| # taz.de -- Ein Jahr LADG: „Wichtige Errungenschaft“ | |
| > Das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) trat vor einem Jahr in Kraft. | |
| > Verbände ziehen positive Bilanz und loben die Arbeit der Ombudsstelle. | |
| Bild: Auch gegen rassistische Polizeikontrollen soll das LADG theoretisch wirken | |
| Berlin taz | Exakt ein Jahr nach Inkrafttreten des | |
| Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) loben Berliner Verbände und | |
| Beratungsstellen das Gesetz als „wichtige Errungenschaft“. „Über 20 Proz… | |
| der Diskriminierungsfälle, die unsere Beratungsstellen erreichen, sind auf | |
| das Handeln staatlicher Behörden zurückzuführen, darunter Bezirks-, | |
| Bürger-, Standes- und Jugendämter, BVG, Polizei und öffentliche | |
| (Hoch-)Schulen“, heißt es in einer Pressemitteilung von 21 Verbänden und | |
| Antidiskriminierungsakteur*innen. Darunter befinden sich bekannte | |
| Verbände wie der Migrationsrat oder Amaro Foro, aber auch kleinere wie das | |
| Berliner Netzwerk gegen Diskriminierung in Schule und Kita (BeNeDiSK) oder | |
| die Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. | |
| Als „sehr gelungen“ loben die Verbände die von der Justizverwaltung | |
| eingerichtete Ombudsstelle, die als Anlaufstelle für Betroffene fungiert. | |
| Sie gehe „professionell und offen“ mit den Erfahrungen von Betroffenen um | |
| und arbeite „konstruktiv und fruchtbar“ mit den Initiativen und Verbänden | |
| zusammen. | |
| Am 21. Juni 2020 war – bundesweit einmalig – [1][das LADG in Kraft | |
| getreten]. Es verbietet Berliner Landesbehörden, Verwaltungen und | |
| landeseigenen Betrieben die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer | |
| Religion, ihrer ethnischen Herkunft, einer rassistischen oder | |
| antisemitischen Zuschreibung, des Geschlechts, einer Behinderung oder | |
| weiterer in Paragraf 2 des Gesetzes aufgezählter Merkmale. Nach den meisten | |
| dieser Merkmale darf schon laut Grundgesetz (Art. 3) nicht diskriminiert | |
| werden. | |
| Doch wie beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das | |
| Diskriminierungen im privatwirtschaftlichen Sektor, etwa bei der | |
| Wohnungsvergabe oder Dienstleistungen, verbietet, gibt erst die | |
| Ausformulierung in einem Gesetz Betroffenen einen einklagbaren | |
| Rechtsanspruch samt Entschädigungsmöglichkeit. | |
| ## Klagewelle ist ausgeblieben | |
| Das LADG sieht dafür zunächst die Ombudsstelle vor, die Beschwerden | |
| nachgehen und eine gütliche Einigung mit der betroffenen Behörde versuchen | |
| soll. Wie beim AGG sieht das Gesetz auch eine „erleichterte Beweispflicht“ | |
| vor. Das heißt, wenn der oder die Betroffene „Tatsachen glaubhaft macht“, | |
| dass eine Diskriminierung vorliegt, „obliegt es der öffentlichen Stelle, | |
| den Verstoß zu widerlegen“ (Paragraf 7). Kritiker hatten dies vorab als | |
| „Beweislastumkehr“ verunglimpft und behauptet, damit sei ungerechtfertigten | |
| Beschwerden, deren Bearbeitung viel Arbeitskraft binden würde, Tür und Tor | |
| geöffnet. | |
| Wie beim AGG habe sich dies auch beim LADG nicht bewahrheitet, erklärten | |
| die Initiativen, die befürchtete „Klagewelle“ sei ausgeblieben. Dies hatte | |
| auch die Leiterin der Ombudsstelle, Doris Liebscher, [2][in einer ersten | |
| Bilanz kürzlich festgestellt]. Bei ihr waren nach knapp einem Jahr rund 300 | |
| Beschwerden eingegangen. | |
| Die Initiativen stellen fest: „Wir beobachten, dass trotz eingeführter | |
| Beweislasterleichterung Diskriminierungen häufig subtil und unterschwellig | |
| wirken und schwer beweisbar sind. Aufgrund mangelnder Zeug*innen und | |
| Beweismaterialien werden Diskriminierungserfahrungen von Betroffenen | |
| abgestritten und die Anerkennung einer Diskriminierung bleibt, nicht | |
| zuletzt aufgrund eines fehlenden Diskriminierungsverständnisses, eine | |
| Herausforderung in den Beratungsprozessen.“ Auch Liebscher hatte erklärt, | |
| bei der Polizei etwa fehle, trotz Bemühungen, oft die Einsicht zur | |
| selbstkritischen Reflexion. | |
| Dennoch ist es bislang nicht zu einer nach dem Gesetz möglichen Klage | |
| gekommen. Zwar sieht das LADG ein Verbandsklagerecht vor, was eine | |
| Erleichterung für Einzelpersonen ist, dennoch blieben vor allem die | |
| finanziellen Risiken einer Klage hoch, so die Verbände. Sie fordern daher | |
| die Einrichtung eines Prozesskostenhilfsfonds. „Dies ist eine wichtige | |
| Voraussetzung, um die Rechte von Betroffenen geltend zu machen“, so Shemi | |
| Shabat, Projektleiter des Antidiskriminierungsnetzwerks Berlin. | |
| Allerdings hatte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) [3][im März im | |
| taz-Interview] erklärt, dass eine Erhöhung des Etats im Bereich | |
| Antidiskriminierung unrealistisch sei. | |
| 21 Jun 2021 | |
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| [1] /Berlins-neues-Antidiskriminierungsgesetz/!5688439 | |
| [2] /Berliner-Antidiskriminierungsgesetz/!5773242 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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