| # taz.de -- Demo gegen Rechtsextremismus in Cottbus: Die längste Kaffeetafel d… | |
| > Trotz strömenden Regens demonstrieren in Cottbus mehrere hundert Menschen | |
| > für Demokratie. Das passt in der Stadt längst nicht allen. | |
| Bild: Demonstration gegen rechts am 2. Juni in Cottbus | |
| Cottbus taz | An manchen Tagen und Orten ist es wirklich nicht leicht, | |
| gegen Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen. In Cottbus etwa, wenn es | |
| dann auch noch wie am Sonntag in Strömen regnet. Und doch stehen am frühen | |
| Nachmittag etwa 100 Menschen mit bunten Demoschildern und Antifa-Fahnen am | |
| alten Spreewaldbahnhof und suchen bei den überdachten Fahrradständern | |
| Schutz vor den Wassermassen. | |
| Hier trifft sich einer von insgesamt fünf Zubringern zu einer Kundgebung | |
| des Bündnisses „Unteilbar Südbrandenburg“. Aus vier Cottbuser Stadtteilen | |
| und eben vom Bahnhof wollen die Gruppen ins Zentrum vor die Stadthalle | |
| ziehen – und dann weiter in einen Park, wo zum Ausklang die „längste | |
| Kaffeetafel der Lausitz“ stattfinden soll, wie das Bündnis schreibt. | |
| Eine Woche vor der [1][Europawahl] und den Kommunalwahlen möchte Unteilbar | |
| Südbrandenburg hier „ein Zeichen setzen, dass die AfD niemals siegen darf“, | |
| sagt Bündnissprecherin Pauline Freund der taz: „Wir wollen die | |
| Zivilgesellschaft sichtbar machen und darauf hinweisen, wie wichtig unsere | |
| Arbeit ist.“ [2][Cottbus und die Umgebung befänden sich im Strukturwandel] | |
| – es sei wichtig, dass sie auch eine demokratische Zukunft hätten, fordert | |
| Freund. | |
| Dafür arbeitet die Gruppe mit verschiedenen Organisationen vor Ort | |
| zusammen, etwa dem DGB, der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) | |
| und dem Geflüchteten Netzwerk. Im Wahljahr hat man sich auch Unterstützung | |
| vom [3][Bündnis „Rechtsextremismus stoppen“ geholt], das von Campact | |
| initiiert wurde und mit dessen Hilfe in der ganzen Region für die Sterndemo | |
| am Sonntag in Cottbus mobilisiert wurde. | |
| ## Jugendliche in Springerstiefeln | |
| Mit Erfolg: Am Spreewaldbahnhof versammeln sich Antifas aus Finsterwalde, | |
| Umweltaktivist*innen aus Guben und Forst, Familien aus Spremberg und | |
| Student*innen aus Cottbus. Viele haben Tupperdosen unterm Arm – Kuchen | |
| für die Kaffeetafel im Park. Als klar wird, dass der Regen nicht | |
| vorüberzieht, dreht der Lauti die Musik auf – „Schrei nach Liebe“ von den | |
| Ärzten – und die Zubringerdemo stapft unverdrossen los. | |
| Die Polizei tut den Demonstrierenden nicht den Gefallen, auf den ohnehin | |
| verwaisten Straßen laufen zu dürfen, und so watet die Gruppe in einer Art | |
| Schildkrötenformation, verschanzt unter Regenbogen-Regenschirmen, durch die | |
| Pfützen auf dem Gehweg. Mit dabei ist eine Gruppe von | |
| Feuerkünstler*innen aus Forst. Sie setzen sich gegen Rechtsextremismus | |
| in der Region ein. | |
| Erst vergangene Woche hat eine von ihnen eine Demo in ihrer Heimatstadt | |
| organisiert. Es seien 50 Leute gekommen, erzählt Lucy Abendrot der taz. Sie | |
| engagiert sich auch als Kinder- und Jugendbeirätin in Forst. Viele | |
| Jugendliche dort seien rechtsextrem, sagt sie: „Die tragen Springerstiefel | |
| mit weißen Schnürsenkeln, wie in den 1990er Jahren.“ Die [4][Vorfälle an | |
| einer Schule in Burg im Spreewald] im vergangenen Jahr hätten bundesweite | |
| Aufmerksamkeit bekommen, doch für Abendrot steht fest: „[5][Das hätte | |
| einfach jede Schule hier sein können].“ | |
| ## Böller und Gegröle | |
| Der schmucklose Platz vor der Cottbuser Stadthalle füllt sich, als der | |
| Zubringer vom Bahnhof dazustößt. Insgesamt sind wohl etwa 500 | |
| Demonstrant*innen gekommen. Das sind deutlich weniger als die 1.000, | |
| die sich Unteilbar erhofft hatte – und viel weniger als die 5.000, die man | |
| noch im Januar, [6][kurz nach der Correctiv-Recherche zu rechten | |
| Deportationsfantasien], mobilisieren konnte. Trotzdem hält die Stimmung. | |
| Unter Jubel und Applaus rufen die Redner*innen vom Staatstheater | |
| Cottbus, von der [7][sorbischen Domowina] und von Campact dazu auf, an der | |
| Kommunal- und Europawahl teilzunehmen und für demokratische Parteien zu | |
| stimmen. | |
| Doch das passt in Cottbus nicht allen. Zweimal knallt es sehr laut, in der | |
| Nähe der Kundgebung haben Störer Böller gezündet. Und vor dem Eingang der | |
| Stadthalle steht eine Gruppe Männer und raucht; immer wieder grölen sie die | |
| Melodie von „L’Amour Toujours“ von Gigi D’Agostino – zwar nicht [8][d… | |
| rassistische Version], aber die Anspielung ist klar. | |
| Cottbus ist [9][ein hartes Pflaster für linke und progressive Gruppen]. | |
| Bereits seit 2019 stellt die AfD die stärkste Fraktion im Stadtparlament. | |
| Bei der Wahl am kommenden Sonntag dürfte sie weitere Gewinne verzeichnen. | |
| Daneben treten weitere rechtsoffene Wählerbündnisse wie die | |
| „Mittelstandsinitiative Brandenburg“ und die Gruppe „Zukunftssicheres | |
| Cottbus“ an. Auch die Neonazi-Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ ist in Cottb… | |
| aktiv; hinzu kommen rechte Vorfeldorganisationen wie der rassistische | |
| Verein „Zukunft Heimat“. | |
| ## Happy End im Puschkinpark | |
| Die Demonstrant*innen vor der Stadthalle schenken den Pöbeleien kaum | |
| Beachtung. Man ist abgehärtet. Nach einer Stunde wird die Kundgebung | |
| schneller beendet als geplant, es ist einfach zu nass. Alle flüchten in | |
| eine kleine Einkaufspassage. | |
| Doch dann zieht der Regen ab, im nahegelegenen Puschkinpark werden die | |
| Bierzeltgarnituren abgetrocknet. Zwei Geiger*innen betreten eine kleine | |
| Bühne und spielen „My heart will go on“. Gut 100 Leute setzen sich doch | |
| noch an die „längste Kaffeetafel“. | |
| Mit dabei ist der Sozialarbeiter Hassaan Al Hassan. An einem Stand verteilt | |
| er gemeinsam mit jungen Geflüchteten Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Al | |
| Hassan kandidiert bei der Kommunalwahl für die Grünen. Er selbst ist 2015 | |
| als Geflüchteter aus Syrien nach Cottbus gekommen. „Die Stimmung in der | |
| Stadt ist schwierig“, sagt er der taz. „Wir machen nie allein Wahlkampf, | |
| aus [10][Angst vor Übergriffen.]“ | |
| ## Erleben, dass man nicht allein ist | |
| Aber am Sonntag will sich niemand die Laune vermiesen lassen. Die Idee mit | |
| der Kaffeetafel hatten die Aktivist*innen von Unteilbar Südbrandenburg | |
| nach einer ähnlichen Veranstaltungsreihe: In den vergangenen Monaten hatten | |
| sie kleine Kaffeekränzchen in Kooperation mit Institutionen wie einem | |
| Altenheim oder einer Behinderteneinrichtung ausgerichtet. | |
| „Es geht darum, ein niedrigschwelliges Angebot zu schaffen“, erklärt | |
| Pauline Freund: „Die Menschen können selbst etwas beitragen und erleben | |
| dabei: Ich bin mit meiner Meinung nicht allein.“ Das sei in der Region fast | |
| das Wichtigste. „Denn erst wenn man Gleichgesinnte trifft, fühlt man sich | |
| sicherer und traut sich raus“. | |
| Das sei am Sonntag trotz aller Widrigkeiten gelungen, sagt Freund: „Wir | |
| gehen heute mit dem Gefühl aus dem Tag, dass die Lausitzer | |
| Zivilgesellschaft für Demokratie, Solidarität und Vielfalt steht. Egal, wie | |
| das Wetter ist oder wie die Wahlen ausgehen: Wir halten zusammen.“ | |
| 3 Jun 2024 | |
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| Hanno Fleckenstein | |
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