# taz.de -- Teilwiederholungswahl Berlin: Eben doch wichtig | |
> Die Teilwiederholungswahl am 11. Februar könnte für die Wahlkreise | |
> Charlottenburg-Wilmersdorf und Pankow richtig spannend werden. | |
Bild: Lisa Paus rührt ein paar Wochen lang die Werbetrommel in Berlin und will… | |
BERLIN taz | Lisa Paus vor dem Rewe-Laden am Grünen-Stand an der Ecke | |
Ku’damm/Nestorstraße; Michael Müller verteilt nur ein paar Straßen entfernt | |
Flugblätter: Ist sie etwa doch wichtig, die Teilwiederholungswahl zum | |
Bundestag, wenn sich eine Bundesministerin und ein Ex-Regierender | |
Bürgermeister in einen angeblich uninteressanten Wahlkampf werfen? Und | |
zugleich Tausende Plakate die Straßen säumen? | |
Keine drei Wochen sind es noch bis zum 11. Februar, an dem knapp jeder und | |
jede Fünfte in Berlin noch mal die Chance hat, den [1][Bundestag zu | |
wählen]. 867 Tage werden dann seit dem 26. September 2021 vergangen sein, | |
als in Berlin massive Pannen die kombinierten Wahlen auf Landes- und | |
Bundesebene begleiteten. | |
Während aber die Wahl zum Abgeordnetenhaus nach einem Urteil des | |
Landesverfassungsgerichts komplett wiederholt wurde und das schon Anfang | |
2023, hielt das Bundesverfassungsgericht kurz vor Weihnachten die Pannen | |
nicht flächendeckend für gravierend. Für den Bundestag gibt es nur in 455 | |
der 2.256 Wahlbezirken eine Wiederholung. | |
Weil diese 455 ungleichmäßig über die Stadt verteilt und die Bezirke | |
Lichtenberg und Treptow-Köpenick kaum betroffen sind, war mit dem Urteil | |
auch klar: Die Linkspartei muss zumindest bei der Wiederholungswahl nicht | |
um ihr politisches Überleben fürchten, für das sie zwingend auf die beiden | |
dortigen Direktmandate angewiesen ist. Und die Mehrheit der Ampelkoalition | |
wäre selbst bei einer kompletten Wiederholung nicht gefährdet gewesen. | |
## Im September folgen die Landtagswahlen in Sachsen | |
Alles egal also am 11. Februar? Eben nicht. Das liegt zum einen am Termin, | |
zum anderen daran, dass es zwar nicht im Großen, aber im Kleinen sehr | |
spannend werden kann. Denn die Wahl ist die bundesweit erste in diesem an | |
wichtigen Wahlen so vollen Jahr und habe darum Signalwirkung, war etwa von | |
SPD-Bundeschef Lars Klingbeil zu hören, als die Sozialdemokraten jüngst | |
ihren Wahlkampf starteten. Am 9. Juni steht die Europawahl an, im September | |
folgen die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Ein hoher | |
AfD-Stimmenanteil, so wie derzeit in vielen Umfragen, ist genau das Signal, | |
das viele befürchten. | |
Vor allem eine geringe Wahlbeteiligung könnte dazu führen: Geht die | |
Anhängerschaft der AfD anders etwa als eigentlich eingeschworene | |
Unterstützer von CDU, SPD und Grünen geschlossen zur Wahl, kann sich das | |
Ergebnis deutlich an den rechten Rand verschieben. Denn am 11. Februar | |
zählen allein die Stimmzettel in den Wahlurnen, nicht grundsätzliche | |
Sympathien. Aus Sicht vieler Politiker wäre das gerade nach den jüngsten | |
Enthüllungen um enge Verbindungen der AfD mit Rechtsextremismus ein fatales | |
Zeichen. | |
Wahlleiter Stefan Bröchler hat mehr als einmal Befürchtungen Richtung | |
geringerer Beteiligung als 2021 geäußert, als rund 75 Prozent mitstimmten. | |
Zumal der Wahltag noch in die Winterferien fällt. Ein anderer Termin war | |
aber kaum möglich: Laut Gesetz muss die Wahl binnen 60 Tagen nach dem | |
Gerichtsurteil stattfinden – und die wollte man ausreizen, um den Parteien | |
zumindest die Möglichkeit eines Kurz-Wahlkampfes zu geben. | |
Jenseits der großen Botschaft, bei der für das berlinweite Ergebnis dann | |
tatsächlich jede Stimme zählt, gibt es im Kleinen zwei Bezirke, in denen es | |
neue Wahlsieger geben könnte: Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf. Und | |
hier kommen die eingangs erwähnte Bundesministerin Paus und | |
Ex-Regierungschef Müller ins Spiel. Beide sind nämlich Konkurrenten im | |
Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf. Den gewann SPD-Mann Müller 2021 mit | |
rund 5.400 Stimmen Vorsprung vor der Grünen. Aber dieses Mal könnte – | |
allerdings nur bei starker Wahlbeteiligung – trotz damals deutlichen | |
Rückstands CDU-Kandidat Klaus-Dieter Gröhler an beiden vorbeiziehen. Denn | |
in 42 Prozent der Wahllokale, also fast jedem zweiten, wird in ihrem | |
Wahlkreis erneut gewählt. Und während die 2021 erfolgreiche SPD in | |
bundesweiten Umfragen auf bis zu 13 Prozent abgesackt ist, kommt die CDU | |
teils auf weit über 30 Prozent. | |
## Müller bliebe allerdings auch bei einer Niederlage im Bundestag. | |
[2][Müller bliebe allerdings auch bei einer Niederlage im Bundestag.] Denn | |
er ist wie die 2022 zur Ministerin avancierte Paus über die Landesliste | |
abgesichert. Das ist jene Liste, über die eine Partei Mandate besetzt, wenn | |
ihr mehr Parlamentssitze zustehen, als sie Wahlkreise gewonnen hat. | |
CDU-intern aber wäre das zusätzliche Direktmandat folgenreich bis | |
problematisch. Rückt Gröhler neu ins Parlament, müsste mutmaßlich für ihn | |
die Letzte jener Berliner CDUler Platz machen, die derzeit über die | |
Landesliste im Bundestag sind – und das ist ausgerechnet die | |
Generalsekretärin des Landesverbands, Ottilie Klein. | |
Mehr Menschen als in Charlottenburg-Wilmersdorf dürfen nur in Pankow | |
nochmals wählen, nämlich 82 Prozent. In 7 anderen der 12 Wahlkreise, die | |
weitgehend identisch mit den 12 Stadtbezirken sind, darf hingegen weniger | |
als jeder und jede Zehnte noch mal ran an die Urne. In 3 weiteren sind es | |
zwar mehr, doch Ausgangs- und Umfragelage machen eine Veränderung gegenüber | |
2021 unwahrscheinlich. | |
Es ist das Pech beispielsweise von CDU-Bewerberin Christina Schwarzer in | |
Neukölln, dass das Bundesverfassungsgericht in ihrem Wahlkreis anders als | |
in Pankow kaum etwas zu beanstanden hatte. Denn bei der | |
Abgeordnetenhauswahl vor einem Jahr lag Schwarzers Partei anders als bei | |
der Bundestagswahl klar vorn, und die Stimmung hat sich weiter pro CDU | |
entwickelt. Aber weil in Neukölln nur in rund jedem zehnten Wahllokal neu | |
gewählt wird, ist der Vorsprung des Siegers von 2021, Hakan Demir (SPD), | |
aus den Wahllokalen, deren Ergebnisse bestehen bleiben, nach aller | |
Wahrscheinlichkeit trotz des CDU-Booms nicht einholbar. | |
Am spannendsten ist die Lage in Pankow, wo 4 von 5 Wahlberechtigten wieder | |
an die Urnen dürfen. Hier konnte 2021 Stefan Gelbhaar erstmals das | |
Direktmandat für die Grünen holen – er siegte [3][vor SPD und Linken]. Die | |
CDU kam damals nur auf knapp halb so viele Stimmen wie er. Bei der | |
Abgeordnetenhauswahl Anfang 2023 aber lagen die Christdemokraten nur knapp | |
hinter den Grünen, der bundesweite Trend verläuft seither klar zugunsten | |
der Christdemokraten. SPD-Kandidat Klaus Mindrup, 2021 auf Platz 2, hat | |
zwar das Glück, dass ausgerechnet in vielen jener Wahllokale, in denen er | |
damals sehr stark abschnitt, nicht erneut abgestimmt wird. Doch sein Partei | |
stürzte seither in den Umfragen ab. | |
Was die Sache zusätzlich spannender macht: CDU-Konkurrentin Manuela | |
Anders-Granitzki war 2021 in Pankow noch weitgehend unbekannt. Seither aber | |
ist sie als Ordnungs- und Umweltstadträtin in einem zentralen Feld der | |
Bezirkspolitik aktiv. „Das ist eine ziemlich offene Sache“, sagt | |
Grünen-Kandidat Gelbhaar der taz, „jede Stimme zählt.“ Das gilt für ihn | |
nicht nur, weil Pankow der erste rein ostdeutsche Wahlkreis ist, den die | |
Grünen je gewonnen haben: „Es geht auch darum, bei dieser ja bundesweit | |
ersten Wahl ein Signal auszusenden, vor allem gegen die AfD.“ | |
23 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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