| # taz.de -- Teilwiederholung der Bundestagswahl: Und wie jetzt weiter? | |
| > Nicht nur das Einbrechen der SPD, auch die Stimmgewinne der AfD und die | |
| > niedrige Wahlbeteiligung am Sonntag werfen Fragen auf. | |
| Bild: Das Bild trügt: Viel zu lachen hat die Partei von SPD-Landeschefin Franz… | |
| Berlin taz | Keine neuen Wahlkreissieger, eine Grünen-Landeschefin, die ihr | |
| Mandat verliert, und aufs Gesamtergebnis bezogen nur kleine Verschiebungen: | |
| So ließe sich das Ergebnis der Teilwiederholung der Bundestagswahl von 2021 | |
| schön reden. Tatsächlich aber resultierte der Sonntag in eine Klatsche für | |
| zwei Parteien der Ampelkoalition, einer eingebrochenen Wahlbeteiligung und | |
| teils erschreckenden Gewinnen der AfD. | |
| Die SPD sackte bei den Wiederholungsstimmen von 22,4 auf 14,6 Prozent ab | |
| und damit um mehr als ein Drittel. Noch stärker traf es die FDP, die von 8 | |
| auf 3,3 Prozent abrutschte – nicht viel mehr als ein Drittel ihres | |
| Ergebnisses von 2021. Während das ohne Belang für die Berliner | |
| Landespolitik ist, weil die FDP 2021 aus dem Abgeordnetenhaus rutschte, | |
| gilt das für die Sozialdemokraten nicht. | |
| Ihre Landesvorsitzende Franziska Giffey wies die Verantwortung für die | |
| Wahlschlappe zwar der Bundespolitik zu, indem sie mehr SPD-Profil in der | |
| Ampelkoalition forderte. Weil ihre Partei aber auf Landesebene mitregiert, | |
| muss sich auch ihre Berliner Führung fragen lassen, ob sie nicht einen | |
| Anteil an der Niederlage hat. Das passiert umso mehr, weil bei den | |
| Sozialdemokraten nach der Wahl zugleich vor der Wahl ist: Mindestens drei | |
| Duos wollen ab Mai [1][die Doppelspitze der Berliner SPD bilden]. Das | |
| sollte nach taz-Informationen am Montagabend auch Thema im Landesvorstand | |
| sein. | |
| Rein rechnerisch kann die SPD zwar darauf verweisen, dass sie in der | |
| Gesamtbilanz inklusive jener vier Fünftel der Wahlbezirke, deren Ergebnisse | |
| von 2021 Bestand hatten, [2][mit 22,2 Prozent in Berlin] „weiter stärkste | |
| Kraft ist“. Das war am Sonntag tatsächlich von Landeschefin Giffey so zu | |
| hören – und ergänzte, wie um vorzubeugen, dass das jemand anders sehen | |
| könnte: „Und das ist eine gute Nachricht.“ | |
| ## AfD in Marzahn-Hellersdorf vorne | |
| Dass die SPD trotz der Schlappe weiter vorn liegt, fußt jedoch allein | |
| darauf, dass am Sonntag eben nur ein Fünftel der aktuell bei Bundes- und | |
| Abgeordnetenhauswahlen stimmberechtigten rund 2,4 Millionen Berliner wählen | |
| durfte – und daran, dass nur die Hälfte davon diese Möglichkeit nutzte. Die | |
| vergleichsweise wenigen tatsächlich abgegebenen Stimmen verändern die | |
| Zahlen von 2021 darum kaum. Selbst das aus ihrer Sicht gute Abschneiden der | |
| AfD am Sonntag steigert ihr Gesamtergebnis nur von 8,4 auf 9,4 Prozent. | |
| Bezogen aber allein auf die am Sonntag und zuvor per Briefwahl abgegebenen | |
| Stimmen sieht die Lage anders aus. Neben dem SPD-Absacken ragt dort vor | |
| allem der große Zuwachs der AfD in Marzahn-Hellersdorf heraus: Dort konnte | |
| die Partei ihr Ergebnis gegenüber 2021 von 18,5 auf 33,1 Prozent fast | |
| verdoppeln. | |
| „Jede Stimme für die AfD ist eine zu viel. Mit dieser Partei ist kein Staat | |
| zu machen“, war am späten Sonntag als Reaktion darauf von Regierungschef | |
| Kai Wegner zu hören, der den Abend als Landesparteichef bei einer Wahlparty | |
| der CDU Pankow verbrachte. Doch die Stimmen wanderten nun mal für die AfD | |
| in die Wahlurnen. Wie ist das zu ändern? „Wir, das heißt die demokratischen | |
| Parteien, müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen und vor allen Dingen | |
| die Probleme lösen. Das ist das beste Mittel gegen die AfD“, sagt Wegner | |
| auf Nachfrage. Solche Antworten waren allerdings seit Wochen und Monaten | |
| von führenden Vertretern der Regierungsparteien zu vernehmen. | |
| Manche verwiesen nun darauf, dass die AfD eventuell schlechter | |
| abgeschnitten hätte, hätte das neue Wagenknecht-Bündnis auf den | |
| Stimmzetteln gestanden. Das war schon rechtlich nicht möglich: Auf den | |
| Stimmzetteln mussten dieselben Bewerber und Parteien wie 2021 stehen. | |
| ## Bloß ein Schlüssel fehlte | |
| Das hatte unter anderem zur Folge, dass im Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf – | |
| wo nur in jedem elften Wahllokal neu abgestimmt wurde – für die AfD erneut | |
| die unter Terrorverdacht stehende Birgit Malsack-Winkemann kandidierte. | |
| Dass die wegen dieses Vorwurfs derzeit in U-Haft sitzt, verhinderte nicht, | |
| dass [3][sie ihren Stimmanteil gegenüber 2021 erhöhen konnte]. | |
| Nach den zahlreichen Pannen am 26. September 2021, dem Grund für die vom | |
| Bundesverfassungsgericht angeordnete Wiederholung, ging der zweite Anlauf | |
| fast problemlos über die Bühne. Einziges am Sonntag vermeldetes Vorkommnis: | |
| Zwei Wahllokale konnten erst verspätet öffnen – bei einem fehlte anfangs | |
| der Schlüssel zu der Kita, die als Wahllokal diente. | |
| Der Mann, der nach der erfolgreichen Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl | |
| im Februar 2023 nun auch dafür verantwortlich zeichnete, äußerte sich nur | |
| teilweise zufrieden. „Aus organisatorischer Sicht ist die Wahl gut | |
| gelaufen“, sagte der nach der Pannenwahl ins Amt gekommene Landeswahlleiter | |
| Stephan Bröchler. Enttäuscht war er aber von der Wahlbeteiligung: „Es ist | |
| deutlich niedriger als das, was ich angestrebt habe“, [4][zitierte ihn die | |
| Berliner Zeitung]. | |
| Für Berlins Grünen-Chefin Nina Stahr hingegen ist das Glas eher halb voll | |
| als leer. Sie sagt: „Die Wahlbeteiligung ist gemessen an den Befürchtungen | |
| mancher vor der Wahl doch besser als erwartet.“ Stahr selbst muss ihren | |
| bisherigen Platz im Bundestag räumen, weil die Hauptstadt-Grünen ein Mandat | |
| an einen anderen Landesverband abgeben mussten. In ihrer Partei hatte | |
| mancher schon im Vorfeld insgeheim nicht bedauert, dass es so kommen | |
| könnte: So kann die nach parteiinternen Querelen im Dezember interimsmäßig | |
| [5][quasi als Nothelferin in den Vorsitz gewählte] beliebte Stahr weiter im | |
| Amt bleiben. Nur mit einer bis Mai befristeten Ausnahme von der [6][sonst | |
| von der Parteisatzung vorgegebenen Trennung von Amt und Mandat] hatte sie | |
| als Landeschefin einspringen können. | |
| 12 Feb 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /SPD-Berlin/!5984573 | |
| [2] https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/BU2024/AFSPRAES/btw/index.html | |
| [3] https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/BU2024/AFSPRAES/btw/ergebnisse_wahlkrei… | |
| [4] https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/wiederholungswahl-in-b… | |
| [5] /Gruenen-Landesparteitag-Teil-2/!5980303 | |
| [6] https://gruene.berlin/fileadmin/BE/lv_berlin/LV_Berlin_Dokumente/zentrale_D… | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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