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# taz.de -- SPD-Landesparteitag: Grün, grüner, SPD
> Berlins Sozialdemokraten präsentieren sich jetzt auch als Klimaschützer.
> Auf dem Parteitag ging es über weite Strecken erstaunlich unkonfrontativ
> zu.
Bild: Gut gelaunte Klimaschützer: Franziska Giffey und Raed Saleh
Berlin taz | Die Hauptstadt-SPD sieht sich nicht mehr nur als Garant für
soziale Gerechtigkeit, sondern nun auch als Speerspitze im Kampf gegen den
Klimawandel. Das zumindest ist die Hauptaussage des am Samstag auf dem
Landesparteitag verabschiedeten SPD-Leitantrags „Berlin: sozial,
klimaneutral, innovativ und für alle bezahlbar“.
„Klimaschutz ist eine Kernaufgabe der Sozialdemokratie“, verkündete
[1][Landes- und Fraktionschef Raed Saleh]. „Für uns Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten ist klar, dass Berlin nicht nur klimaneutral werden,
sondern auch bezahlbar bleiben muss“, warb Co-Landeschefin Franziska Giffey
für das 26-Seiten-Papier, von dem schließlich „ein gutes, ein inhaltliches,
ein programmatisches Signal“ ausgehe.
Tatsächlich handelt es sich bei dem Leitantrag um eine Sammlung aus extrem
vielen Bekenntnissen, Feststellungen und Forderungen, die abgesehen von der
inneren Sicherheit alle Politikfelder umfasst. Das 29-Euro-Ticket für alle
– das zentrale Wahlkampfversprechen der SPD-Spitze – darf hier ebenso wenig
fehlen wie die Forderung an den Bund, mit einer Öffnungsklausel den Weg
freizumachen, „damit die Länder selbst Mietbegrenzungen wie einen
Mietendeckel festlegen“. Ein Vorhaben, für das Landeschef Saleh ebenfalls
bereits seit geraumer Zeit trommelt.
Es gilt zwar nicht als sonderlich wahrscheinlich, dass sich die
Ampel-Regierung im Bund zu einer [2][Öffnungsklausel] durchringt. An die
beinharten Gegner:innen jedweder Mietbegrenzungen beim eigenen
Koalitionspartner CDU gerichtet, drohte Saleh trotzdem schon mal
vorsorglich: „Wenn die Öffnungsklausel kommt, dann garantiere ich: Mit
meiner SPD wird es keine neue Koalition geben ohne den Mietendeckel.“
## Das ganz große Ganze
Der SPD Berlin geht es eben um das ganz große Ganze. „Mit unserem
Leitantrag zeigen wir, dass die SPD sich mit den großen Fragen der Zeit
auseinandersetzt und auch Antworten darauf gibt“, sagte
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey, um dann doch vor allem von
Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsförderung und Berlin als dem „Zugpferd
für die deutsche Wirtschaft“ zu reden.
Zu den weiteren Antworten auf die großen klimapolitischen Fragen der Zeit
gehören etwa der Einsatz für ein Klimageld, mehr Tempo-30-Zonen, das Verbot
ineffizienter Heizungen, aber auch die Stärkung der Tarifbindung. Die
Sozialdemokrat:innen sprechen sich nicht nur gegen die
Schuldenbremse, sondern auch gegen Wasservergeudung aus. Und nebenbei will
man prüfen, „wie Sonnenschutzcreme an öffentlichen Badestellen,
öffentlichen Spielplätzen oder in Schulen kostenlos bereitgestellt werden
kann“.
Jenseits dieses, so Franziska Giffey, „klaren Plans für die Zukunft
Berlins“ gibt es in dem Papier nicht wenige, durchaus entbehrlich wirkende
Übererklärsätze. So heißt es unter anderem: „Fußverkehr ist nicht nur ei…
nachhaltige, emissionsfreie Form der Fortbewegung, sondern trägt auch zur
Förderung der Gesundheit und Verbesserung der Lebensqualität in unseren
Städten bei.“
Auch wenn der Leitantrag am Ende einstimmig von den rund 270 Delegierten
angenommen wurde: Nicht alle waren mit der präsentierten Detailfülle
glücklich. Ein Delegierter sprach am Rande des Parteitags im Gespräch mit
der taz von einem „Wischi-Waschi“. Jede:r hätte versucht, eigene Punkte in
den Antrag hereinzuverhandeln. Am Ende wuchs das Papier so von 21 auf 26
Seiten. Für die Aussage, dass sich die SPD Berlin künftig dem Klimaschutz
verschreibt, hätten auch 2 Seiten genügt.
## Loblieder auf Grünen Wasserstoff und das 29-Euro-Ticket
Gewurmt hatte den Delegierten auch das Loblied auf den alles andere als
preiswerten und klimatechnisch ineffizienten Grünen Wasserstoff, das zuvor
Wirtschaftssenatorin Giffey vorgetragen hatte. Als mindestens gewagt darf
auch Giffeys Vorhersage hinsichtlich der geforderten [3][Wiedereinführung
des 29-Euro-Tickets] für den Tarifbereich AB gewertet werden. „Es wird
nicht nur im Klimaschutz eine Rolle spielen, sondern auch für die soziale
Gerechtigkeit“, sagte Giffey.
Dass Klimaschutz stets mit dem Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit
einhergehen müsse, gehörte aber ohnehin zum Grundtenor fast jeden
Redebeitrags. Parteichef Saleh schlug in dieser Hinsicht nahezu
klassenkämpferische Töne an, als er sagte: „Was wir erleben, ist eine
Umverteilung von unten nach oben, was wir aber brauchen, ist eine
Umverteilung von oben nach unten.“
Die umwelt- und klimaschutzpolitische Fraktionssprecherin Linda Vierecke,
die wesentlich am Leitantrag mitgewirkt hat, zeigte sich zwar insgesamt
zufrieden mit den Inhalten des Papiers. Aber, so Vierecke zur taz: „Wichtig
ist, dass jetzt auch was passiert. Wir brauchen keine Debatten mehr, wir
müssen jetzt der Treiber sein in Sachen Klimaschutz, [4][auch beim Thema
Mobilität], auch in der Koalition.“
Anders als beim letzten Landesparteitag im Mai, als sich die SPD angesichts
der Verluste bei der Wahlwiederholung und des nachfolgenden
Koalitionsschwenks zur CDU laut und hitzig und über Stunden mit sich selbst
beschäftigt und dabei nicht zuletzt die Performance des Führungsduos
kritisiert hatte, ging das Treffen am Samstag alles in allem fast
harmonisch über die Bühne.
## Zähe Abstimmung über den Zaun um den Görlitzer Park
Aber eben nur fast. Denn wie so häufig bei SPD-Parteitagen kochte die
Stimmung ausgerechnet am Ende noch einmal ordentlich hoch. Anlass war ein
Antrag der Jusos, der sich gegen die von SPD-Innensenatorin Iris Spranger
angekündigten Law-and-Order-Maßnahmen zur [5][„Befriedung“ des Görlitzer
Parks] in Kreuzberg stellte. Die strittigsten Forderungen des
Parteinachwuchses: keine Videoüberwachung des Parks, keine nächtliche
Schließung, keine „vollständige“ Umzäunung, Erhalt der historischen Maue…
„Wir müssen aufpassen, beim Görlitzer Park nicht eine Kopie der CDU zu
werden“, warnte der SPDqueer-Chef Mehmed König unter Applaus. Der Park
dürfe nicht zu einem „Freiluftgefängnis light“ werden. Spranger selbst
verteidigte ihre Zaunbau- und Schließungspolitik. Dass die Maßnahme
vielleicht „nicht dauerhaft“ aufrechterhalten werde, „damit kann ich
leben“, sagte die Innensenatorin. Es ging hin und her.
Nach einer halben Stunde wurde die Debatte abgebrochen – und ein zäher
Abstimmungsmarathon über einzelne Sätze des Antrags folgte. Zuletzt wurde
mit extrem knappen Mehrheiten eine schwer verwässerte Fassung angenommen,
aus der die Anti-Zaun-Positionen der Jusos faktisch herausgestrichen waren.
„Hier ist der Ort, wo wir die Zukunft des Landes gestalten“, hatte Raed
Saleh zu Beginn des Parteitags erklärt.
23 Sep 2023
## LINKS
[1] /SPD-Chef-zu-Koalitionsverhandlungen/!5921942
[2] /Koalitionsvertrag-der-Ampel/!5817868
[3] /29-Euro-Ticket/!5951076
[4] /Verkehrswende--la-CDU-Berlin/!5958510
[5] /Sicherheitsgipfel-des-Berliner-Senats/!5959049
## AUTOREN
Rainer Rutz
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