# taz.de -- 100 Jahre Freistaat Bayern: Revolution heißt Ordnung | |
> Am 7. November 1918 wurde in München die Räterevolution verkündet. Damit | |
> wurde der Freistaat Bayern proklamiert. | |
Bild: Ruhig sieht München hier aus, aber vor 100 Jahren war Revolution angesagt | |
München, im November 2018. Die CSU bleibt an der Macht und [1][bildet die | |
neue bayerische Staatsregierung]. Sie regiert nun durchgehend seit 1957 und | |
stellt erneut den Ministerpräsidenten. Und doch ist etwas anders als | |
früher, denn die Volkspartei hat bei der Landtagswahl im Oktober Stimmen im | |
zweistelligen Prozentbereich verloren, [2][auch an die Grünen]. | |
Sie kann nun nicht mehr allein regieren. Außerdem ist Kurt Eisner | |
wiederauferstanden. Frisch aus der Haft entlassen, verschickt der | |
USP-Politiker, Journalist und Räterevolutionär seit zwei Wochen regelmäßig | |
Botschaften über WhatsApp und Insta. | |
Am 30. Oktober schreibt er: „Das ist Politik: Fordern, woran man glaubt! | |
Menschen begeistern und nicht aufgeben! Die Monarchie und das Kaisertum | |
müssen abgeschafft werden. Der Krieg muss endlich beendet werden – und | |
Deutschland muss seine Kriegsschuld eingestehen.“ | |
Geschichte in Echtzeit zu schildern ist das Ziel des Social-Media-Projekts | |
„Ich, Eisner! 100 Jahre Revolution in Bayern“, das seit Mitte Oktober läuft | |
und die Ereignisse der Räterevolution in München 1918/19 mit der Technik | |
von heute als Chronik aufbereitet. Das funktioniert prächtig: Mehr als | |
10.000 UserInnen [3][haben sich bereits registriert] und empfangen Eisners | |
Kurznachrichten. | |
## Die Revolution von damals mit der Technik von heute | |
Ins Leben gerufen wurde das Projekt von Eva Deinert und Matthias Leitner, | |
Mitarbeiter der Social-Media-Redaktion des Bayerischen Rundfunks. In ihrem | |
Redaktionsraum sieht es aus wie bei Profilern: An einer Pinnwand sind | |
Zitate von Eisner und Ereignisse der Räterevolution auf Post-it-Zetteln in | |
einen Wandkalender eingetragen: Fakten, Namen und Daten ergeben ein Mosaik | |
mit ungezählten Querverweisen: „Ich, Eisner! 100 Jahre Revolution in | |
Bayern“ läuft bis zum Februar 2019. Anschaulicher, zeitgemäßer kann | |
Vermittlung von Geschichte nicht sein. | |
Denn München hat vor 100 Jahren wahrlich Weltgeschichte geschrieben. | |
Ausgerechnet München! Am 7. November 1918 wurde in der bayerischen | |
Landeshauptstadt die Räterevolution verkündet und der Freistaat Bayern | |
proklamiert, auch heute noch der offizielle Titel des Bundeslands. Quasi | |
über Nacht wurde die alte Welt aus den Angeln gehoben. Das Königreich | |
Bayern wurde zur Volksrepublik Bayern. München ist Berlin um zwei Tage | |
voraus. | |
An der Isar brodelte es freilich lange vor 1918. Der Stadtteil Schwabing | |
war schon seit mindestens 1900 Inkubationsort für bedeutende kunstsinnige, | |
theoriebeschlagene und sonst wie lebensfrohe Schlawiner aus dem In- und | |
Ausland: Feministinnen und Anarchisten, Kohlrabi-Apostel und Dramatiker, | |
Malerinnen und Fotografinnen. Ihre progressiven Ideen, ihre politischen | |
Forderungen, die Räterevolution kann sie beileibe nicht alle verwirklichen. | |
## Viele in München tragen den Wunsch nach Frieden | |
Viele bedeutende Persönlichkeiten schaffen an diesem Ort und zu jener Zeit | |
Werke von bleibendem Weltruhm, wie etwa der Schriftsteller Rainer Maria | |
Rilke. Auch er ein Schwabinger Intellektueller, der im November 1918 | |
feststellt, die Zeit für eine Revolution sei so „reif, dass man sie sogar | |
mit den Händen formen“ könne. | |
Aus diesem Milieu kommt die junge Fotografin Germaine Krull, die sich nach | |
erfolgreicher Ausbildung an der staatlichen Fotografieschule in München | |
1917 als 22-Jährige selbstständig macht und ein Atelier in der Schwabinger | |
Hohenzollernstraße eröffnet: Von den sie umgebenden Künstlern wird sie | |
politisiert. | |
Zu ihren Bekannten zählen neben dem schon erwähnten Rilke auch die beiden | |
Soziologiestudenten Max Horkheimer und Friedrich Pollock. Eines ihrer | |
ersten Fotoporträts macht Krull von dem Journalisten, Politiker und | |
Räterevolutionär Kurt Eisner. | |
Wie viele andere Münchnerinnen und Münchner hegt Germaine Krull den | |
dringenden Wunsch nach Frieden. Daher geht sie am 7. November 1918 zu einer | |
Antikriegskundgebung am Denkmal der Bavaria auf der Theresienwiese. Die | |
sofortigen Waffenstillstandsverhandlungen zur Beendigung des Krieges, die | |
Kurt Eisner als Hauptredner fordert, ergeben für Krull und die anderen | |
kriegsmüden und ausgelaugten Demonstranten Sinn. | |
## Eisner wandert ins Gefängnis | |
Eisner, ein jüdischer Journalist, der 1907 aus Berlin nach München gekommen | |
war und zunächst für sozialdemokratische Zeitungen schrieb, hatte sich über | |
die Frage des Kriegseintritts 1914 von der SPD entfremdet und mit anderen | |
daher die radikalere Partei USP (Unabhängige Sozialdemokraten) gegründet. | |
Bereits 1917 schart Eisner in der Gaststätte „Goldener Anker“ nahe dem | |
Hauptbahnhof Gleichgesinnte wie den Schriftsteller Ernst Toller und | |
Germaine Krull um sich und agitiert pazifistisch. | |
Im Januar 1918 hat Eisner zusammen mit der jüdischen Aktivistin und | |
USP-Parteigenossin Sonja Lerch von dort einen Munitionsarbeiter-Streik | |
organisiert. Dafür wandern beide ins Gefängnis. Lerch wird am 29. März 1918 | |
in ihrer Zelle erhängt aufgefunden, die genauen Todesumstände sind | |
ungeklärt. Eisner sitzt bis Oktober 1918 hinter Gittern. | |
Am Abend des 7. November 1918 gibt es gegen Eisners Forderungen keinen | |
nennenswerten Widerstand mehr. Nach der von ihm geleiteten Kundgebung auf | |
der Theresienwiese strömen Tausende Demonstranten mit roten Fahnen in die | |
Straßen Münchens. Germaine Krull marschiert direkt hinter Eisner. Sie | |
stürmen die Kasernen und entwaffnen die Soldaten. Diesen werden die | |
Kokarden von den Uniformjacken gerissen, es bleibt ansonsten friedlich, | |
niemand stirbt. Viele Soldaten schließen sich den Räterevolutionären an. | |
Spät nachts am 7. November dringt noch eine Gruppe mit Eisner in den | |
Landtag ein, und dieser ernennt sich dort zum ersten bayerischen | |
Ministerpräsidenten. Spontan bildet sich auch ein Arbeiter- und Soldatenrat | |
(RAR), der bis Ende April 1919 die treibende Kraft der bayerischen | |
Räterevolution bleiben soll. | |
## Demokratische Grundregeln | |
Die wichtigsten Beschlüsse von Eisner und den Räten: Einführung des | |
Frauenwahlrechts, Festlegung des achtstündigen Arbeitstages, Verabschiedung | |
eines Betriebsrätegesetzes, das die Mitbestimmung in den Betrieben regelt, | |
Einführung einer gesetzlichen Kündigungsfrist, Ende des Kriegszensurrechts, | |
Abschaffung der Prügelstrafe in der Schule, Beendigung des Zölibats für | |
Lehrerinnen, Säkularisierung der Lehrpläne, Einrichtung eines Ministeriums | |
für soziale Fürsorge. | |
Von heute aus betrachtet sind dies demokratische bildungs- und | |
sozialpolitische Grundregeln. Heute mögen sie für selbstverständlich | |
erachtet werden. Doch sie wurden hart erkämpft, viele haben für diese | |
Errungenschaften mit dem Leben bezahlt. | |
Bis die Ereignisse der bayerischen Räterevolution als „hauchdünner | |
Traditionsfaden einer deutschen Republik“ bezeichnet wurden, sind | |
Jahrzehnte vergangen. Der Philosoph Jürgen Habermas formuliert dies in | |
seiner Studie „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ 1962 noch vorsichtig. | |
Damals waren die Ideen der Münchner Räterepublik verkannt, die handelnden | |
Personen fast alle tot, vergessen. In der Bundesrepublik waren rechte | |
Behauptungen über die Geschichte der Münchener Räterepublik noch lange | |
salonfähig. | |
Manche trugen immer noch die Propaganda der „Dolchstoßlegende“ weiter. Sie | |
besagte, die deutschen Armeen hätten an der Westfront im Ersten Weltkrieg | |
weiter kämpfen können, wenn nicht hinter ihrem Rücken in der Heimat im | |
November die Räterevolution vom Zaun gebrochen worden wäre. | |
## Die Abschaffung der Monarchie | |
Auch die Nazis haben die Niederlage des Militärs der Räterevolution | |
angelastet. Der 100. Jahrestag der Ereignisse vom 7. November 1918 in | |
München ist daher auch Anlass, auf den positiven Modernitätsschub durch die | |
Räterevolution hinzuweisen, der bis hinein in unsere demokratische | |
Gegenwart reicht. | |
Der Druck von der Straße sorgt am 7. November 1918 auch dafür, dass Ludwig | |
III. mit seiner Familie noch in der Nacht aus München flieht. Wenige Monate | |
zuvor, im Juli, hatte der bayerische König noch verkündet: „Volle | |
Zuversicht erfüllt mich beim Blick in die Zukunft.“ Am 7. November 1918 | |
endet diese Vorstellung jäh: die jahrhundertealte Herrschaft der | |
Wittelsbacher wird an diesem Abend sang- und klanglos gestürzt. | |
„Der 9. November 1918 und die Ereignisse brachten u. a. die Abschaffung der | |
Monarchie“, sagt Ludwig Spaenle. Der CSU-Politiker und ehemalige bayerische | |
Kultusminister hat bei der Landtagswahl sein Direktmandat in München an die | |
Grünen verloren. | |
Seinen Posten als Beauftragter seiner Partei „für jüdisches Leben und gegen | |
Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe“ wird er | |
behalten. Spaenle redet die Räterevolution nicht klein, wenngleich er | |
konstatiert, „eine bayerische Staatlichkeit beginnt bereits im späten 6. | |
Jahrhundert, nicht erst am 8. November 1918“. | |
## Die Räterevolution wird zerschlagen | |
Ministerpräsident Kurt Eisner wird wenige Wochen später, am 21. Februar | |
1919, von dem ultramonarchistischen Offizier Graf Arco erschossen. Eisner | |
befindet sich gerade auf dem Weg in den Landtag, wo er seinen Rücktritt | |
erklären wollte. Denn die USP hat die von Eisner anberaumten freien Wahlen | |
im Dezember 1918 verloren. Es gelingt nicht, eine tragfähige Regierung zu | |
installieren. | |
Nach Eisners Ermordung versinkt die Münchner Räterepublik zunehmend im | |
Chaos. Vonseiten der Linken kommt es etwa im April 1919 zur folgenschweren | |
Erschießung von zwölf Geiseln, allesamt Mitglieder der völkischen | |
Thule-Gesellschaft. Das bleibt zwar der einzige gewalttätige Willkürakt der | |
Räte, aber er führt dazu, dass die Gewalt von rechts ungehindert wütet. | |
Am 2. Mai 1919 wird die Räterevolution zerschlagen, die letzten Kämpfer | |
besiegt. Sogenannte Freikorps, paramilitärische Todesschwadronen, in Marsch | |
gesetzt vom SPD-Innenminister Gustav Noske in Berlin, kommen auch auf | |
Wunsch der bayerischen SPD nach Bayern. Allein in München werden von ihnen | |
mehr als 1.000 Menschen ermordet. Man spricht vom „weißen Terror“. | |
Anders als führende CSU-Politiker früherer Jahrzehnte kneift Ludwig Spaenle | |
nicht, wenn es um die geschichtliche Einordnung Kurt Eisners geht. Spaenle, | |
der die Gestalt Eisner „außergewöhnlich“ findet, sagt sogar explizit, er | |
habe nie verstanden, „warum man mit der Person Kurt Eisner nicht anders | |
umgeht und ein vernünftiges Gedenken gestattet“. | |
## Droht die Öko-Diktatur? | |
Erinnerungspolitisch zeigt sich Spaenle modern, aber wenn es um aktuelle | |
Politik und die Definition des Begriffs „bürgerliche Partei“ geht, bedient | |
Spaenle die alten Feindbilder, wie am Abend der Landtagswahl, als mehrere | |
CSU-Politiker davon gesprochen hatten, die Grünen seien keine bürgerliche | |
Partei. | |
„Im herkömmlichen Sprachgebrauch sind die bürgerlichen Parteien das, was | |
klassischerweise rechts der SPD verortet war, also der Liberalismus und | |
das, was man bis jetzt das konservativ-bürgerliche Lager nennt.“ Immerhin | |
räumt Spaenle ein, dass sich durch die Landtagswahl und das gute | |
Abschneiden der Grünen in Bayern „die Dinge nachvollziehbar verändert“ | |
hätten. Er selbst kommt zum Interview mit dem Fahrrad. | |
Wie ideologisch auch heute noch um die historische Wahrheit von 1918/19 | |
gerungen wird, erfährt man im Gespräch mit dem bayerischen | |
Oppositionspolitiker Sepp Dürr (Grüne). Der Landtagsabgeordnete und | |
Biobauer erzählt die Anekdote, wie er anlässlich der | |
Bundespräsidentenversammlung 2012 zusammen mit Hubert Aiwanger nach Berlin | |
gereist war. | |
Aiwanger, [4][Vorsitzender der Freien Wähler], ebenfalls Landwirt, wird mit | |
seiner Partei nun die sogenannte „Bayern-Regierung“ mit der CSU bilden. In | |
der Vergangenheit warnte Aiwanger öfters vor einer angeblich drohenden | |
„Öko-Diktatur“. Auf die Frage, was passieren müsste, damit die Freien | |
Wähler einmal mit den Grünen eine Koalition bilden würden, entgegnete | |
Aiwanger Sepp Dürr 2012: „Keine Neuauflage der Räterevolution!“ | |
## Antisemitismus zur Zeit der Räterevolution | |
Sepp Dürr kontert mit einem Zitat von Hannah Arendt: „‚Revolution bedeutet | |
Ordnung schaffen.‘ In Bayern war das der Fall, dass Eisner und die Seinen | |
einen Staat geschaffen haben.“ Auch zur gegenwärtigen Lage gibt Dürr | |
Auskunft. Trotz des hervorragenden Abschneidens der Grünen treibt ihn etwas | |
anderes mehr um: die aktuelle Zusammensetzung des bayerischen Landtags, in | |
den zum ersten Mal die AfD eingezogen ist. | |
Zeitgleich zum Gespräch mit Dürr kommen Mitarbeiter der AfD-Fraktion in den | |
bayerischen Landtag und begutachten ihre neue Wirkungsstätte im | |
Maximilianeum. Manche von ihnen pflegen enge Verbindungen zu rechtsextremen | |
Kreisen und propagieren ganz offen völkisches Gedankengut. | |
Antisemitismus gab es bereits zu Zeiten der Räterevolution 1918. Eisner und | |
seine Getreuen wurden in den Zeitungen häufig als „artfremde“ und | |
„landfremde Subjekte“ bezeichnet oder gar als Teil der | |
„bolschewistisch-jüdischen Weltverschwörung“, nicht zuletzt als | |
sexbesessene Monster, die angeblich Frauen vergewaltigen. | |
„1918 war ein Sieg der westlichen Ideen in Deutschland“, sagt der | |
Historiker Thomas Stamm-Kuhlmann, der an der Universität Greifswald lehrt. | |
„Deswegen sollten wir nicht nachträglich zu Opfern der NS-Geschichtspolitik | |
werden, indem wir diesen Sieg der westlichen Ideen vergessen. Hitler wollte | |
dieses Datum des November 1918 symbolisch ausradieren, das hat er schon in | |
‚Mein Kampf‘ geäußert.“ | |
## Hitler spitzelte für die Polizei | |
Stamm-Kuhlmann wünscht sich, dass den räterevolutionären Ereignissen des | |
November 1918 ein stärkeres erinnerungspolitisches Gewicht zuteilwird. Er | |
will damit nicht die notwendige Erinnerung an den Hitler-Putsch in München | |
vom 9. November 1923 und an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 | |
tilgen. Er möchte lediglich erreichen, „dass Kausalitäten wieder besser | |
nachvollzogen werden können“. | |
Auch Hitler hat sich im Künstlermilieu von Schwabing bewegt, dort völkische | |
und antisemitische Ideen aufgesogen, die genauso kursierten wie die | |
progressiven Ideen der Linken. Während der Räterevolution hat Hitler für | |
die Polizei und das Militär in München Spitzeldienste geleistet. | |
Fast 100 Jahre hat es gedauert, nun steht im Waldfriedhof im Münchner | |
Stadtteil Hadern seit 2017 ein Denkmal für den pazifistischen jüdischen | |
Anarchisten und Räterevolutionär Gustav Landauer. Landauer, der zahlreiche | |
theoretische Schriften zum Anarchismus verfasste, aber auch mit seiner Frau | |
Hedwig Lachmann Werke von Oscar Wilde und Walt Whitman erstmals ins | |
Deutsche übertrug, kommt auf ausdrücklichen Wunsch von Kurt Eisner Mitte | |
November 1918 nach München und wird sogleich zum Volksbeauftragten für | |
Volksaufklärung und Bildung ernannt. | |
Seine libertäre und atheistische Gesinnung ist bei den Rechten besonders | |
verhasst. Am 2. Mai 1919 wird Landauer brutal von Freikorps-Schergen | |
misshandelt und im Gefängnis Stadelheim erschlagen. Die Mörder werden dafür | |
nie zur Rechenschaft gezogen. | |
## Germaine Krull wird ausgewiesen | |
Der Münchner Stadtrat, der sich maßgeblich für die Errichtung des Denkmals | |
eingesetzt hat, ist Thomas Ranft, Teil der FDP-Fraktion im Münchner | |
Rathaus, in den Neunzigern auch Landtagsabgeordneter. „Ich bin durchaus | |
Gerechtigkeitsfanatiker“, erklärt der Linksliberale. „Der Mord an Landauer | |
war abscheulich. Mit dem Denkmal will ich ihm wieder zur Würde verhelfen.“ | |
Der Antrag zum Denkmal wurde auf FDP-Initiative hin direkt vom Münchner | |
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in den Ältestenrat eingebracht und | |
dort einstimmig beschlossen. Hernach wandte sich allerdings ein | |
CSU-Mitglied an die FDP: Seit wann machen sich Liberale für Anarchisten | |
stark? Irgendwie beruhigend: Im Waldfriedhof steht das Landauer-Denkmal in | |
Rufweite zu den Gräbern vom CSU-Ministerpräsidenten Alfons Goppel und dem | |
ersten CSU-Ministerpräsidenten Hans Ehard. | |
Germaine Krull hat die Münchner Räterevolution übrigens überlebt. Da sie in | |
ihrem Atelier im April 1919 zwei Spartakisten versteckt hielt, wird sie | |
1920 auf Geheiß des berüchtigten Polizeipräsidenten Ernst Pöhner aus Bayern | |
ausgewiesen. Sie reist nach Moskau, fotografiert beim dritten Weltkongress | |
der Kommunistischen Internationale, verstößt aber bald gegen die | |
leninistische Parteilinie und gilt als feindliche Agentin. | |
1922 kehrt sie der jungen Sowjetunion den Rücken und baut sich in Berlin | |
ein neues Leben auf. Dort, etwas später in Amsterdam und im Paris der | |
späten zwanziger Jahre, entwickelt sich Krull zur gefeierten | |
Fotokünstlerin, die maßgeblich die ästhetische Bildsprache des „Neuen | |
Sehens“ geprägt hat. Während des Zweiten Weltkriegs lebt sie in Südamerika | |
und Afrika. Germaine Krull stirbt 1985 hochbetagt in Wetzlar. Die Münchner | |
Pinakothek der Moderne hat ihr im Frühjahr 2018 eine große Ausstellung | |
gewidmet. | |
5 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Koalitions-Vertrag-in-Bayern-steht/!5547918 | |
[2] /Bayerische-Landtagswahlen/!5538023 | |
[3] https://www.br.de/extra/webspecials/kurt-eisner-revolution-bayern-whatsapp-… | |
[4] /Freie-Waehler-bei-der-Wahl-in-Bayern/!5537633 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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