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# taz.de -- Diskriminierung bei BVG-Kontrollen: Die Frage nach der Verantwortung
> In der Antwort auf eine Anfrage der Grünenabgeordneten June Tomiak nimmt
> die BVG Stellung zu den Vorwürfen gegen KontrolleurInnen in ihrem
> Auftrag.
Bild: In der Bahn kontrolliert: Vorwürfe wegen Diskriminierung und Gewalt
Berlin taz | Im Zusammenhang mit schweren Vorwürfen von Diskriminierung und
Gewalt gegen Fahrgäste durch Kontrollpersonal hat sich nun die BVG
geäußert. Im Rahmen einer Antwort der Senatsverwaltung für Wirtschaft,
Energie und Betriebe auf eine parlamentarische Anfrage der
Grünenabgeordneten June Tomiak, die der taz vorliegt, nimmt der
landeseigene Betrieb ausführlich Stellung.
Den Vorwurf, dass Fahrschein-KontrolleurInnen im Auftrag der BVG regelmäßig
Fahrgäste aufgrund von ethnischer Zuschreibung, Alter oder Behinderung
diskriminierten und zum Teil sogar schwere körperliche Gewalt ausübten,
erhebt unter anderem die Initiative Black Womxn Matter Deutschland. [1][Wie
die taz berichtete], hatten drei Mitglieder eine Online-Petition mit dem
Titel „#BVGWeilWirUnsFürchten“ gestartet, die strukturelle Veränderungen …
Umgang mit der Problematik fordert. Bis dato wurde sie von ca. 33.500
Personen unterzeichnet.
Zu einem Fall, den die Initiative im Rahmen der Petition beschrieben hat,
äußert sich die BVG auf Anfrage von Tomiak konkret und stellt dabei den
Sachverhalt gänzlich anders dar. Die Betroffene selbst hatte berichtet,
dass ihr von den KontrolleurInnen, mit denen sie aus dem Bus steigen
musste, ein dringender Toilettengang verweigert wurde und sie gezwungen
war, ihre Notdurft zwischen parkenden Autos zu verrichten. Ein Kontrolleur
habe das auch noch abfällig kommentiert.
In der von der BVG geschilderten Version soll die Frau den KontrolleurInnen
keine Gelegenheit zur Reaktion auf ihre Bitte gegeben haben. Diese hätten
sie dann zumindest noch vor den Blicken Dritter abgeschirmt. Tomiak sagte
gegenüber der taz, es sei „mehr als fragwürdig“, wenn „schlicht die
Stellungnahme der Mitarbeiter*innen, um deren mutmaßliches Fehlverhalten es
geht, übernommen wird“ – und die Verkehrsbetriebe das als „objektive
Bewertung“ bezeichneten.
Diese Einordnung nimmt die BVG an anderer Stelle in der Antwort auf Tomiaks
Anfrage vor: Wenn sich die Wahrnehmungen von Kontrollsituationen
geundsätzlich unterschieden, erfolge „grundsätzlich eine objektive
Bewertung mit anschließender Entscheidung gemäß der Aussagen der
beteiligten Personen, der sich hieraus ergebenden Sachlage und – wenn
vorhanden – aufgrund noch vorhandener Videodaten“.
Besonders ärgert es die Grünenabgeordnete, dass die BVG solche Vorfälle
nach eigener Aussage von der Fachabteilung „Fahrausweiskontrollen und
Erhöhtes Beförderungsentgelt“ prüfen lasse. In der Vergangenheit sei bei
Diskriminierungsvorwürfen immer auf eine nicht näher benannte
„Fachabteilung“ verwiesen worden – die sei aber, wie sich nun herausstell…
keineswegs auf Antidiskriminierung spezialisiert. „Gerade für eine BVG, die
sich in der Öffentlichkeit, aber auch in der Antwort auf meine Anfragen
stets Anti-Diskriminierung auf die Fahnen schreibt, ist das beschämend“, so
Tomiak.
Die BVG wird in der Antwort der Senatsverwaltung auf Tomiaks Anfrage weiter
damit zitiert, dass bei „Fahrausweiskontrollen trotz größtmöglicher
Bereitschaft ihrer Personale [der KontrolleurInnen, d. Red.] zur
Deeskalation“ nicht immer gewährleistet werden könne, „dass die mit
Kontrollmaßnahmen einhergehenden Diskussionen harmonisch und in
gegenseitigem Verständnis beigelegt“ würden. „Hier sind nicht nur die
Kontroll-/ Sicherheitspersonale der BVG gefragt, sondern auch die
betroffenen Fahrgäste selbst.“
## „Gesamtes interkulturelles Spektrum“
Betont wird, dass die BVG gegen Diskriminierung eintrete und dies auch
vorlebe: „Auch bei den Mitarbeitenden ist das gesamte interkulturelle
Spektrum zu finden. Das Personal der BVG und deren Dienstleister ist
gleichermaßen in vielen Fällen dem Unverständnis, einhergehend mit
Beleidigungen und Beschimpfungen, von Fahrgästen ausgesetzt.“
Der taz sagte Tomiak, es bestürze sie besonders, wenn Betroffene von
negativen Erfahrungen berichteten, nachdem sie sich an die im vergangenen
Jahr auf Basis des Landes-Antidiskriminierungsgesetzes (LADG) eingerichtete
Ombudsstelle gewandt haben. Das war auch hier der Fall: Laut Tomiaks
Anfrage schuf eine erste Antwort der bei der Senatsjustizverwaltung
angesiedelten Ombudstelle eher mehr Verwirrung, die Betroffene habe dies
als unsensibel empfunden.
In der Antwort der Senatsverwaltung wird darauf „aus datenschutzrechtlichen
Gründen“ nicht konkret eingegangen. „Die Ombudsstelle sollte explizit ein
niedrigschwelliges Angebot darstellen, um Betroffenen schnell und
unkompliziert Hilfe anbieten zu können“, sagt Tomiak. „Ich wünsche mir,
dass die LADG-Ombudsstelle konstruktiv evaluiert, wie sie diesem Auftrag
gerecht wird.“
In Bezug auf einen zweiten konkreten Fall, bei dem laut Schilderung im
Rahmen der Petition ein Fahrgast von KontrolleurInnen anlasslos
zusammengeschlagen und schwer verletzt wurde, teilt die BVG laut
Senatsverwaltung mit, es gebe ein laufendes Ermittlungsverfahren, deshalb
könnten dazu keine Aussagen getroffen werden. Nach Angaben der Polizei
wurden nach dem Vorfall im vergangenen Dezember drei
Strafermittlungsverfahren eingeleitet: „wegen des Verdachts der
gefährlichen Körperverletzung und des Erschleichens von Leistungen“, wie es
in der Antwort auf Tomiaks Anfrage heißt.
## Verantwortung des Senats?
Abschließend hatte Tomiak die Frage gestellt, wie der Senat Verantwortung
in solchen Diskriminierungfällen übernehme. In der Antwort von
Staatssekretärin Barbro Dreher wird auf die individuelle strafrechtliche
Verantwortung derer verwiesen, die eine Tat begingen. Zudem seien
landeseigene Unternehmen als eigenständige Rechtssubjekte selbst für die
Einhaltung gesetzlicher Vorschriften verantwortlich.
Die Verantwortung dafür, „was in Landesbetrieben und durch diese passiert,
kann vom Land nicht einfach weggeschoben werden“, so Tomiak der taz. Der
Senat stehe „selbstverständlich weiterhin in der Pflicht, Missständen
nachzugehen, sogar gerade dann, wenn Aufgaben doppelt und dreifach durch
Subunternehmerstrukturen wegdelegiert werden“. Eine Verantwortungsübernahme
durch die BVG und ihre Aufsichtsgremien könne nur durch „konkrete
Veränderungen in der Praxis“ erreicht werden.
Derweil läuft nicht nur online, sondern auch im Abgeordnetenhaus eine
Petition von Black Womxn Matter Deutschland. Anna Helmy, Mitglied der
Initiative, sagte der taz, sie seien vom Sekretariat des
Petitionsausschusses gebeten worden, noch konkretere Fragen zu stellen.
Black Womxn Matter reichte nun einen detallierten, vierseitigen
Fragenkatalog nach. Darin geht es unter anderem um Zuständigkeiten, Abläufe
und Dokumentationspflichten innerhalb der BVG beim Umgang mit Beschwerden
wegen Diskriminierung, aber auch um Maßnahmen wie Schulungen in Bezug auf
die Diversitätsstrategie und Antidiskriminierungs-Bemühungen.
18 Mar 2021
## LINKS
[1] /Gewalt-durch-U-Bahn-Kontrolleure/!5756281
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
BVG
Alltagsrassismus
Polizei Berlin
Schwerpunkt Rassismus
BVG
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