# taz.de -- Erfolgreiches Volksbegehren in Berlin: Fast 350.000 Stimmen für En… | |
> Der Volksentscheid über die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne | |
> kommt: Fast jede*r zehnte Berliner*in hat für Enteignungen | |
> unterschrieben. | |
Bild: Auch bei ihm konnte unterschrieben werden: Sammler für den Volksentschei… | |
BERLIN taz | Fast jeder zehnte Berliner hat für das [1][Volksbegehren | |
Deutsche Wohnen & Co. Enteignen] unterschrieben. Knapp 350.000 | |
Unterschriften sind für das Anliegen, private Wohnkonzerne mit mehr als | |
3.000 Wohnungen zu vergesellschaften, laut der Bürgerinitiative zusammen | |
gekommen. | |
Damit wird der 26. September in Berlin zum Super-Super-Wahlsonntag. Denn | |
dann werden nicht nur der Bundestag und das Abgeordnetenhaus neu gewählt, | |
sondern es wird auch über die Enteignungsfrage abgestimmt. Die Kampagne | |
Deutsche Wohnen Enteignen will die Unterschriften am Freitagnachmittag bei | |
einer Kundgebung der Landeswahlleitung übergeben. | |
„Der Erfolg der zweiten Sammelphase zeigt, dass sehr viele | |
Berliner*innen bezahlbaren Wohnraum in Gemeineigentum wollen“, sagte | |
Jenny Stupka, Sprecherin der Initiative, laut einer Mitteilung am | |
Freitagmorgen. „Die Berliner*innen lassen sich nicht mit Symbolpolitik | |
abspeisen.“ | |
Die Kampagne, die von zeitweise deutlich über 1.000 aktiven | |
Sammler*innen unterstützt wurde, [2][sammelt seit vier Monaten | |
Unterschriften]. Das erforderliche Quorum für einen Volksentscheid liegt in | |
Berlin bei sieben Prozent der Wahlberechtigten, also circa 175.000 | |
Personen. Selbst wenn ein guter Teil der Unterschriften ungültig sein | |
sollte, dürfte diese Zielmarke trotz Pandemie und Lockdown deutlich | |
übertroffen worden sein. | |
Ende Mai lag der Anteil der ungültigen Unterschriften bei circa einem | |
Drittel. Setzt sich dieser Trend fort, dürfte das Volksbegehren gut 230.000 | |
gültige Stimmen gesammelt haben. Offiziell sprach die Initiative am Freitag | |
von genau 343.591 Unterschriften, die sie einreichen will. | |
## Breite Unterstützung für Kampagne | |
Deutsche Wohnen und Co. enteignen fordert ein Berliner | |
Vergesellschaftungsgesetz auf Grundlage des bisher nie genutzten | |
Grundgesetzartikels 15, nach dem ganze Wirtschaftszweige gegen | |
Entschädigung enteignet werden dürfen. Rechtlich gesehen wäre das zwar | |
Neuland, aber möglich, wie auch die SPD-geführte Innenverwaltung von | |
Andreas Geisel nach über einjähriger rechtlicher Prüfung zerknirscht zugab. | |
Unterstützung erhält die Kampagne von den Berliner Landesverbänden der | |
Linken, der Grünen, von IG Metall, Verdi, GEW, der DGB-Jugend, den Jusos | |
und Mietervereinen. Die SPD, CDU, FDP, AfD und nicht zuletzt die private | |
Immobilienwirtschaft sind gegen das Anliegen. | |
Die Kosten für Entschädigungen sind umstritten und liegen je nach | |
Rechtsauffassung zwischen 8 und 36 Milliarden Euro. Während die Initiative | |
davon ausgeht, deutlich unter Marktwert entschädigen zu dürfen, läge der | |
bei der Kostenschätzung des Berliner Senats zugrunde gelegte Verkehrswert | |
zwischen 28 und 36 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Landeshaushalt | |
Berlins für das Jahr 2021 umfasst 32 Milliarden Euro. | |
Nach dem im April vor dem Bundesverfassungsgericht [3][gescheiterten | |
Mietendeckel von Rot-Rot-Grün] waren tausende Mieter*innen auf die | |
Straße gegangen, um gegen die in Berlin in den vergangenen Jahren stark | |
angestiegenen Mietpreise und Verdrängung ärmerer Menschen zu demonstrieren. | |
In den vergangenen Jahren hatte die Mietenbewegung in Berlin unter dem | |
Motto Mietenwahnsinn immer wieder zehntausende Menschen auf die Straße | |
gebracht. | |
## Ohne Staatsbürgerschaft keine Demokratie | |
Von knapp 2 Millionen Berliner Wohnungen sind rund 1,6 Millionen | |
Mietwohnungen. Etwa 240.000 davon gehören großen Immobilienkonzernen, von | |
denen viele in den vergangenen Jahren wegen Spekulation, mangelhafter | |
Instandhaltung und hoher Mietsteigerungen kritisiert wurden. | |
In etwa so hoch ist in Berlin auch der Bedarf an dauerhaft günstigem | |
Wohnraum. Die Volksinitiative will die privaten Wohnraumbestände in eine | |
Anstalt öffentlichen Rechts überführen und so für dauerhaft günstige Mieten | |
garantieren. Ein großer Teil der zur Diskussion stehenden privaten | |
Wohnraumbestände in der Stadt wurden Mitte der Nullerjahre von Berlin unter | |
der rot-roten Landesregierung verkauft. | |
Der häufigste Grund für ungültige Unterschriften ist im Übrigen eine | |
fehlende deutsche Staatsbürgerschaft. Nicht-deutsche Berliner*innen | |
sind von der direkten Demokratie ausgeschlossen, wie auch die | |
Enteignungs-Aktivist*innen immer wieder kritisiert hatten. Deswegen hatten | |
sie alle Berliner*innen aufgefordert, das Volksbegehren zu | |
unterschreiben. So erklärt sich auch der ungewöhnlich hohe Anteil an | |
ungültigen Stimmen. | |
Ende April hatte die Landeswahlleitung aufgeschlüsselt, was der häufigste | |
Ungültigkeitsgrund bei den bis dahin ausgezählten Unterschriften war: Bei | |
56,3 Prozent der ungültigen Stimmen war es die fehlende deutsche | |
Staatsangehörigkeit, gefolgt von falschen Angaben (15,6 Prozent) und einer | |
fehlenden Wohnsitzvoraussetzung (13,4 Prozent), sowie Unleserlichkeit (6,7 | |
Prozent). | |
25 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Demo-gegen-Mietenwahnsinn-in-Berlin/!5774023 | |
[2] /Volksbegehren-Deutsche-Wohnen-Enteignen/!5777665 | |
[3] /Entscheidung-des-Verfassungsgerichts/!5766581 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
## TAGS | |
Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen | |
Volksbegehren | |
Direkte Demokratie | |
Wohnungspolitik | |
GNS | |
Wohnungsleerstand | |
Die Linke Berlin | |
Mietenwahnsinn | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen | |
Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen | |
R2G Berlin | |
Michael Müller | |
Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen | |
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Leerstand in Prenzlauer Berg: Keine neue Wohnung | |
Die Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen entdeckte, dass etliche | |
Wohnungen der Deutsche Wohnen in Prenzlauer Berg absichtlich leer stehen. | |
Berliner Volksbegehren zu Enteignung: Verhältnisse zum Tanzen bringen | |
Wohnraum wird zunehmend zur Ware. Egal, wie der Volksentscheid ausgeht – er | |
hat schon jetzt viele Berliner Mieter*innen aus der Defensive geholt. | |
Protest gegen hohe Mieten in Berlin: „Wir sind wütend“ | |
Zwei Wochen vor den Wahlen findet eine Großdemo statt, kündigt ein Bündnis | |
an. Bis dahin dürfte das Thema Mieten auch im Wahlkampf angekommen sein. | |
Enteignen-Initiative erreicht Quorum: Party vor der Innenverwaltung | |
350.000 Unterschriften sind übergeben, die Partystimmung ist groß. Berlins | |
Landeswahlleiterin bestätigt, dass genug Unterschriften zusammen gekommen | |
sind. | |
Initiative Deutsche Wohnen enteignen: Ansage an Politik und Wirtschaft | |
Jede*r zehnte Berliner*in hat für die Enteignung großer | |
Immobilienkonzerne unterschrieben. Das wird den politischen Diskurs | |
verändern, auch im Bund. | |
Volksbegehren Deutsche Wohnen Enteignen: Letzter Aufruf zur Enteignung | |
Die Initiative Deutsche Wohnen und Co Enteignen sammelt noch bis zum | |
Freitag. 300.000 und sogar mehr Unterschriften dürften zusammenkommen. | |
Senat dealt mit Immobilienfirmen: Der Druck der Straße wirkt | |
Die Vonovia will die Deutsche Wohnen übernehmen, die Berliner SPD jubelt. | |
Doch die Forderung nach Vergesellschaftung ist damit nicht vom Tisch. | |
Deutsche Wohnen & Co. enteignen: „Alle auf die Straße“ | |
Einen Monat vor Ende der Sammelphase hat die Kampagne knapp 200.000 | |
Unterschriften eingereicht. Im Endspurt sollen noch 50.000 dazukommen. | |
Demo gegen „Mietenwahnsinn“ in Berlin: „Nicht den Deckel, den ganzen Topf… | |
In Berlin demonstrieren Tausende gegen horrende Mieten. Viele | |
Teilnehmer*innen sehen in Enteignungen von Konzernen den letzten | |
Ausweg. | |
Entscheidung des Verfassungsgerichts: Karlsruhe pusht die Enteignung | |
Der Mietendeckel ist verfassungswidrig, sagt Karlsruhe. Ein Urteil mit | |
Folgen für Rot-Rot-Grün und für hunderttausende Mieter*innen. |