# taz.de -- Dekolonisierung in Berlin: Die Aufarbeitung geht weiter | |
> Decolonize Berlin und Grüne ziehen ein Zwischenfazit zur Aufarbeitung der | |
> Kolonialzeit. Dazu brauche es ein gesellschaftliches Umdenken. | |
Bild: Decolonize yourself: Demo am 18.07.2020 in Berlin | |
BERLIN taz | Die Diskussion, wie die deutsche Kolonialgeschichte | |
aufgearbeitet werden soll, ist voll im Gange. 2019 beschloss das | |
Abgeordnetenhaus ein gesamtstädtisches Konzept zur Aufarbeitung der | |
kolonialen Vergangenheit. Um ein Zwischenfazit zu ziehen, luden die | |
Grünen-Abgeordneten Sebastian Walter und Daniel Wesener Freitagabend zur | |
Online-Paneldiskussion. Im Fokus standen [1][Expert:innen und | |
Verantwortliche von Decolonize Berlin], die das städtische Aufarbeitungs – | |
und Erinnerungskonzept ausarbeiten sollen. | |
Einen überfälligen Erfolg hatte es im vorigen Sommer gegeben: Nach | |
jahrelangen Protesten [2][beschloss der Bezirk Mitte], die umstrittene | |
M-Straße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umzubenennen. Simone Dede Ayivi von | |
der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland resümierte dies bei der | |
Veranstaltung so: „Es war ein langwieriger Prozess unter großem Widerstand, | |
die Umbenennung durchzusetzen.“ Die Arbeit hört hier allerdings nicht auf. | |
In Berlin gibt es noch zahlreiche Straßen und Plätze mit Kolonialbezug, | |
etwa die Lüderitzstraße im Afrikanischen Viertel im Wedding. | |
Viel zu tun gibt es auch in Punkto Lern – und Erinnerungsorte: Bis Mai will | |
die Koordinierungsstelle von Decolonize die Planung für eine zentrale | |
Gedenkstätte abgeschlossen haben. Zum Konzept gehören zudem dezentrale Orte | |
der Erinnerung, etwa in Museen oder im Botanischen Garten. | |
Tahir Della von Decolonize Berlin argumentierte, bei den Lern- und | |
Gedenkorten gehe es darum, Aufklärung und Austausch anzuregen: „Wir | |
brauchen kein Denkmal um das Thema abzuschließen, sondern müssen einen | |
Prozess der Aufarbeitung in Gang setzen.“ Dieser Prozess müsse durch die | |
gesamte Mehrheitsgesellschaft gehen, sagte er: „Kolonialismus wird noch | |
nicht als tiefgreifendes Verbrechenssystem auf allen gesellschaftlichen | |
Ebenen verstanden.“ Dekolonisierung erfordere eine kontinuierliche | |
Aufklärungsarbeit. | |
## Dekolonisierung als Aufklärungsarbeit | |
In Richtung der dafür so wichtigen Bildungspolitik bemängelte der | |
Grünen-Abgeordnete Wesener, dass die „Wissenschaft bisher noch eine große | |
Baustelle“ bleibe. Gefordert sei unter anderem, Forschungseinrichtungen und | |
einen Lehrstuhl für Black Studies und Postkoloniale Studien zu schaffen. | |
Maisha Auma, Professorin für Gender Studies und Erziehungswissenschaft an | |
der TU bekräftigte das: „Kolonial und rassistisch geprägte Normen wurden | |
institutionell verankert. Noch heute sind die Universitäten häufig durch | |
koloniale und west-zentrische Normen geprägt.“ Ebenso müsse die | |
Kolonialgeschichte in die Lehrpläne der Schulen und die Ausbildung der | |
Lehrkräfte einfließen. | |
Konkret hapere es zudem an der Rückgabe kolonialer Raubkunst, kritisierte | |
Wesener: „Beim Thema der Restitution passiert grade gar nichts.“ Bei der | |
Rückgabe der Benin-Bronzen etwa werde von Behörden auf die Stiftung | |
Preußischer Kulturbesitz verwiesen, in deren Hand sie sich befinden. | |
Mit Blick auf die Zukunft erklärte Tahir Della, dass die Aufarbeitung noch | |
viel Zeit erfordere: „Wenn in den letzten 300 Jahren ein Unrechtssystem | |
aufgebaut wurde, denke ich nicht, dass eine Dekolonisierung in 20 oder 30 | |
Jahren zu Ende ist.“ Der Grünen-Abgeordnete Walter sieht das ähnlich: „Es | |
braucht nicht nur ein paar Beschlüsse, sondern einen kontinuierlichen | |
Prozess.“ | |
28 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Oscar Fuchs | |
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