# taz.de -- SPD Berlin: Franziska Giffey hat nachgedacht | |
> 2020 wurde Franziska Giffey als Heilsbringerin der Berliner SPD | |
> gehandelt. Davon ist nichts geblieben. Nun zieht sie sich vom | |
> Parteivorsitz zurück. | |
Bild: Die Verkehrswende ist nicht ihr Steckenpferd: Berlins Noch-SPD-Landeschef… | |
BERLIN taz | Franziska Giffey sagt, sie habe zum Jahreswechsel nachgedacht. | |
Über die Zukunft. Über „den richtigen Weg“ der Berliner SPD. Über 2024 �… | |
darüber hinaus“. Das Ergebnis ihrer intensiven Nachdenkarbeit gab die | |
SPD-Landesvorsitzende dann am Mittwoch bekannt: Bei den Parteiwahlen der | |
Hauptstadt-SPD im Mai [1][will sie nicht mehr für den Landesvorsitz zur | |
Verfügung stehen]. Ende einer Dienstfahrt, zumindest auf Parteiebene. | |
Als die SPD Giffey Mitte 2020 als ihre potenzielle Spitzenkandidatin für | |
die Abgeordnetenhauswahl im September des Folgejahres aus dem Hut zauberte, | |
wurde sie noch als sozialdemokratische Lichtgestalt präsentiert. Die Partei | |
des seinerzeit Regierenden Bürgermeisters Michael Müller dümpelte in | |
Umfragen bei 15 Prozent herum. Die damals als Bundesfamilienministerin | |
amtierende Giffey sollte das Ruder rumreißen. | |
Tatsächlich bekam der Glanzlack schnell erste Risse, als bekannt wurde, | |
dass Giffeys Doktorarbeit [2][zu großen Teilen aus Plagiaten] bestand. Auf | |
dem SPD-Parteitag im November 2020 wurde sie trotzdem mit fast 90 Prozent | |
der Stimmen zur neuen Landeschefin gewählt, im Doppelpack mit Fraktionschef | |
Raed Saleh, der nur auf knapp 70 Prozent kam. Auch Spitzenkandidatin wurde | |
die im brandenburgischen Briesen aufgewachsene Tochter eines Kfz-Meisters. | |
Die Plagiatsaffäre verfolgte sie zwar weiter. Im Mai 2021 [3][trat sie als | |
Familienministerin zurück], im Monat darauf war dann auch der Dr. rer. pol. | |
perdu. Allein: ihre Position als SPD-Spitzenkandidatin für das Amt der | |
Regierenden touchierte das wenig. Motto: Für Berlin reicht’s. | |
## Zähigkeit als Markenkern | |
Die Politikerin vom rechten SPD-Flügel gilt als ausgesprochen zäh. Und am | |
Ende reichte es im September 2021 für eine Art Wahlsieg: Giffey schleppte | |
ihre Partei auf 21,4 Prozent hoch – das schlechteste Ergebnis der Berliner | |
SPD der Nachkriegszeit. Aber eben immer noch besser als die Konkurrenz. | |
Ihre nachfolgende Zeit als Regierende Bürgermeisterin in dem von ihr nie | |
gewollten Bündnis mit Grünen und Linken war dann vor allem [4][von Zank und | |
Streit geprägt]. Mit Grünen-Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch lag die | |
Verkehrswendebremserin Giffey rasch über Kreuz. Mit ihrer Abwehrhaltung | |
gegen die Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co | |
enteignen“ brachte sie zugleich die Linken verlässlich auf die Palme. Zumal | |
ihr vermeintliches Gegenkonzept „Bauen, bauen, bauen“ nicht mal ansatzweise | |
aufgehen wollte. | |
Auch unter den eigenen Genoss:innen wollte ihre bisweilen wurstige, | |
bisweilen angefasst-pampige Art nicht mehr zünden. Beim | |
[5][SPD-Landesparteitag im Juni 2022] wurde Giffey mit gerade mal 59 | |
Prozent im Amt der Parteichefin bestätigt, Saleh bekam ähnlich wenig. „Ich | |
finde, fast 60 Prozent der Delegierten haben gesagt, wir wollen auf diesem | |
Weg weitergehen“, mühte sie sich im Anschluss, das Desaster schönzureden. | |
Ähnlich reagierte Giffey nach der Klatsche bei der Wiederholungswahl im | |
Februar 2023, als die SPD unter ihr als abermaliger Spitzenkandidatin auf | |
18,4 Prozent abrauschte. Für eine Fortsetzung von Rot-Grün-Rot hätte das | |
gereicht. Doch Giffey wollte nicht. | |
„Aus Verantwortung für Berlin“, wie sie erklärte, [6][schmiss sie die Tü… | |
zu] den bisherigen Koalitionspartnern zu und erklärte sich bereit, | |
zugunsten des CDU-Wahlsiegers Kai Wegner als Regierende Bürgermeisterin den | |
Hut zu nehmen und als Senatorin ins zweite Glied zu rücken. Denn von einer | |
Sache blieb Giffey nach der Wahl überzeugt: „Ich glaube, jetzt steht an, | |
dass Berlin mich braucht.“ | |
## Zunehmende Entfremdung von der Basis | |
Davon rückt sie auch jetzt nicht ab. So machte sie am Mittwoch in ihrer | |
Ankündigung, nicht mehr für den SPD-Vorsitz zu kandidieren, zugleich | |
deutlich, dass sie selbstverständlich weiterhin Wirtschaftssenatorin | |
bleiben wird. „Ich werde mich mit ganzer Kraft auf meine anderen Aufgaben | |
konzentrieren, die ich für unsere Partei wahrnehme“, ließ sie die | |
SPD-Mitglieder wissen, abermals im Gestus evitahaften Aufopferungswillens. | |
Zur Wahrheit gehört, dass Giffey ins offene Messer gerannt wäre, wenn sie | |
sich im Mai erneut als Landesvorsitzende zur Wahl gestellt hätte. Nach der | |
Wahlniederlage 2023 erodierte ihr Rückhalt unter den Genoss:innen | |
bedenklich. Auf den SPD-Parteitagen war die [7][zunehmende Entfremdung zur | |
Basis] unübersehbar. Giffey wäre wohl ohnehin nicht wiedergewählt worden. | |
Wobei angezweifelt werden darf, dass diese Erkenntnis bei ihr erst vor | |
wenigen Tagen gereift sein soll. | |
Klar ist, dass Giffey ihr Manöver nicht als Rückzug von der vermeintlichen | |
Zugpferd-Position der Hauptstadt-SPD verstanden wissen will. So lässt sie | |
es am Tag nach der Erklärung an die Genoss:innen bewusst offen, ob sie | |
bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl 2026 erneut als Spitzenkandidatin für | |
die Sozialdemokrat:innen ins Rennen gehen will. „Diese Entscheidung | |
jetzt ist keine Entscheidung für 2026“, sagte Giffey am Donnerstagmorgen | |
dem RBB. Für viele, auch in der SPD, klingt das wenig überlegt. | |
4 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /SPD-Berlin/!5979884 | |
[2] /Doktorarbeit-von-Familienministerin-Giffey/!5716126 | |
[3] /Familienministerin-bittet-um-Entlassung/!5773557 | |
[4] /Team-Jarasch-Giffey-und-Lederer/!5806309 | |
[5] /Landesparteitag-in-Berlin/!5859313 | |
[6] /Berlins-Gruene-vor-Parteitag/!5916114 | |
[7] /Parteitag-nach-Wahlniederlage/!5937011 | |
## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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