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# taz.de -- Ein Jahr LADG Berlin: Der Tiger braucht noch Zähne
> Vor einem Jahr hat sich Berlin ein Gesetz gegen Diskriminierung durch
> Behörden gegeben. Die Bilanz zeigt: Es gibt noch viel zu tun.
Bild: Polizeieinsatz im Görli, rechts Innensenator Andreas Geisel (SPD), links…
Wie misst man den Erfolg eines Gesetzes? Diese Frage drängt sich immer auf,
beim Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) ist sie besonders naheliegend.
Denn was sagen uns die Zahlen, die die Leiterin der Ombudsstelle, Doris
Liebscher, am Dienstag dieser Woche vorstellte? 315 Beschwerden von
Bürger*innen gab es seit Inkrafttreten des Gesetzes vor einem Jahr über
Diskriminierungen durch Mitarbeiter*innen von Landesbehörden, davon
betrafen 50 die Polizei, 111 drehten sich um Rassismus: Ist das nun viel
oder wenig? Zeigen die Zahlen, dass Berlins Behörden eigentlich ganz
ordentlich arbeiten – oder das Gegenteil?
Wie so oft ist das eine Frage der Perspektive. Polizeisprecher Thilo
Cablitz nannte die Fallzahlen „gering“ – wenn er auch pflichtschuldig
nachschob, dass „jede Beschwerde eine zu viel“ sei und das Dunkelfeld
gewiss hoch. Liebscher dagegen hat die Zahl der Beschwerden überrascht –
sie zeige, dass das Gesetz „schnell angenommen wurde von der
Stadtgesellschaft“. Sie brächte allerdings auch an den Tag, wer nicht
klage, so Liebscher: etwa Sinti und Roma, „obwohl sie mit am meisten
diskriminiert werden“.
Zudem wurde aus Liebschers Auswertung wenig überraschend deutlich, wo
Antidiskriminierungsarbeit am dringlichsten ist: bei der Polizei. Die
Behörde bemühe sich zwar sehr um Kooperation, lobte Liebscher, zugleich
hätte das erste Jahr aber auch gezeigt, dass es „Muster“ von
Diskriminierung gebe. Etwa, wenn Beamt*innen Mehrheitsdeutschen eher
glaubten als migrantischen Menschen – oder bei Diskriminierungen durch
Kolleg*innen aus falschem Corpsgeist alles abstritten.
Dass die Polizei nicht der einzige Problembereich ist, zeigt der neue
Monitoringbericht der Neuköllner Beratungsstelle Adas für
Diskriminierungsschutz an Schulen, der am Mittwoch vorgelegt wurde. 289
Hilfegesuche bekam Adas zwischen 2018 und 2020, überwiegend von
Schüler*innen, die sich von Lehrkräften diskriminiert fühlten. Auch hier
könnte das LADG künftig Wirkung zeigen – wenn es sich bei Schüler*innen
und Eltern herumspricht und sie den offiziellen Beschwerdeweg wagen.
Bis der so richtig zündet, müsste der Gesetzgeber aber wohl noch mal
nachlegen: Denn letztlich hilft bei uneinsichtigen Behörden nur der
Klageweg. Dafür können Betroffene zwar die Hilfe von
Antidiskriminierungsvereinen in Anspruch nehmen, doch auch die müssen die
Prozesskosten irgendwo hernehmen und werden sich das nur bei absoluten
Präzedenzfällen leisten können. Ohne Prozesskostenfonds könnte das Gesetz
daher doch ein zahnloser Tiger bleiben.
12 Jun 2021
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
LADG
Diskriminierung
Polizei Berlin
Racial Profiling
Polizei Berlin
Schwerpunkt Rassismus
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Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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