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# taz.de -- Die M-Straße wird umbenannt: Eine Folge gewachsener Sensibilität
> Der Bezirk Mitte hat die Umbenennung der M-Straße beschlossen. Über den
> neuen Namen sollte offen diskutiert werden.
Bild: Auch ein Vorschlag zur Umbenennung der M-Straße
Na bitte, geht doch! Am Donnerstagabend hat die
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte – für viele überraschend –
beschlossen, die M-Straße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umzubenennen.
Genauer: Das Bezirksamt wird „ersucht“, nun „unverzüglich den Vorgang zur
Umbenennung zu starten“, wie es im Antrag von Grünen und SPD heißt. Das
kann dauern, wie man von der Diskussion um drei Straßennamen im
Afrikanischen Viertel weiß. Aber der Anfang ist gemacht – und man ist
versucht zu fragen: Warum eigentlich erst jetzt?
Immerhin haben Grüne, SPD und Linke eine Mehrheit in der BVV. Und die
Erkenntnis, dass es sich bei der M-Straße um einen hochproblematischen,
weil kolonialistischen und rassistischen Namen handelt, gibt es dort nicht
erst seit gestern. Doch nach den langen und ermüdenden Debatten um die
Weddinger Straßennamen Nachtigalplatz, Petersallee und Lüderitzstraße, an
denen trotz ihres kolonialistischen Bezugs manche unverdrossen festhalten
wollen, hatte man wohl ein wenig den Mut verloren. Tatsächlich hat auch die
M-Straße immer noch Freunde: Erst am Donnerstag brachten ein AfDler und ein
CDUler im Abgeordnetenhaus das alte Argument, der Name gehöre zur
kulturellen Identität der Stadt, die neumodische „Umbenenneritis“ sei zu
verurteilen.
Doch solche Positionen sind offenkundig nicht mehr mehrheitsfähig. Die
Debatten und Demonstrationen der letzten Monate um Polizeigewalt und
Alltagsrassimus auch im Rahmen der Black-Lives-Matter-Bewegung haben der
Politik gezeigt, dass es in der Öffentlichkeit inzwischen eine große
Sensibilität für die Zusammenhänge zwischen kolonialistischer Vergangenheit
und rassistischer Gegenwart gibt. Und wenn sogar die BVG eine Haltestelle
M-Straße inzwischen für Rufschädigung hält, ist es für alle links der Mitte
wirklich Zeit zu handeln.
Manche werden einwenden, dass Grüne und SPD mit ihrem Antrag übers Ziel
hinausgeschossen sind. Zum einen weil der Namensvorschlag Anton-Wilhelm-Amo
mit der Vorgabe des Berliner Straßengesetzes bricht, Straßen vorrangig nach
Frauen zu benennen. Mit einigem Recht werden sie fragen, ob es nicht auch
eine Frau mit afrikanischen und Berliner Bezug gibt, die den M. ersetzen
kann. Zum anderen bricht der Antrag mit der Idee, dass die interessierte
Öffentlichkeit in die Namensdebatte eingeschaltet wird, wie es im
Afrikanischen Viertel geschehen ist und wie es derzeit auch in anderen
Bezirken geschieht, wo umstrittene Namen – etwa die Wissmannstraße in
Neukölln – weg sollen.
Denn auch wenn Amo, der als einer der ersten Schwarzen Gelehrten Preußens
gilt und selbst als Kind als „Hof-M.“ arbeiten musste, sicher ein würdiger
Namensgeber ist: Der Name sollte nicht allein deshalb gesetzt sein, weil er
von der afrodiasporischen und Schwarzen Community um das Bündnis Decolonize
Berlin vorgeschlagen wurde. Ein offener Diskussionsprozess, so wie es die
Linksfraktion in der BVV Mitte vorgeschlagen hatte, wäre sicher
demokratischer – und würde am Ende vielleicht auch mehr Menschen überzeugen
als eine Vorgabe „von oben“. Aber dazu fehlte den BezirkspolitikerInnen
wohl doch der Mut.
21 Aug 2020
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Straßenumbenennung
Berlin-Mitte
Postkolonialismus
Deutscher Kolonialismus
Straßenumbenennung
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