| # taz.de -- Berlins SPD-Chef Saleh: „Gespart werden muss trotzdem“ | |
| > SPD-Landeschef Raed Saleh über die anstehenden Rekordkürzungen im gerade | |
| > erst verabschiedeten Doppelhaushalt – und den Koalitionspartner CDU. | |
| Bild: „Was wollen Sie jetzt von mir hören?“ – Raed Saleh beantwortet Fra… | |
| taz: Herr Saleh, erst verkündet die CDU, dass Berlin dringend eine | |
| Magnetschwebebahn braucht, jetzt sollen die Tempo-30-Abschnitte auf den | |
| Hauptstraßen großflächig abgeräumt werden. [1][Die SPD erfährt von alldem | |
| aus der Zeitung.] Nerven Sie die unabgesprochenen Vorstöße des | |
| Koalitionspartners? | |
| Raed Saleh: Ach, wissen Sie, wenn man Sachen in der Öffentlichkeit | |
| kommuniziert, wo man nicht weiß, ob das am Ende auch kommt, dann tut man | |
| sich selbst keinen Gefallen, um es mal vorsichtig zu formulieren. | |
| CDU-Fraktionschef Dirk Stettner kann sich seine Pläne für ein Ende der | |
| „bevormundenden Erziehungsmaßnahme“ Tempo 30 also klemmen? | |
| Flächendeckendes Tempo 50 auf Hauptstraßen ist nicht zeitgemäß. Und das | |
| wird es mit uns auch nicht geben. Wir wollen zwar einen gut | |
| funktionierenden Verkehrsfluss. Auf der anderen Seite brauchen wir aber | |
| eine Verkehrspolitik, die die Lebenswirklichkeit der Berlinerinnen und | |
| Berliner abbildet, vor allem die der schwächsten Verkehrsteilnehmer, eine | |
| Verkehrspolitik der Entschleunigung. Dazu gehört, dass geprüft werden muss, | |
| ob wir nicht tatsächlich viel mehr Tempo-30-Abschnitte einführen. Ich | |
| glaube, da wollte jemand ein neues Thema setzen. | |
| Sie spielen an auf die Beziehung des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner | |
| mit Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch, beide CDU. Weshalb hüllen | |
| Sie sich da eigentlich so sehr in Schweigen? | |
| Was wollen Sie von mir jetzt hören? | |
| Ich bitte Sie, das liegt doch auf der Hand. Was Sie [2][zum Thema | |
| Interessenkonflikte] zu sagen haben zum Beispiel? Zum Thema Compliance? | |
| Gut, dann hören Sie von mir, dass es mir wichtig ist, dass die | |
| Professionalität gewahrt bleibt. Und Sie hören von mir, dass Berlin ganz | |
| große Aufgaben hat, die anstehen, und da brauchen wir die volle | |
| Konzentration auf die Herausforderungen, auf die wichtigen Themen. Das sind | |
| die Themen der funktionierenden Stadt, dass die Menschen pünktlich | |
| Bürgeramtstermine bekommen, das sind all die Themen rund um die Sicherheit, | |
| das sind die Themen einer guten Bildung und einer bezahlbaren Stadt. | |
| Warum verweigern Sie sich der Debatte? | |
| Wir haben gehört, wie der Regierende Transparenz sicherstellen will, aber | |
| auch Professionalität. Daran werden wir ihn messen. Aber ich rede jetzt | |
| nicht mit Ihnen über Beziehungen. Ich will, dass der Senat funktioniert. | |
| Anders als in der Beziehung: Aktuell hat man nicht das Gefühl, dass der | |
| Senat so perfekt funktioniert. Zuletzt hatte es in der Kiste gerappelt, als | |
| CDU-Finanzsenator Stefan Evers alle Senatsverwaltungen aufgefordert hat, | |
| bis Februar zu sagen, wo sie 5,9 Prozent ihres Etats einsparen können. | |
| Ganz im Ernst, die Koalition läuft gut. Sie ist verlässlich, arbeitet auch | |
| die wichtigen Themen in der Stadt ab. Und ich möchte, dass das auch so | |
| bleibt, und erwarte, dass nach wie vor Verlässlichkeit und Sachlichkeit und | |
| Stabilität garantiert bleiben. | |
| Bleiben wir bei Evers’ 5,9-Prozent-Aufforderung. Vor allem | |
| SPD-Innensenatorin Iris Spranger hatte lautstark gemeutert, Sie waren ihr | |
| zur Seite gesprungen. Hört der Koalitionsfrieden beim Geld auf? | |
| Ich finde, dass wir darauf achten müssen, dass wir bei den Einsparungen | |
| eine Priorisierung vornehmen und nicht pauschal sagen, alle Häuser müssen | |
| 5,9 Prozent einsparen. Das ist vielleicht der leichtere Weg, aber nicht | |
| unbedingt der bessere. | |
| Nun, wir sprechen von 1,75 Milliarden Euro, die die Verwaltungen allein in | |
| diesem Jahr einsparen sollen. Sie selbst haben gesagt, [3][dass alle ihren | |
| Beitrag leisten müssen]. Und das gilt jetzt beim SPD-geführten Innenressort | |
| nicht mehr? | |
| Ich verstehe ja, dass der Finanzsenator einen Brief rausschickt, irgendwie | |
| geht das schon gut, 5,9 Prozent über alle Häuser, egal wie viel Geld dort | |
| jeweils gebunden ist. Tatsächlich erwarte ich aber, dass hier etwas mehr | |
| Zeit investiert wird. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Man muss doch | |
| die Steuerschätzung im Mai abwarten, um sagen zu können, wie die | |
| Gesamthaushaltslage aussieht. Daher ist das auch kein Streit, wie immer | |
| gern erzählt wird, sondern ein nett gemeinter Hinweis aus dem Parlament. | |
| Der Finanzsenator freut sich sicher über den Hinweis. | |
| Haben Sie die Aussagen meines CDU-Kollegen Stettner gesehen? Der | |
| unterstützt das voll und ganz. Also, ich erwarte, dass der Senat sich damit | |
| beschäftigt, welche Herausforderungen es jetzt gibt. Welche größeren | |
| Projekte kann man zum Beispiel schieben? Gibt es Sachen, auf die man | |
| verzichten kann? Wir haben ja die Schwerpunktsetzungen, die sind definiert | |
| im Koalitionsvertrag. | |
| Ist es nicht absurd, dass Sie als Legislative erst einen Haushalt | |
| verabschieden, in dem Pauschalen Minderausgaben, also Einsparungen, in | |
| Rekordhöhe festgeschrieben sind, und dann wie im Fall der Innenverwaltung | |
| sagen: Kommt überhaupt nicht infrage? | |
| Das ist doch ganz normal, wenn man Haushalte aufstellt. Wir haben einen | |
| Haushalt verabschiedet und hier Schwerpunkte gesetzt. Trotzdem muss der | |
| Senat jetzt überprüfen, wo man am Ende aus diesem Haushalt wieder Luft | |
| rauslassen kann. Und es ist auch normal, dass der Finanzsenator sagt, jetzt | |
| löst mal 5,9 Prozent Pauschale Minderausgaben auf. Ebenso normal ist es, | |
| dass es einen politischen Diskurs darüber gibt. | |
| Was soll das bringen, wenn Sie die politische Diskussion über die 1,75 | |
| Milliarden nach hinten schieben? | |
| Ich als Sozialdemokrat sage: Leute, schaut euch erst die Steuerschätzung | |
| an, welche Auswirkungen die hat, nach oben oder nach unten. Man weiß ja | |
| nicht, was am Ende für eine Zahl rauskommt. Und wenn die Zahl da ist, | |
| schaut euch bitte an, welches Haus wie viel einsparen kann. Ich möchte nur | |
| eines nicht: dass es einen sozialen Kahlschlag gibt. | |
| Was machen Sie, wenn CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner sagt: Ist mir | |
| egal, ob das [4][eine Herzensangelegenheit der SPD] ist, ich streiche in | |
| meinem Haus die mit enormen Kosten verbundene Einführung des | |
| 29-Euro-Tickets AB? | |
| Das versuche ich, Ihnen gerade zu erklären. Am Ende sind wir eine | |
| Koalition, und es gibt einen Koalitionsvertrag, eine gemeinsame Grundlage. | |
| Und natürlich gelten die Sachen, die hier verabredet sind. Ich glaube, dass | |
| das 29-Euro-Ticket dankend angenommen werden wird, und sehe nicht die | |
| Notwendigkeit, dass man anfängt, an wichtigen Vorhaben für die | |
| Berlinerinnen und Berliner zu rütteln. Man muss sehen, welche Projekte | |
| tatsächlich entbehrlich sind. | |
| Es hieß die ganze Zeit: In der Krise spart man nicht. Die Krisen dauern an. | |
| Nun muss trotzdem gespart werden. | |
| Ja, gespart werden muss trotzdem. Der Haushalt basiert ja noch auf dem | |
| Entwurf des alten Senats. Eingeflossen sind die Ideen der neuen Regierung | |
| und natürlich auch die gezielten politischen Schwerpunktsetzungen der | |
| Fraktionen von SPD und CDU. Nun muss der Senat prüfen: Welche Gelder wurden | |
| zum Beispiel jahrelang nicht abgerufen, welche Mittel sind jahrelang nicht | |
| kritisch hinterfragt worden? | |
| Als da wären? | |
| Netter Versuch. Ich hätte Vorschläge, aber erst einmal erwarte ich die | |
| Vorschläge des Senats. | |
| Noch ein Wort zur Berliner SPD. Nach der [5][Ankündigung von Franziska | |
| Giffey], im Mai nicht mehr für den Parteivorsitz zur Verfügung zu stehen, | |
| sind Forderungen laut geworden, auch Sie müssten Ihren Hut nehmen. Auch | |
| hier haben Sie sich bislang um eine klare Aussage gedrückt. Warum? | |
| Wir haben gerade die Aufgabe, uns auf die Teilwiederholung der | |
| Bundestagswahl zu konzentrieren, und darauf konzentriere ich mich voll und | |
| ganz, wie auch auf die Vorbereitung der Europawahl. | |
| Ich weiß. Das haben Sie schon vor ein paar Tagen erklärt, beantwortet aber | |
| die Frage nicht. Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass sie weiter | |
| Landeschef bleiben wollen. | |
| Ich bin Sozialdemokrat mit Herzblut und sehe meine Verantwortung darin, | |
| dass wir uns jetzt voll und ganz auf die Aufgaben konzentrieren, die gerade | |
| anstehen, und den Wahlkampf. | |
| Warum sagen Sie nicht einfach, dass Sie wieder antreten? | |
| Ich bin gern Landesvorsitzender und konzentriere mich jetzt gerade voll und | |
| ganz auf den Wahlkampf. | |
| Ja, das erwähnten Sie. Und solange Wahlkampf ist, legen Sie die Hände in | |
| den Schoß? Ach, kommen Sie! | |
| Natürlich führe ich intern Gespräche, wie wir die Breite der Partei im | |
| Landesvorstand abbilden können, wie man die Partei eint. Aber die führe ich | |
| eben intern und nicht mit Ihnen. | |
| 15 Jan 2024 | |
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| Rainer Rutz | |
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