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# taz.de -- Kommunalwahlen in Brandenburg: Galgenhumor am Grill
> Die Grünen erlebten bei der Kommunalwahl in Brandenburg ein Debakel. Zu
> Besuch bei einer Wahlparty in Lauchhammer.
Bild: Schwierige Zeiten für die engagierten Grünen in Lauchhammer
Lauchhammer/Senftenberg taz | Carolin Poensgen hat alles vorbereitet für
eine kleine Wahlparty in ihrem Garten: Es gibt Bier zum Selbstzapfen, auf
einem Gasgrill schmurgeln Veggiewürstchen und auch solche mit Fleisch. Ihre
Gäste sitzen an Biertischen im Carport, doch anstatt sich dem Büfett zu
widmen – hier warten Quinoasalat und veganes Tiramisù –, schauen fast alle
auf ihre Smartphones.
Bei Poensgen trifft sich an diesem sommerlichen Sonntagabend der
[1][Grünen-Kreisverband Oberspreewald-Lausitz]. Die meisten der hier
Anwesenden sind bei der Kommunalwahl angetreten: für den Kreistag, oder für
die Stadtverordnetenversammlungen (SVV) in ihren Gemeinden. Carolin
Poensgen und ihr Mann Frank [2][haben für die SVV hier in ihrem Heimatort
Lauchhammer kandidiert].
Katerstimmung herrscht zwar schon, bevor [3][die Wahlergebnisse] kommen –
die Poensgens haben hier am Abend zuvor Jugendweihe gefeiert, die Sause
ging bis spät in die Nacht. Doch als dann ein winziger grüner und ein
riesiger blauer Balken auf den Handybildschirmen erscheinen, drückt das
noch mal merklich auf die Laune der Partygäste. Der grüne Balken ist wie
verflucht; er wächst einfach nicht, auch nicht, als mehr und mehr
Wahllokale im Landkreis die Auszählungsergebnisse übermitteln.
Am Montagmorgen ist es dann amtlich: Nicht nur bei der Europawahl, auch auf
kommunaler Ebene in Brandenburg haben die Grünen ein Debakel erlebt.
Landesweit kommt die Partei bei den Wahlen zu den Kreistagen und
Stadtparlamenten der kreisfreien Städte auf 6,7 Prozent und büßt damit 4,4
Punkte im Vergleich zu 2019 ein.
## Folgen des AfD-Durchmarschs kaum abzusehen
Die AfD legt um 10 Punkte zu und kommt landesweit auf 25,7 Prozent. Die
extrem rechte Partei ist zudem in 16 von 18 Landkreisen und Städten
stärkste Kraft. Einzig im Kreis Potsdam-Mittelmark lag die CDU knapp vorn,
in der Landeshauptstadt Potsdam die SPD.
Was der Durchmarsch der AfD bei den Kommunalwahlen für die Integration von
Geflüchteten, für die Bildungs- und Jugendarbeit oder Sozialpolitik vor Ort
bedeutet, lässt sich im Detail noch nicht absehen. Fest steht aber: In
allen Regionen werden die Rechtsextremen den Ton angeben, sie werden Posten
beanspruchen – etwa Kreistags- und Ausschussvorsitze – und Mehrheiten gegen
sich verhindern. Hinzu kommt, dass an vielen Orten diffuse bis rechtsoffene
Wählerbündnisse gut abgeschnitten haben, die es mit der Brandmauer zur AfD
nicht allzu genau nehmen.
## Der Kreisvorsitzende verliert seine beiden Mandate
Die Erfolge der extremen Rechten verderben den Grünen in Poensgens Garten
den Appetit. Und dann sind da auch noch die persönlichen Ambitionen. Der
Kreisvorsitzende verliert am Sonntagabend erst sein Mandat im Kreistag und
dann auch noch im Parlament seiner Heimatstadt.
Auch aus der SVV in Senftenberg fliegen die Grünen raus, hier verpasst
unter anderem ihr Kandidat Paul-Philipp Neumann den Einzug. Dafür erobert
er erstmals einen Sitz im Kreistag, wo die Grünen künftig trotzdem nur noch
mit zwei statt mit drei Abgeordneten vertreten sein werden. Im September
tritt Neumann auch als Direktkandidat bei der Landtagswahl an.
## Schlechte Kompromisse auf Landes- und Bundesebene
Bis halb drei nachts war er wach und hat auf die Ergebnisse gestarrt,
erzählt Neumann am Montag. Mit seinem persönlichen Resultat ist er
eigentlich zufrieden: „Es hat sich ausgezahlt, dass ich im Wahlkampf
Haltung gegen rechts gezeigt habe“, sagt er der taz.
Dennoch: Als Grüner lecke er am Tag danach seine Wunden. Die Partei sei
bestraft worden für schlechte Kompromisse auf Landes- und Bundesebene. „Wir
dürfen uns nicht wundern, dass uns die Wähler*innen weglaufen, wenn wir
[4][Entscheidungen wie die Verschärfung des Asylrechts mittragen]“,
kritisiert Neumann.
In der Abendsonne im Garten der Poensgens hilft man sich mit Galgenhumor
und ein paar Bier. „Mehr schrumpfen können wir hier gar nicht“, heißt es,
und dass man angesichts der schwierigen Gemengelage eigentlich ganz gut
weggekommen sei. Und dann ist da doch noch ein kleiner Erfolg. Zumindest
eine von den Lauchhammerer Grünen hat es ins Stadtparlament geschafft. Das
ist ein Sitz mehr als zuvor: Denn es war das erste Mal, dass die Grünen im
Ort überhaupt eine Liste aufgestellt hatten.
10 Jun 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Hanno Fleckenstein
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