| # taz.de -- Initiative Deutsche Wohnen enteignen: Ansage an Politik und Wirtsch… | |
| > Jede*r zehnte Berliner*in hat für die Enteignung großer | |
| > Immobilienkonzerne unterschrieben. Das wird den politischen Diskurs | |
| > verändern, auch im Bund. | |
| Bild: Das Thema Enteignen beherrscht den politischen Diskurs in Berlin, hier am… | |
| Diese Zahl ist eine klare Ansage an Politik und Wirtschaft. Fast 350.000 | |
| Berliner*innen haben in der zweiten Stufe des Volksbegehrens „Deutsche | |
| Wohnen und Co. Enteignen“ unterschrieben und [1][damit einen entsprechenden | |
| Volksentscheid möglich gemacht]. Selbst wenn ein Drittel der Stimmen | |
| ungültig sein sollte, unterstützt rund jede*r zehnte Wahlberechtigte in | |
| Berlin das Anliegen – trotz aller Einschränkungen durch die Pandemie, die | |
| zum Beispiel große Werbeveranstaltungen unmöglich machte. | |
| Das ist zuallererst ein Sieg für die Initiative, die sich [2][top | |
| organisiert und mit Unterstützung von mehr als 1.000 Menschen] in die | |
| viermonatige Sammlungsphase gestürzt hat. Es ist außerdem ein Erfolg für | |
| die Linkspartei, die in Berlin mit an der Regierung ist. Sie hat das | |
| Begehren inhaltlich und personell massiv unterstützt und kann im | |
| anstehenden Wahlkampf anders als etwa die Berliner Grünen – ebenfalls Teil | |
| von Rot-Rot-Grün – mit einer klaren Position in Sachen Vergesellschaftung | |
| punkten. | |
| Die Kampagne war klug formuliert: Zwar sorgt eine Vergesellschaftung, wie | |
| von der Initiative auf ihren vielen Plakaten versprochen, nicht unmittelbar | |
| für „bezahlbaren Wohnraum“. Aber sie erhöht die Chance dafür, wenn die | |
| Vermieter*innen vom Staat oder Land kontrolliert werden. | |
| Noch wichtiger: Der Satz drückte den drängenden Wunsch vieler | |
| Mieter*innen in der Stadt [3][nach dem Scheitern des Mietendeckels] vor | |
| dem Bundesverfassungsgericht aus. Die Angst, die Miete nicht mehr bezahlen | |
| zu können und angesichts des absurd überhitzten Mietmarktes nicht einmal | |
| mehr in den Plattenbausiedlungen am Stadtrand abseits des alten Kiezes | |
| notgedrungen unterzukommen, hat längst die Mittelschicht erreicht. | |
| Wenn es noch eine Zahl brauchte, um Politiker*innen und auch | |
| Immobilienunternehmen klar zu machen, dass der anstehende Wahlkampf für das | |
| Berliner Abgeordnetenhaus und den Bundestag maßgeblich von der Frage nach | |
| Wohnraum bestimmt wird, dann steht sie nun im Raum. Die Politik muss darauf | |
| reagieren und nicht nur banale Slogans, sondern möglichst konkrete Ideen | |
| formulieren, wie der Wohnungsnot begegnet werden kann. Eine Öffnungsklausel | |
| auf Bundesebene, damit Länder einen Mietendeckel einführen können, ist eine | |
| Option. | |
| ## Der Erfolg der Initiative hilft auch der Politik | |
| Der Erfolg der Initiative hilft auch den Politiker*innen. Sie haben ein | |
| weiteres Argument in die Hand bekommen für eigene Vorschläge und auch, um | |
| Druck auszuüben auf jene renditeorientierten Vermieter*innen, damit diese | |
| ihre Taktik ändern. Vor wenigen Jahren noch war ein Begriff wie Enteignen | |
| ein Tabuwort, bestenfalls salonfähig in orthodox-kommunistischen Kreisen. | |
| Erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik besteht nun die Chance, den | |
| Grundgesetzartikel 15 – „Grund und Boden [..] können zum Zwecke der | |
| Vergesellschaftung durch ein Gesetz [..] in Gemeineigentum [..] überführt | |
| werden“ – wirklich anzuwenden. Es dürfte auch im Interesse der Wirtschaft | |
| sein, dass dies nicht oder nur verhalten passiert. | |
| Noch ist es nicht so weit. Aber viele Gutachten legen nahe, dass es einen | |
| rechtssicheren Weg für die von der Initiative geforderte Vergesellschaftung | |
| von Immobilienfirmen mit mehr als 3.000 Wohnungen gibt. Das wiederum erhöht | |
| die gar nicht so geringe Wahrscheinlichkeit, dass am 26. September | |
| tatsächlich auch eine Mehrheit der Berliner*innen an der Wahlurne dafür | |
| stimmt – gegen die Position der meisten Parteien von CDU bis SPD. | |
| Die direktdemokratischen Abstimmungen in Berlin in den vergangenen Jahren | |
| haben gezeigt, dass die Bürger*innen oft progressiver als die relevanten | |
| Parteien sind und gesellschaftlich drängende Themen vorantreiben. Sie | |
| verhinderten zum Beispiel gegen alle Erwartungen eine unkontrollierte | |
| Bebauung des ehemaligen innerstädtischen Flughafens Tempelhof, der heute | |
| ein viel genutzter und benötigter Park in der dicht bebauten City ist. | |
| Sie sprachen sich früh für Transparenz in der Politik und für | |
| Rekommunalisierung zentraler Infrastruktur aus. Sie trieben im Wahlkampf | |
| 2016 so erfolgreich die Verkehrswende für Radler*innen voran, dass der | |
| folgende rot-rot-grüne Senat die Ziele eins zu eins übernehmen musste und | |
| nun nach und nach umsetzt. | |
| Die Enteignungs-Initiative dürfte in den nächsten Monaten eine ähnliche | |
| Rolle spielen. Und selbst wenn sie knapp am 26. September scheitern sollte, | |
| kann man schon jetzt behaupten: Sie wird die Wohnungspolitik der nächsten | |
| Legislatur verändern. Im Bund und in Berlin. | |
| 25 Jun 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Erfolgreiches-Volksbegehren-in-Berlin/!5783000 | |
| [2] /Volksbegehren-Deutsche-Wohnen-Enteignen/!5777665 | |
| [3] /Entscheidung-des-Verfassungsgerichts/!5766581 | |
| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
| ## TAGS | |
| Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
| Direkte Demokratie | |
| Volksentscheid | |
| Wohnungspolitik | |
| GNS | |
| Die Linke Berlin | |
| Demonstration | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
| Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
| R2G Berlin | |
| Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
| Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Berliner Volksbegehren zu Enteignung: Verhältnisse zum Tanzen bringen | |
| Wohnraum wird zunehmend zur Ware. Egal, wie der Volksentscheid ausgeht – er | |
| hat schon jetzt viele Berliner Mieter*innen aus der Defensive geholt. | |
| Protest gegen hohe Mieten in Berlin: „Wir sind wütend“ | |
| Zwei Wochen vor den Wahlen findet eine Großdemo statt, kündigt ein Bündnis | |
| an. Bis dahin dürfte das Thema Mieten auch im Wahlkampf angekommen sein. | |
| Volksbegehren Deutsche Wohnen Enteignen: Berlin stimmt über Enteignung ab | |
| Der Volksentscheid kommt: Laut offiziellem Endergebnis ist das Quorum | |
| erreicht. Der Senat hat nun 15 Tage Zeit, um den Abstimmungstermin | |
| festzulegen. | |
| Enteignen-Initiative erreicht Quorum: Party vor der Innenverwaltung | |
| 350.000 Unterschriften sind übergeben, die Partystimmung ist groß. Berlins | |
| Landeswahlleiterin bestätigt, dass genug Unterschriften zusammen gekommen | |
| sind. | |
| Erfolgreiches Volksbegehren in Berlin: Fast 350.000 Stimmen für Enteignung | |
| Der Volksentscheid über die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne | |
| kommt: Fast jede*r zehnte Berliner*in hat für Enteignungen | |
| unterschrieben. | |
| Volksbegehren Deutsche Wohnen Enteignen: Letzter Aufruf zur Enteignung | |
| Die Initiative Deutsche Wohnen und Co Enteignen sammelt noch bis zum | |
| Freitag. 300.000 und sogar mehr Unterschriften dürften zusammenkommen. | |
| Senat dealt mit Immobilienfirmen: Der Druck der Straße wirkt | |
| Die Vonovia will die Deutsche Wohnen übernehmen, die Berliner SPD jubelt. | |
| Doch die Forderung nach Vergesellschaftung ist damit nicht vom Tisch. | |
| Demo gegen „Mietenwahnsinn“ in Berlin: „Nicht den Deckel, den ganzen Topf… | |
| In Berlin demonstrieren Tausende gegen horrende Mieten. Viele | |
| Teilnehmer*innen sehen in Enteignungen von Konzernen den letzten | |
| Ausweg. | |
| Entscheidung des Verfassungsgerichts: Karlsruhe pusht die Enteignung | |
| Der Mietendeckel ist verfassungswidrig, sagt Karlsruhe. Ein Urteil mit | |
| Folgen für Rot-Rot-Grün und für hunderttausende Mieter*innen. |