| # taz.de -- Berliner Antidiskriminierungsgesetz: Das rassistische Muster | |
| > Bilanz nach einem Jahr Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG): Viele | |
| > Beschwerden betreffen die Polizei – doch die sieht oft kein Problem. | |
| Bild: Gedenken am Todestag von George Floyd am 25.5.21 auf dem Tempelhofer Feld… | |
| Berlin taz | In einer Hinsicht wirkt das Landesantidiskriminierungsgesetz | |
| (LADG) auf jeden Fall: Dass es ein Rassismusproblem gibt bei der Polizei, | |
| ist nun amtlich. In den Beschwerden von Bürger*innen über das Verhalten | |
| von Polizist*innen und im Umgang der Behörde damit „erkenne ich ein | |
| Muster“, sagte Doris Liebscher, Leiterin der zuständigen Ombudsstelle der | |
| Justizverwaltung, bei einer Veranstaltung des Mediendienstes Integration | |
| zum einjährigen Bestehen des Gesetzes am Dienstag. | |
| Und: „Ich würde mir wünschen, dass es mehr Auseinandersetzungen gibt mit | |
| den eigenen rassistischen Einstellungen.“ Insgesamt gab es seit | |
| Inkrafttreten des LADG im Juni 2020 laut Liebscher 315 Beschwerden wegen | |
| Diskriminierung durch eine öffentliche Stelle. Rassismus ist nach ihrer | |
| Darstellung das größte Problem, 111 Beschwerdeführer*innen hätten | |
| dies als Grund für die Diskriminierung genannt. | |
| Viele Beschwerden habe es zudem wegen Corona gegeben, etwa von Menschen, | |
| die sich wegen der Maskenpflicht diskriminiert fühlten. Die Polizei | |
| betrafen insgesamt 50 Beschwerden (12 Ereignisse lagen allerdings vor | |
| Inkrafttreten des Gesetzes), bei 21 davon ginge es um rassistische | |
| Diskriminierung. | |
| Eines der „Muster“, von denen Liebscher sprach, sieht nach ihrer | |
| Darstellung so aus: Zwei Polizist*innen kontrollieren einen | |
| nicht-weißen Menschen, eine* Kolleg*in diskriminiert, äfft zum Beispiel | |
| den Akzent nach oder fragt wiederholt nach, woher der oder die Betreffende | |
| „eigentlich“ komme. Dem anderen Kollegen/der anderen Kollegin ist das schon | |
| unangenehm, er/sie versucht zu beruhigen. Wenn die Ombudsstelle die Polizei | |
| mit so einer Beschwerde konfrontiere, so Liebscher, heiße es immer, das | |
| stimme nicht, es habe keine Diskriminierung gegeben. | |
| ## Weiß-Deutsche haben Bonus bei der Polizei | |
| Ähnliches sei es bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, so Liepscher: Es habe | |
| mehrere Fälle gegeben, wo „mehrheitsdeutsche“ Nachbarn die Polizei wegen | |
| Ruhestörung gerufen haben und diese den „Deutschen“ sehr schnell geglaubt | |
| haben, nicht aber der „nichtweißen“ Gegenseite. Letztere seien von den | |
| Beamt*innen „sehr schnell“ als laut und aggressiv dargestellt worden, | |
| „auch darin erkenne ich ein Muster“. | |
| Der Sprecher der Polizei, Thilo Cablitz, der bei der Online-Veranstaltung | |
| ebenfalls Bilanz zu einem Jahr LADG zog, wollte sich dazu nicht äußern, er | |
| kenne die Einzelfälle nicht. Er gab zu, dass es „Corpsgeist“ in der Polizei | |
| gebe, aber ebenso einen „Selbstreinigungseffekt“: Beamt*innen würden | |
| sich zunehmend dagegen stellen, wenn Kolleg*innen diskriminieren. | |
| Etwas überraschend erklärte Cablitz, die Berliner Polizei sei schon immer | |
| für das LADG gewesen. Die Kritik der Polizeigewerkschaft vor einem Jahr, | |
| das Gesetz bedeute eine „Beweislastumkehr“ und würde zu massenhaft | |
| ungerechtfertigten Beschwerden führen, habe man nie geteilt. Es sei gut für | |
| Betroffene, dass es nun eine externe Beschwerdemöglichkeit gebe, zudem sei | |
| das Gesetz nur eine „Konkretisierung bestehender Rechte: Was könnte man | |
| dagegen haben?“ | |
| Insgesamt wertete Liebscher das Gesetz als Erfolg. Die Zahlen zeigten, dass | |
| es „von der Berliner Stadtgesellschaft schnell angenommen wurde“. | |
| Betroffene hätten offenbar ein gesteigertes Bewusstsein für ihre Rechte, | |
| auch wegen der Black-Lifes-Matter-Debatte im vorigen Jahr. Für sie sei es | |
| wichtig, dass man in der Anlaufstelle „ihre Beschwerden ernst nehme“, dies | |
| sei nämlich oft nicht der Fall. Auch nicht bei der Zentralen | |
| Beschwerdestelle der Polizei, mit der man prinzipiell gut zusammenarbeite: | |
| „Wichtig wäre hier ein selbstkritischer Blick“, so Liebscher, auch mehr | |
| Fortbildungen könnten der Polizei nicht schaden, glaubt sie. | |
| Dass es bislang noch keine Klagen gibt auf Basis des Gesetzes, nannte die | |
| Juristin nach einem Jahr Gesetz „nicht unnormal“, zumal die Hürden dafür | |
| hoch seien, vor allem finanziell – auch wenn Betroffene von Verbänden | |
| unterstützt werden könnten. „Die Leute wollen nicht klagen, sie wollen eine | |
| Entschuldigung und Anerkennung des Unrechts.“ | |
| 8 Jun 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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