# taz.de -- Team Jarasch, Giffey und Lederer: Kann das wirklich Liebe sein? | |
> Bei den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und Linker kommt es nicht | |
> nur auf Inhalte an, sondern auch auf die Chemie. Da gibt es ein paar | |
> Fragen. | |
Bild: Noch mit Lächeln: Statements nach der ersten Verhandlungsrunde | |
BERLIN taz | Die erste Hürde hat Rot-Grün-Rot genommen. Sieben Stunden | |
dauerte am Freitag die Auftaktrunde der Koalitionsverhandlungen – und | |
endete ohne Eklat. Das war 2011 noch anders. Damals ließ Klaus Wowereits | |
SPD die Verhandlungen mit den Grünen gleich am ersten Tag platzen. | |
Willkommener Anlass war ihm der Streit um die A100 gewesen. Den haben SPD, | |
Grüne und Linke in ihrem [1][Sondierungspapier] dieses Mal bereits | |
abgeräumt. | |
Dennoch geht es bei den Koalitionsgesprächen, die am Montag in den 16 | |
Arbeitsgruppen fortgesetzt werden, nicht nur um Inhalte, sondern auch um | |
die Frage: Können die miteinander? Mit ihrer frühen [2][Festlegung auf eine | |
Ampelkoalition] hatte sich Franziska Giffey weit vorgewagt – und am Ende | |
klein beigeben müssen. Nicht nur in der SPD stand deshalb die Frage im | |
Raum, ob die SPD-Spitzenkandidatin und designierte Regierende | |
Bürgermeisterin angeschlagen in die Gespräche mit Grünen und Linken geht. | |
Bei ihrer [3][Pressekonferenz am Freitagabend] haben alle drei Spitzenleute | |
die gute Atmosphäre gelobt. „Der Tag ist gut gelaufen“, sagte Giffey. Die | |
grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch betonte: „Der gute Geist zu Ende | |
der Sondierungen hat auch das erste Gespräch in den Koalitionsverhandlungen | |
geprägt.“ Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer schließlich meinte: „Die | |
Stimmung war super.“ Ziel sei es, sich auf Regierungsprogramm für die | |
nächsten fünf Jahren zu verständigen. Soweit die Pflicht. | |
## Kein Nicken und kein Lächeln | |
Die Kür dagegen enthielt auch andere Botschaften. Zwar setzten alle drei zu | |
Beginn der Statements ein professionelles Lächeln auf. Später aber blickte | |
Giffey bei den Redebeiträgen von Bettina Jarasch ostentativ gelangweilt auf | |
die Wand gegenüber. Keine Zuwendung zur Rednerin, kein Nicken, kein | |
Lächeln, nichts. | |
Eine ganz andere Körpersprache zeigte Giffey dagegen bei den Wortmeldungen | |
von Klaus Lederer. Sie lächelte, scherzte gar und war ihm nicht böse, als | |
er einen Satz von ihr einfach frech zu Ende formulierte. | |
## Duzen und siezen | |
Als Lederer nach einer Reporterfrage Giffey anschaute und fragte: „Soll ich | |
antworten?“, antwortete diese: „Mach doch!“ Giffey und der Kultursenator | |
scheinen also schon beim Du zu sein, Giffey und Jarasch sind es nicht. „Man | |
kann auch miteinander lachen, wenn man sich siezt“, sagte Bettina Jarasch. | |
Ein Kennenlernen seien die Sondierungsrunden gewesen, die den | |
Koalitionsverhandlungen vorausgegangen waren, betonte Linken-Mann Klaus | |
Lederer. Es ist vor allem Franziska Giffey, die Linke und Grüne noch | |
kennenlernen müssen. In der Landespolitik war die 43-Jährige bisher nicht | |
präsent. | |
Ihre Karriere in Neukölln verdankte Giffey der Protektion von Heinz | |
Buschkowsky. Zur SPD-Bundesministerin wurde sie von Brandenburgs | |
Ministerpräsident Dietmar Woidke gemacht – als Vertreterin des Ostens. | |
Kärrnerarbeit im Bezirk oder im Landesverband hat Giffey bislang nicht | |
leisten müssen. „Alles fiel ihr zu“, sagt eine Sozialdemokratin – und da… | |
schwingt auch ein Fragezeichen mit, ob sie die kommunikative und soziale | |
Kompetenz mitbringt, Konflikte zu moderieren. Manche bescheinigen ihr einen | |
„autoritären Führungsstil“. | |
Als „Blackbox“ wird Giffey mitunter bezeichnet; eine, von der man noch | |
nicht wisse, was ihr wahres Gesicht sein. Klaus Wowereit in seiner oft | |
überheblichen Art oder Michael Müller, der gerne in die Schmollecke ging, | |
kannten sowohl Linke als auch Grüne aus dem Abgeordnetenhaus. An Franziska | |
Giffey und ihren Führungsstil müssen sie sich nach den Wahlen am 26. | |
September erst gewöhnen. Und einiges spricht dafür, dass dieser | |
Gewöhnungsprozess noch lange nicht abgeschlossen ist. | |
## Habituelle Nähe | |
Kein Grund zur Sorge, heißt es allerdings bei den Grünen, die betonen, dass | |
die Gespräche mit Giffey bislang sehr professionell verlaufen seien. Dass | |
Giffey und Jarasch sich siezen, sei ein Beweis für diese Professionalität, | |
schließlich seien beide Kandidatinnen die Gewinnerinnen der Wahl am 26. | |
September gewesen. Und wohl auch immer noch Konkurrentinnen, schwingt da | |
mit. Darüber hinaus seien sich Sozialdemokraten und Linke schon immer | |
habituell näher gewesen als Sozialdemokraten und Grüne. | |
Wie sehr das SPD und Linken hilft, einen Kompromiss beim nicht ganz | |
einfachen Thema Bauen und Wohnen zu finden, wird sich ab diesem Montag | |
zeigen. Drei Wochen lang werden die 16 Facharbeitsgruppen Bausteine für den | |
Koalitionsvertrag formulieren – und dabei auch Priorisierungen vornehmen. | |
In den Koalitionsvertrag sollen nur die Vorhaben einfließen, die finanziert | |
werden können. | |
Den Vertrag selbst verhandeln dann die 24 Mitglieder der Dacharbeitsgruppe. | |
Bis Ende November soll die rot-grün-rote Koalitionsvereinbarung stehen. | |
Dann müssen die Parteitage darüber entscheiden. Die Linke hat ihren am 4. | |
Dezember vorgesehen, die SPD am 5. Dezember und die Grünen am 12. Dezember. | |
Die Linke plant außerdem einen Mitgliederentscheid. | |
Stimmen alle Parteien zu, könnte Giffey am 21. Dezember zur ersten | |
Regierenden Bürgermeisterin Berlins gewählt werden. „Unser Ziel ist, dass | |
die neue Landesregierung noch in diesem Jahr steht“, sagte sie am | |
Freitagabend. Sie sagte nicht, eine rot-rot-grüne Landesregierung. Das | |
Beispiel Wowereit vor zehn Jahren zeigt, das Koalitionsverhandlungen auch | |
scheitern können. Sie müssen es ja nicht immer gleich am ersten Tag tun. | |
24 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://bbu.de/themen/wohnungspolitik/?r=%2Freader%2Fajax%2F48228 | |
[2] /SPD-Berlin-und-die-Ampel/!5807904 | |
[3] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5810251 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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