber sie ist | |
| nur ein Teil. | |
| Wofür steht Ihre Geschichte? | |
| Es ist eine Nachkriegsgeschichte. Ich war in einer spannenden Zeit jung. | |
| Durch die Hippiebewegung und die emanzipatorischen Prozesse, die es gab, | |
| sind Prozesse angestoßen worden. Und die Welt hat sich ganz langsam | |
| verändert. Heute haben wir das Thema Diversity, und das wäre ohne diese | |
| emanzipatorischen Bewegungen von damals gar nicht möglich. Wir sind immer | |
| noch in einer Bewegung, in einem Prozess, der versucht, uns zivilisatorisch | |
| besser zu machen. Da stecken wir mitten drin. Darum sage ich: Am Ende wird | |
| alles gut. | |
| 19 Jan 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Irler | |
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