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# taz.de -- Bundeskongress von Omas gegen Rechts: „Wir sind eine feste Größ…
> Erstmals treffen sich in Erfurt Omas gegen Rechts aus ganz Deutschland.
> Im Januar gründeten Kathrin Fuchs und Donata Porstmann die Gruppe in
> Döbeln.
Bild: Gründerinnen der Omas gegen Rechts in Döbeln: Kathrin Fuchs (links) und…
An diesem Wochenende treffen sich im Thüringer Landtag in Erfurt 300 Omas
gegen Rechts zu ihrem ersten Bundeskongress. Das Motto: „Demokratie
gemeinsam schützen: Jetzt!“ 2017 entstanden die Omas gegen Rechts auf
Initiative von Monika Salzer in Österreich. 2018 gründeten in Deutschland
fast zeitgleich Gerda Smorra und Anna Ohnweiler eine deutsche Gruppe.
Nachdem im Januar 2024 die Rechercheplattform Correctiv den Text
[1][„Geheimplan gegen Deutschland“] veröffentlichte, demonstrierten
deutschlandweit in vielen Orten Menschen für die Demokratie – nicht nur in
den Großstädten, sondern auch in Klein- und Mittelstädten. Dabei gründeten
sich viele neue lokale Gruppen der Omas gegen Rechts. So auch im
sächsischen Döbeln.
taz: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hat kürzlich dem
Spiegel gesagt, [2][gegen rechts zu sein, sei ihm zu einfach]. Hat Sie das
geärgert?
Kathrin Fuchs: Eigentlich haben wir am Anfang auch gesagt, dass wir lieber
für etwas sind. Deshalb steht auf unserem Flyer der Omas gegen Rechts in
Döbeln auch eine Liste, wofür wir sind: Menschenwürde, Solidarität,
Toleranz, Chancengleichheit, Einigkeit, aber auch für Niemals wieder Nazis.
Wir stehen für den Schutz von Minderheiten, von Geflüchteten oder der
queeren Community.
taz: Aber Sie heißen Omas gegen Rechts.
Fuchs: Wir haben uns einem bundesweiten Bündnis mit vielen Mitstreiterinnen
angeschlossen und es heißt Omas gegen Rechts. Wissen Sie, wenn mich jemand
fragt, warum wir „nur gegen rechts“ sind und nicht für etwas, dann macht
mich das immer skeptisch. Jemand, der wirklich demokratisch denkt, hat mir
diese Frage noch nie gestellt. Ich finde es schwierig, so etwas in der
jetzigen Situation zu sagen.
taz: Herr Kretschmer hat im gleichen Gespräch gesagt, dass die Menschen in
Glashütte nicht aus Überzeugung AfD wählen, sondern aus Unzufriedenheit mit
der Politik der Ampel. Ist das auch Ihr Eindruck?
Fuchs: Ja. Und wenn ich mit der aktuellen Arbeit der Regierung nicht
einverstanden bin, ist es grundsätzlich auch richtig, dass ich wähle, was
ich für eine Alternative halte. Aber ich erwarte von jedem, dass er sich
diese Alternative auch genau anschaut. Mein Eindruck ist allerdings, dass
Protestwähler das Programm der AfD gar nicht kennen. Der bittere
Widerspruch ist, dass sie mit demokratischen Mitteln eine Partei wählen,
die die Demokratie abschaffen will.
taz: Vielleicht sehen sie keine andere Möglichkeit, die Demokratie
mitzugestalten?
Fuchs: Die gibt es doch. Es gibt ein Landtagsbüro, da kann ich zu meinen
Abgeordneten gehen. Man kann an Sitzungen im Kommunalparlament teilnehmen,
dort die Fragestunde nutzen, die Abgeordneten direkt ansprechen. Ich kann
mich ehrenamtlich engagieren. Aber von den Protestwählern kenne ich
niemanden, der versucht hat, sich demokratisch einzubringen.
taz: Sie beide haben die Omas gegen Rechts in Döbeln spontan am 21. Januar
auf einer der vielen Demonstrationen für Demokratie gegründet. Wo stehen
die Omas gegen Rechts jetzt, ein halbes Jahr später?
Donata Porstmann: Mittlerweile sind wir mit 38 Omas und Opas eine feste
Größe in Döbeln, vor allem bei den Jugendlichen. Unsere kleine Gruppe
Fridays For Future kam zu uns und sagte: Ihr macht uns Mut. Auch [3][Ocean
Hale Meißner] von der queeren Community sagt, dass es wichtig ist, dass es
uns gibt.
taz: Sie kommen beide aus Döbeln. Hat sich das Klima in der Stadt in den
letzten Jahren verändert?
Porstmann: Ja. Wenn ich aus dem Urlaub zurückkomme, spüre ich sofort diese
miesepetrige, depressive Stimmung. Vor allem bei den Älteren, aber auch bei
den Jüngeren.
taz: Seit wann beobachten Sie das?
Fuchs: Das ist ganz schleichend passiert. Aber ich glaube, bei uns in
Döbeln ist es noch besser als in anderen Kleinstädten in Sachsen. Wir haben
ein sehr gutes, großes Bündnis demokratischer Kräfte. Und wir haben ein
sehr gutes kulturelles Angebot. Döbeln hat ein Theater, ein Kino, eine
Bibliothek, eine Musikschule, ein Museum, neben der städtischen Galerie
gibt es noch eine private, wir haben einen starken soziokulturellen Verein.
An diesen Orten kommen viele Menschen zusammen, die ein gutes
Demokratieverständnis haben.
taz: Wenn es um die Aufwertung der Lebensverhältnisse in Sachsen geht wird
der Fokus eher auf Wirtschaft gelegt …
Fuchs: Kultur wird immer als selbstverständlich hingenommen, dabei ist sie
genauso schützenswert wie die Demokratie. Sie muss gefördert werden, denn
sie ist der Ort, an dem Menschen miteinander ins Gespräch kommen, an dem
sie bei einem Theaterstück oder einer Ausstellung den Blick weiten. [4][In
der Kultur lernt man die Vielfalt des Lebens kennen.] Das ist auch
politische Bildung.
taz: Bei der Stadtratswahl Anfang Juni wurde die AfD mit 26,8 Prozent
stärkste Kraft in Döbeln. Hat Sie das entmutigt?
Porstmann: Die Zusammensetzung des Stadtrates insgesamt ist sehr gemischt,
das ist nicht schlecht. Aber jetzt müssen die demokratischen Kräfte
zusammenarbeiten. Einige Fraktionen haben sich schon gefunden, aber noch
nicht alle. Es nicht zu tun, wäre einfach unklug.
Fuchs: Etwas entmutigt hat mich, dass von der AfD ein Kandidat gewählt
wurde, der in den letzten 30 Jahren überhaupt nichts zur Entwicklung der
Stadt Döbeln beigetragen hat. Wir wählen doch die Leute in den Stadtrat,
die wir dann ansprechen wollen, die etwas für uns vor Ort tun können. Was
erwartet man von jemandem, der bisher nichts gestaltet hat?
taz: Versuchen Sie, potentielle AfD-Wähler*innen zu erreichen?
Fuchs: Durch meine Arbeit im Kulturbereich treffe ich gelegentlich auf
entsprechende Meinungen. Wenn ich merke, dass es Potenzial für eine
sachliche Diskussion gibt, frage ich: Was erwartet die Person? Hat sie sich
das Programm angeschaut? Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass ich die
Person umstimmen kann. Meistens geht man im Patt auseinander.
taz: Wenn Sie sagen, Sie sind Omas gegen Rechts – wie reagieren die Leute
darauf?
Fuchs: Entweder findet derjenige das klasse, oder er drückt in seinem Blick
großes Unverständnis aus. Im besten Fall entsteht ein Gespräch. Kürzlich
erzählte mir jemand bei einer Veranstaltung ganz stolz, er habe dem
CDU-Abgeordneten gesagt, er wähle jetzt AfD, weil er es „denen da oben“
zeigen wolle. Aber wenn man es „denen da oben“ zeigen will, dann trifft man
uns „hier unten“. Dann müssen wir das ausbaden. Wir wählen für uns, nicht
für „die da oben“.
taz: An diesem Wochenende treffen sich etwa 300 Omas gegen Rechts im
Thüringer Landtag zu ihrem ersten Bundeskongress. Welche Impulse erhoffen
Sie sich?
Fuchs: Der Kongress stärkt schon einmal, dass die Omas gegen rechts [5][als
bundesweite Vereinigung] wahrgenommen werden. Das stärkt auch einen selbst,
wenn man mal keine Kraft hat. Für mich ist hier auch die Vernetzung mit den
Gruppen in Dresden und Chemnitz wichtig, wir kannten uns bisher nur vom
Schreiben. Und drittens finde ich die Themen des Kongresses wichtig, weil
wir eben nicht nur gegen Rechts sind, sondern auch für Frauenrechte, für
Gleichberechtigung.
Porstmann: Der Bundeskongress gibt uns als Gruppe in Döbeln auch mehr
Ernsthaftigkeit. Keiner denkt mehr an Kaffeekränzchen, wenn er das Wort
Kongress hört. Und ich finde es stark, dass die Bewegung an sich arbeitet.
Wir hinterfragen als Omas, wie wir aufgestellt sind, was wir besser machen
können. Am Samstag gibt es tagsüber viele Workshops. Ich gehe zu einem, in
dem es darum geht, was Frauen aus Ost und West voneinander lernen können.
Fuchs: Beim Abendessen habe ich schon eine Oma gegen Rechts aus Hamburg
kennengelernt. Ich habe sie eingeladen, wenn sie am 25. August mit dem Bus
zur Demo nach Leipzig kommen – das ist schon toll – einfach mal zu
übernachten und am nächsten Tag auch in die Klein- und Mittelstädte zu
kommen. Und dann kann man über die unterschiedliche Sozialisation reden.
Am 1. September sind Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Welche
Aktionen planen die Omas gegen Rechts in Sachsen und bundesweit davor?
Porstmann: Am Ende dieses Kongresses werden wir eine bundesweite Resolution
verabschieden. Und auf der Straße wird es vor den Landtagswahlen natürlich
viele Aktionen und Demokratiefeste geben, jedes Wochenende mehrere. Am 10.
August demonstrieren wir Omas gegen Rechts in Döbeln wieder mit einem
breiten Bündnis.
Transparenzhinweis: Donata Porstmann ist in Sachsen für den [6][Panter
Preis der taz Panter Stiftung] nominiert.
3 Aug 2024
## LINKS
[1] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati…
[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/michael-kretschmer-zweifelt-an-a…
[3] /Queere-Stimme-in-der-saechsischen-Provinz/!6015130
[4] /Politisches-Theater-im-Osten/!6019691
[5] /Omas-gegen-rechts/!5997656
[6] /Panter-Stiftung/Panter-Preis-2024/!v=4269299f-23bb-40f2-a4ea-2b1b1ae40192/
## AUTOREN
Katrin Gottschalk
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