# taz.de -- Kommunalwahlen in Ostdeutschland: Schlechte Herbstprognosen | |
> In Sachsen und Thüringen stehen am 1. September Landtagswahlen an. Die | |
> Wahlergebnisse vom Sonntag lassen auf einiges schließen. | |
Bild: Die Kommunalwahlen als Wegweiser für die Landtagswahlen. Ein Schild vor … | |
BERLIN taz | Nach der Europawahl zeigt sich auf den Ergebniskarten mal | |
wieder ziemlich trennscharf, dass es vor gut 35 Jahren noch zwei deutsche | |
Staaten gab. Dort, wo schon etwas länger die Bundesrepublik besteht, holte | |
die schwarze CDU meist die höchsten Stimmanteile. [1][Dort, wo früher die | |
DDR lag, meist die hellblaue – oder manchmal braune – AfD.] | |
Das ist auch in Sachsen (31,8 Prozent) und Thüringen (30,7 Prozent) so, wo | |
an diesem Wochenende noch Kommunalwahlen anstanden [2][und am 1. September | |
ein neuer Landtag gewählt wird]. Doch auch wenn sich die Ergebnisse nicht | |
direkt als Prognose werten lassen, zeigen sie eine mehr als erfolgreiche | |
AfD. Und für die Kommunen haben die Wahlen vom Sonntag direkte | |
Auswirkungen. | |
Zum Beispiel bei den Kreistagswahlen in Sachsen: Dort bekam die blaue | |
Partei in allen Landkreisen den höchsten Stimmanteil. Nur beim Stadtrat | |
Leipzig konnte die CDU besser abschneiden. | |
Anders scheint die Lage in Thüringen. Dort gewann die CDU am Sonntag die | |
meisten Stichwahlen und bekam schon vor zwei Wochen in den kommunalen | |
Volksvertretungen thüringenweit den höchsten Stimmanteil. | |
## Soziologe: AfD will sich kommunal normalisieren | |
Die AfD verlor hingegen bei den neun Stichwahlen, bei denen ihre Kandidaten | |
um Landratsämter antraten. Das heißt: Sie bekam auf Kreisebene keine | |
Mehrheit, keinen Stimmanteil über 50 Prozent. Doch die einzelnen Ergebnisse | |
zwischen 29,5 und 45 Prozent lagen trotzdem in dem Bereich, den die AfD in | |
anderen Wahlen einfahren konnte. Auch in mehreren Thüringer Kreistagen | |
stellt sie nun die größte Fraktion. | |
Der Rechtsextremismusexperte David Begrich warnt deshalb: „Das | |
Entscheidende und Katastrophale ist, dass die AfD in vielen Kreistagen nun | |
eine Mehrheit organisieren könnte. Solche habituellen Mehrheiten auf | |
kommunaler Ebene haben deutlich mehr Folgen als 50 Reden im Bundestag.“ | |
Der Soziologe Matthias Quent erklärt, es sei die Strategie der AfD, sich | |
kommunal zu normalisieren, um in nächster Instanz auf der Länderebene eine | |
Zusammenarbeit mit demokratischen Parteien zu ermöglichen. „Obwohl sie | |
demokratiepolitisch richtig wäre“, sei es auf kommunaler Ebene für andere | |
Parteien schwer, eine Brandmauer zu rechtfertigen. Nicht nur, weil die | |
AfD-Politiker:innen teilweise lokal verankert sind. | |
Dass die Partei rechtsextrem sei, zeige sich bei lokalen Themen nicht | |
deutlich und werde nicht problematisiert. „Dann kann sich die Wahrnehmung | |
einstellen: Die Warnungen vor der AfD seien übertrieben oder rein | |
parteipolitisch motiviert“, sagt Quent. | |
## Bündnis Sahra Wagenknecht heimlicher Sieger | |
Allerdings gebe es vor den Landtagswahlen für die anderen Parteien immer | |
noch einige Handlungsspielräume, glaubt Quent. Sie könnten landesbezogene | |
Themen betonen, die Zivilgesellschaft ansprechen und den Amtsinhaberbonus | |
mobilisieren. | |
Trotzdem hält es etwa der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger | |
nach den Europawahlergebnissen für möglich, dass in Sachsen nach der | |
Landtagswahl nur drei Parteien ins Parlament einziehen: AfD, CDU und BSW. | |
SPD, Grüne und Linke seien nicht weit von der Fünf-Prozent-Hürde entfernt, | |
sagte er der dpa. | |
Das BSW ist dabei heimlicher Sieger. In Sachsen bekam es bei der EU-Wahl | |
12,6 Prozent der Stimmen, in Thüringen sogar 15 Prozent. [3][Landeschefin | |
Katja Wolf] sagte der dpa dazu am Montag: „Das ist für uns natürlich ein | |
großer Erfolg. Mit dem ich in der Größenordnung auch nicht gerechnet habe“. | |
Sie sehe darin auch eine Verantwortung für die Landtagswahl. In früheren | |
Gesprächen sagte sie der taz, das BSW stehe in Thüringen auch für eine | |
Regierungskoalition zur Verfügung. | |
Ebenso erfreut klang [4][Thüringens CDU-Chef Mario Voigt]: „Das ist ein | |
herausragendes Ergebnis.“ Auch er weiß, die Kommunalwahl ist nicht eins zu | |
eins auf die Landtagswahl übertragbar, aber die CDU sei gestärkt aus ihr | |
hervorgegangen. Er blickt optimistisch auf die Wahl am 1. September. | |
## Klima-Thema in Sachsen | |
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow warnte vor einer zunehmenden | |
Spaltung zwischen Ost und West. Außerdem sagte er am Montag dem | |
Rechercheverbund RND mit Blick auf die Landtagswahl: „Die Ausgangslage ist | |
schwierig. Aber Landtagswahlen sind Personalwahlen. Und alle Personalwahlen | |
sind für die AfD nicht gut ausgegangen.“ Die Rechtsextremen und das Bündnis | |
Sahra Wagenknecht schlachteten Ängste der Bürger:innen aus. | |
Die Landesvorsitzende der Linken Ulrike Grosse-Röthig nannte die 5,7 | |
Prozent, die ihre Partei bei der EU-Wahl in Thüringen bekam, nicht | |
zufriedenstellend und verweist auf die Krise der Bundespartei, die | |
allerdings in den vergangenen Monaten 5.000 neue Mitglieder bekommen habe. | |
„Wir sind jetzt in der Phase des Neuaufbaus“, erklärte sie. | |
Der stellvertretende Thüringer Ministerpräsident und SPD-Chef Georg Maier | |
zeigte sich in einer Erklärung vom Ergebnis seiner Partei enttäuscht. Sie | |
hat 8,2 Prozent bekommen, 2,8 Prozent weniger als vor fünf Jahren. Auch er | |
lenkte den Fokus nach der EU-Wahl auf die Bundesregierung: „Meine | |
Erwartungshaltung an die Ampelkoalition ist, ostdeutsche Themen in den | |
Mittelpunkt zu rücken.“ | |
Ähnlich äußert sich Michael Kretschmer, Ministerpräsident und Sachsens | |
CDU-Chef: Ein Weiter so könne es nicht geben. Die Ampel sei abgestraft | |
worden, Scholz solle über Neuwahlen nachdenken. In Sachsen holte die AfD | |
deutschlandweit bei der EU-Wahl das höchste Wahlergebnis: 31,8 Prozent. Und | |
das, obwohl ihr skandalumwobener Spitzenkandidat Maximilian Krah aus diesem | |
Bundesland stammt. | |
Das EU-Ergebnis der SPD war in Sachsen schlechter als in Thüringen. Die | |
Sozialdemokraten bekamen 6,9 Prozent. Ihr Kandidat Matthias Ecke, der im | |
Wahlkampf in Dresden angegriffen wurde, konnte in das EU-Parlament | |
einziehen. Die Linke bekam in Sachsen 4,9 Prozent. | |
Die Grünen in Sachsen zeigten sich unzufrieden mit dem Ergebnis. Bei der | |
Europawahl bekamen sie, wie in Thüringen auch, 4 Prozent und bei den | |
Kommunalwahlen im Schnitt ähnliche Ergebnisse. Für sie bleibe aber bei der | |
Landtagswahl die Klimakrise das „entscheidende Thema unserer Zeit“, sagt | |
Co-Landesvorsitzende Marie Müser der taz. „Wir müssen zeigen, dass die | |
Menschen vom Klimaschutz profitieren. Bei der Energiewende sogar | |
kurzfristig, durch die finanzielle Beteiligung von Kommunen an den Erlösen | |
der Windenergie.“ | |
11 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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