| # taz.de -- Sparpolitik in Berlin: Das Geld liegt auf der Straße | |
| > Sparen, sparen, sparen ist das Credo des Berliner Senats. Doch man könnte | |
| > auch die Einnahmen erhöhen. Bei Autofahrer*innen ist viel zu holen. | |
| Bild: Autos wird viel Platz eingeräumt, zur Kasse gebeten werden Autofahrer*in… | |
| Berlin taz | Nach der Sommerpause geht es in der Hauptstadt los mit den | |
| Haushaltsverhandlungen – und es sieht nicht gut aus für das soziale Berlin. | |
| Zwar sieht der über 40 Milliarden Euro schwere [1][Entwurf des Senats für | |
| 2026/27], der Mitte Dezember vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden soll, | |
| mehrere Milliarden Mehrausgaben vor. Die sind allerdings zu großen Teilen | |
| für die gestiegenen Personalkosten vorgesehen. Abgesehen davon gab | |
| Finanzsenator Stefan Evers (CDU) die Vorgabe aus: „Wir werden alle weiter | |
| sparen müssen.“ | |
| Und das wird – wie immer in klammen Zeiten – wohl vor allem im | |
| Sozialbereich geschehen. Aber auch bei Bildung, Kultur, Klimaschutz und der | |
| Verkehrswende soll gekürzt werden, als handelte es sich dabei bloß um ein | |
| nice to have. Das neue Bündnis soziales Berlin ruft daher für den Beginn | |
| der Haushaltsberatungen Anfang September zu [2][Protesten gegen den | |
| sozialen Kahlschlag] auf. | |
| Doch was soll man machen, wenn kein Geld da ist? Greif mal einem nackten | |
| Mann in die Tasche, [3][wie Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) so (un)schön | |
| sagt]. Doch ist Berlin wirklich so nackt? Und wenn ja, muss das so sein? | |
| Zumindest in Bondes Verantwortungsbereich wird das Geld quasi auf der | |
| Straße liegen gelassen. Denn das Geld von Autofahrer*innen wollen CDU | |
| und SPD bislang nicht, obwohl diese Minderheit [4][massiv viel Fläche | |
| beansprucht]. „Dem Autofahrer an die Tasche zu gehen, ist schwer | |
| vermittelbar“, weiß auch die verkehrspolitische Sprecherin der | |
| Grünen-Fraktion, Antje Kapek. | |
| ## Anwohnerparken könnte sich verzehnfachen | |
| Zumindest bei den Parkgebühren kippt die Stimmung aber langsam. Das | |
| Unverständnis, in Zeiten knapper Kassen gerade einmal 10,20 Euro – pro | |
| Jahr, nicht pro Monat – für einen Anwohner*innenparkausweis zu | |
| verlangen, was nicht einmal die Verwaltungskosten deckt, hat mittlerweile | |
| auch die Verkehrssenatorin erreicht. Sie könne sich eine Verzehnfachung des | |
| Preises vorstellen, sagte sie dem Tagesspiegel. | |
| Mit den angepeilten 80 bis 120 Euro im Jahr wäre Berlin derweil im | |
| Bundesvergleich immer noch Schlusslicht. Würde sich der Senat ein Beispiel | |
| am Grünen-regierten [5][Spitzenreiter Bonn] nehmen, wo | |
| Anwohner*innenparken 360 Euro pro Jahr kostet, könnte es jährlich | |
| [6][mehr als 75 Millionen Euro einnehmen] – statt wie derzeit 2,5. Für die | |
| Berliner*innen wären das immer noch weniger als ein Euro pro Tag für | |
| die Privatisierung von durchschnittlich zwölf Quadratmetern Verkehrsfläche | |
| für 1,4 Tonnen umweltschädliches Blech. | |
| Aber das ist unpopulär, die Autolobby ist stark und Hunderttausende | |
| Autofahrer*innen sind Hunderttausende potenzielle Wähler*innenstimmen. | |
| Selbst in der Linken ist das Thema umstritten, die Grünen sprechen sich | |
| zwar für eine Erhöhung aus, nennen aber keine Zahlen, die SPD fordert | |
| immerhin 160 Euro. | |
| ## Parkraumbewirtschaftung bringt Millionen | |
| Noch mehr Geld könnte Berlin einnehmen, wenn es – wie viele andere Städte �… | |
| [7][für alle Parkplätze Geld verlangen würde]. „Wir brauchen mehr | |
| Parkraumbewirtschaftung“, sagt der Linken-Abgeordnete Kristian Ronneburg | |
| zur taz. Denn bisher gibt es die fast nur innerhalb des S-Bahn-Rings und | |
| selbst da nicht flächendeckend. Einen Plan, das zu ändern, gibt es längst. | |
| Doch weil Bonde auch hier kürzt, statt zu investieren, geht es nicht voran. | |
| Dabei lohnt sich das doppelt und dreifach: Laut den bezirklichen | |
| Haushaltsplänen nimmt Mitte, als einziger Bezirk mit flächendeckender | |
| Parkraumbewirtschaftung, jährlich rund 19 Millionen Euro mit Parkscheinen | |
| ein. In anderen Bezirken liegen die Einnahmen, wenn überhaupt, im unteren | |
| einstelligen Millionen-Bereich, teilweise sind es auch nur wenige | |
| Hunderttausend. Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Reinickendorf und | |
| Treptow-Köpenick verzichten gänzlich auf Parkgebühren – wobei in drei der | |
| vier genannten Bezirke ein*e CDU-Politiker*in das Sagen hat. | |
| Dabei ist die Parkraumbewirtschaftung nicht nur finanziell von Vorteil. | |
| „Gerade am Stadtrand wäre das wichtig, weil dort die Anwohner*innen | |
| darunter leiden, dass Pendler*innen aus Brandenburg vor ihrer Haustür | |
| parken“, sagt die Grünen-Abgeordnete Kapek. | |
| Der Senat könnte die Bewirtschaftung anordnen, weil er das aber nicht tut, | |
| sind die Bezirke zuständig. Und dort steht eben entweder die | |
| Auto-Partei-CDU auf der Bremse oder es fehlen die [8][Mittel für | |
| Parkscheinautomaten und Kontrollen] – deren Kosten sich in kurzer Zeit | |
| wieder reinholen lassen. | |
| ## Elf Prozent der Bußgelder werden nicht geahndet | |
| Weniger kontrovers als Parkgebühren ist es, diejenigen zur Kasse zu bitten, | |
| die mit ihrem rücksichtslosen Verhalten eine Gefahr für andere | |
| Verkehrsteilnehmer*innen darstellen. Und das sind gar nicht mal so | |
| wenige: Wie die Senatsinnenverwaltung auf taz-Anfrage mitteilt, gab es im | |
| vergangenen Jahr rund 3,8 Millionen Anzeigen wegen Verkehrsverstößen. 2,7 | |
| Millionen davon betreffen neben fehlende Plaketten Falschparker*innen. Das | |
| klingt harmlos, kann aber für Radfahrer*innen auch lebensgefährlich | |
| enden. | |
| 850.000 Anzeigen betrafen [9][Geschwindigkeitsübertretungen], 24.000 Fahren | |
| über Rot. In diesem Jahr gingen bis Ende Juli bereits 2,4 Millionen | |
| Anzeigen ein, setzt sich der Trend fort, wären das bis Jahresende über vier | |
| Millionen. Das ist schlecht für die Sicherheit der Berliner*innen, aber gut | |
| für die Landeskasse. Sollte man meinen. Jedoch wurden etwa 430.000 dieser | |
| Anzeigen nicht geahndet. Elf Prozent der Bußgelder gingen Berlin durch die | |
| Lappen. In diesem Jahr waren es bis Ende Juli bereits 270.000. | |
| Ein Grund dafür ist laut Kapek fehlendes Personal in der Bußgeldstelle. Ein | |
| weiteres Problem ist, dass die Verantwortlichen oft nicht ermittelt werden | |
| können. Hier könne eine Halterhaftung helfen, so die Verkehrspolitikerin. | |
| Hinzu kommt die kurze Verjährungsfrist von nur drei Monaten. 46.000 | |
| Anzeigen fielen so unter den Tisch. | |
| „Es kann nicht sein, dass Bußgelder verfallen, weil die Behörde nicht | |
| hinterherkommt“, findet der Linke-Abgeordnete Ronneburg. Er fordert mehr | |
| Personal und eine bessere Digitalisierung. Denn eigentlich müsste die | |
| Behörde noch mehr arbeiten: „Es gibt viel zu wenige Kontrollstellen“, so | |
| der Verkehrsexperte. Auch, weil unter Schwarz-Rot [10][nicht mehr in mobile | |
| Blitzer investiert werde]. Dabei lohne sich das schon nach kurzer Zeit. | |
| Auch bei den regelmäßigen Blitzermarathons der anderen Bundesländer nimmt | |
| Berlin nicht mehr teil. Ronneburg sagt: „Das ist fahrlässig, sowohl in | |
| Bezug auf die Einnahmen als auch die Verkehrssicherheit.“ | |
| 17 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Berliner-Landeshaushalt-2026-und-2027/!6098969 | |
| [2] https://buendnissoziales.berlin/ | |
| [3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/standig-ausfalle-und-verspatungen-was-tu… | |
| [4] /Verkehrswende-in-Berlin/!6031168 | |
| [5] https://www.adac.de/verkehr/recht/verkehrsvorschriften-deutschland/anwohner… | |
| [6] /Parkgebuehren-in-Berlin/!6064116 | |
| [7] /Recht-auf-Stadt/!5902129 | |
| [8] /Personalmangel-in-Berlins-Ordnungsaemtern/!6103725 | |
| [9] /Autoverkehr-in-Berlin/!6065585 | |
| [10] /Berlin-kauft-keine-neuen-Blitzer/!6083780 | |
| ## AUTOREN | |
| Marie Frank | |
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