| # taz.de -- Drohungen gegen Politiker*innen: Hass im Wahlkampf | |
| > Die Grüne Göring-Eckardt ist in Brandenburg bedroht worden – und fordert | |
| > mehr Schutz durch die Polizei. Auch andernorts häufen sich Angriffe. | |
| Bild: Konnte einen Wahlkampfauftritt in Brandenburg nur mit Verspätung verlass… | |
| Berlin taz | Die Ansage von [1][Nancy Faeser] ist deutlich. „Solche | |
| Einschüchterungsversuche haben nichts mehr mit demokratischem Protest zu | |
| tun“, erklärte die Bundesinnenministerin und Sozialdemokratin am | |
| Donnerstag. „Wir sollten nie vergessen, wo politische Aggression hinführen | |
| kann. Der zunehmenden Verrohung müssen sich alle Demokraten | |
| entgegenstellen.“ | |
| Vorausgegangen waren Bedrohungen gegen Bundestagsvizepräsidentin [2][Katrin | |
| Göring-Eckardt (Grüne)] im brandenburgischen Lunow-Stolzenhagen, die erst | |
| jetzt bekannt wurden. Die Politikerin hatte am vergangenen Samstag in dem | |
| Ort an der polnischen Grenze vor rund 100 Zuhörenden bei einem | |
| Wahlkampftermin gesprochen – just zum Thema Demokratie. Laut Angaben von | |
| Teilnehmenden kam es dabei zu Gegenprotesten von 40 bis 50 Leuten, auch mit | |
| Hupen und Sirenengeheul. | |
| Als Göring-Eckardt dann wieder habe abfahren wollen, sei ihr Dienstwagen | |
| von zwei Männern blockiert worden, die sich davor und dahinter gesetzt | |
| hätten. Laut dem Büro der Politikerin schlugen mehrere Personen aggressiv | |
| auf das Fahrzeug, in dem Göring-Eckardt saß. Erst als die Polizei | |
| Verstärkung gerufen habe, sei die Abfahrt mit 45 Minuten Verspätung möglich | |
| gewesen. | |
| Die Polizei bestätigte die Blockade: Gegen einen 19- und einen 26-Jährigen | |
| sei eine Anzeige wegen Nötigung aufgenommen worden. Der Ältere habe eine | |
| Gegenanzeige gestellt, weil er angeblich von dem Auto touchiert worden sei. | |
| Laut Polizei waren aber „keine Verletzungen ersichtlich“. Inzwischen gibt | |
| es laut Polizei eine weitere Anzeige wegen Sachbeschädigung, da bei der | |
| Aktion der Dienstwagen von Göring-Eckardt am Heck beschädigt worden sein | |
| soll. | |
| ## Ländlichen Raum „nicht einem Mob überlassen“ | |
| Göring-Eckardt sagte dem Stern und RND, Protest sei legitim, Bedrohung und | |
| Einschüchterung aber nicht. Es könne nicht sein, dass | |
| Demokratieveranstaltungen zum Risiko würden. „Über Demokratie zu reden, | |
| muss überall möglich sein.“ Göring-Eckardt kritisierte auch die Polizei: Es | |
| brauche ein stärkeres Bewusstsein der Sicherheitsbehörden, die einerseits | |
| die Demonstrationsfreiheit schützen müssten – politische Veranstaltungen | |
| wie in Lunow-Stolzenhagen aber eben auch. Man könne die ländlichen Räume | |
| „nicht einem Mob überlassen“. | |
| Ein Mitarbeiter von Göring-Eckardt sagte, man sei überrascht gewesen, wie | |
| „sorglos“ die Polizei mit Aufrufen zum Gegenprotest im Vorfeld umgegangen | |
| sei, die etwa in Nachrichtengruppen kursierten. Vor Veranstaltungsbeginn | |
| sei nur ein Polizeieinsatzleiter mit einer Handvoll Einsatzkräften vor Ort | |
| gewesen, am Ende noch zwei Polizeibeamte. Ein Polizeisprecher sagte am | |
| Donnerstag auf taz-Nachfrage, zu Einsatzstärken äußere man sich | |
| grundsätzlich nicht. Der Einsatz werde aber nachbereitet. | |
| Nicht nur Faeser stellte sich am Donnerstag hinter Göring-Eckardt. Auch die | |
| CDU-Politikerin Yvonne Magwas, ebenso Vizepräsidentin des Bundestags, | |
| erklärte, der Angriff auf die Grüne sei „leider ein weiteres Beispiel der | |
| immer größer werdenden Aggressivität von Demokratiefeinden“. Das sei „ni… | |
| hinnnehmbar“. Alle Demokrat*innen müssten sich „solidarisch | |
| unterhaken“. | |
| „Auch in Thüringen ist die Stimmung aufgeheizt“, sagte der dortige | |
| Innenminister Georg Maier (SPD) am Donnerstag der taz. „Parteibüros werden | |
| angegriffen. Menschen, die Plakate aufhängen, werden beschimpft und | |
| bedroht. Das ist leider inzwischen trauriger Alltag.“ Maier verwies auf | |
| einen Sicherheitsgipfel mit Opferberatungsverbänden, der kürzlich in | |
| Thüringen abgehalten wurde. Auf Informationsveranstaltungen informiere man | |
| Gefährdete über Sicherheitsmaßnahmen bis hin zu persönlichem Polizeischutz. | |
| „Das Thema treibt uns extrem um“, so Maier. „Wir müssen alles tun, um de… | |
| den Rücken zu stärken, die sich für unsere Demokratie einsetzen.“ | |
| Zuvor hatte schon Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) betont, | |
| dass „in der Demokratie mit Argumenten gerungen wird und nicht mit | |
| Fäusten“. Der Wahlkampf müsse gewaltfrei bleiben. „Wer sich daran nicht | |
| hält, wird bestraft.“ Auch Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) | |
| hatte zuletzt versichert, wer sich politisch engagiere, verdiene „unsere | |
| Gewähr, das Amt und Mandat sicher wahrnehmen zu können“. | |
| ## Am Wochenende weitere Übergriffe | |
| Erst am Wochenende waren weitere Angriffe auf Wahlkämpfende in Brandenburg | |
| und Sachsen erfolgt. Im brandenburgischen Schöneiche wurden zwei | |
| Linken-Kandierende von Jugendlichen attackiert, die erst ein zuvor | |
| angebrachtes Plakat zerstörten und dann versuchten, die Politiker zu | |
| schlagen und mit Flaschen warfen. Nach Parteiangaben wurden dabei | |
| rechtsextreme Parolen gerufen. Die Linken-Landesvize Julia Wiedemann sprach | |
| von einer „Verrohung politischer Auseinandersetzungen und einer wachsenden | |
| Gewaltbereitschaft, wie sie von der AfD aktiv vorangetrieben wird“. Das sei | |
| „inakzeptabel“. | |
| Am gleichen Wochenende waren auch Grünen-Wahlkämpfer*innen innerhalb eines | |
| Vormittags im sächsischen Chemnitz, Zwickau, Freiberg und Penig beleidigt | |
| oder geschlagen worden, als sie Plakate an Masten anbrachten. Sachsens | |
| Grünen-Landeschefin Christin Furtenbacher sprach von „einer weiteren | |
| Eskalationsstufe, die eines respektvollen gesellschaftlichen Miteinanders | |
| unwürdig und demokratiefeindlich ist“. Grünen-Bundeschefin Ricarda Lang | |
| verurteilte, dass Engagierte „gezielt bedrängt, eingeschüchtert und | |
| angegriffen werden, die sich für die Demokratie einsetzen“. Hier müssten | |
| Demokrat*innen zusammenstehen. | |
| Und die Vorfälle sind vor den Kommunalwahlen in mehreren Bundesländern und | |
| der Europawahl keine Einzelfälle. Die sächsische Polizei zählt in diesem | |
| Jahr bereits 30 politisch motivierte Straftaten gegen Amts- und | |
| Mandatsträger. Auch in Brandenburg war es eine zweistellige Zahl an | |
| Delikten. | |
| Das sächsische Innenministerium verwies darauf, dass zuletzt mehrere | |
| Schutzmaßnahmen für politisch Aktive ergriffen wurden, darunter die | |
| Schaffung eines ständigen Ansprechpartners für Landtagsabgeordnete bei der | |
| Polizei, Streifenfahrten vor Parteibüros oder ein verstärktes | |
| Internetmonitoring. | |
| Das Bundeskriminalamt hatte bereits für das vergangene Jahr einen | |
| deutlichen Anstieg von Angriffen auf Parteivertreter*innen | |
| konstatiert. Demnach gab es 2023 nach vorläufigen Zahlen 2.790 Straftaten. | |
| Das ist ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr, als es 1.806 Taten waren – und | |
| fast eine Verdoppelung zu 2019 mit damals 1.420 Delikten. Einzig 2021, dem | |
| Jahr der Bundestagswahl, lag die Zahl mit 2.840 Straftaten höher. Die mit | |
| Abstand meisten Straftaten im vergangenen Jahr [3][betrafen | |
| Vertreter*innen der Grünen] (1.219), gefolgt von der AfD (478) und der | |
| SPD (420). | |
| 2 May 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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