# taz.de -- Migrationspläne von Union und SPD: Restriktiver geht es immer | |
> Die Union hat in den Koalitionsverhandlungen zahlreiche Verschärfungen in | |
> der Asylpolitik durchgesetzt. Bei den Sozialdemokraten gibt es Kritik. | |
Bild: Der Bundeskanzler in spe kann zufrieden sein mit den Ergebnissen der Koal… | |
Berlin taz | Stück für Stück wurden am Mittwoch die Ergebnisse der | |
Arbeitsgruppen öffentlich, [1][in denen Union und SPD ihren | |
Koalitionsvertrag vorbereiten]. Ein Blick in den Bericht der AG Innen, | |
Recht, Migration und Integration zeigt, dass in der Migrationspolitik | |
massive Verschärfungen anstehen. Die SPD stemmt sich nur noch gegen die | |
radikalsten Pläne der Union. | |
Beschlossen ist etwa, dass Asylbewerber*innen an den deutschen Grenzen | |
zurückgewiesen werden sollen. Das verstößt gegen Europarecht, auch wenn die | |
Rückweisungen „in Abstimmung“ mit Nachbarstaaten stattfinden sollen, wie es | |
im Papier heißt. Ohnehin ist unklar, was genau die Formulierung bedeutet. | |
Ebenfalls geeinigt haben sich [2][Union] und [3][SPD] darauf, dass | |
Geflüchtete mit subsidiärem Schutz ihre Familie in den nächsten zwei Jahren | |
nicht herholen dürfen. Auch die Einstufung weiterer sicherer | |
Herkunftsländer ist Konsens, etwa der Maghreb-Staaten oder Indien. Darüber | |
soll die Bundesregierung künftig ohne Bundestag und Bundesrat entscheiden | |
dürfen. Wer aus so eingestuften Ländern kommt, erhält fast nie Asyl in | |
Deutschland. | |
Abschiebungen nach Afghanistan sollen weiterlaufen, die nach Syrien wieder | |
aufgenommen werden, „beginnend mit Straftätern“ – es dürfte bald also a… | |
Unbescholtene treffen. Auch das Aufnahmeprogramm für afghanische | |
Menschenrechtler*innen wird beendet. Und der gerade erst eingeführte | |
Rechtsbeistand für Abzuschiebende wird wieder gestrichen. | |
## Worüber noch gestritten wird | |
Uneinig sind sich SPD und Union dagegen bei der Frage, ob Asylverfahren in | |
Drittstaaten ausgelagert werden. Die Union ist dafür und will, dass | |
Geflüchtete selbst bei positiven Asylentscheiden dort bleiben. Ohnehin gibt | |
es aber Zweifel, ob das Modell umsetzbar ist. | |
Auch bei der grundlegenden Funktionsweise der Asylverfahren gibt es | |
Dissens. Die Union möchte im Gegensatz zur SPD den Amtsermittlungsgrundsatz | |
aufheben, der die Behörden verpflichtet, Infos zu beschaffen. Stattdessen | |
sollen die Geflüchteten selbst Beweise liefern, dass ihnen im Herkunftsland | |
Gefahr droht. Das wäre in vielen Fällen wohl unmöglich. | |
Beim Staatsbürgerrecht fordert die Union zwar nicht mehr, die Reform von | |
2024 zurückzunehmen. Sie will aber Doppelstaatsbürger den deutschen Pass | |
entziehen, wenn sie „Terrorunterstützer, Antisemiten und Extremisten“ sind. | |
Die SPD ist dagegen, genauso wie gegen leichtere Ausweisungen von | |
Ausländer*innen. | |
Außerdem lehnt die SPD die Forderung ab, Zeit im humanitären Aufenthalt | |
nicht mehr bei der Einbürgerung zu berücksichtigen. Geflüchtete | |
Ukrainer*innen könnten sich dann etwa nicht nach den fünf Jahren | |
Aufenthalt in Deutschland einbürgern lassen, die dafür sonst nötig sind. | |
Streit gibt schließlich es auch noch bei den Möglichkeiten für Geduldete, | |
einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Während die SPD dafür das | |
Chancenaufenthaltsrecht verlängern will, ist die Union für dessen Ende. | |
## Kritik innerhalb und außerhalb der SPD | |
All das erregt nicht nur außerhalb der SPD Unmut, auch parteiintern gibt es | |
Kritik. Aziz Bozkurt, Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt der | |
SPD, sagte der taz: „Das ist hinten und vorne nicht in Ordnung.“ Auch viele | |
der bereits geeinten Punkte seien rechtlich mindestens schwierig, das | |
Ergebnispapier werde „mit jedem Lesen schlimmer“. Die Union überrolle die | |
SPD: „Es sind schon sehr wenige rote Textpassagen.“ Rot markiert sind in | |
dem Dokument die Forderungen der SPD, mit denen die Union bislang nicht | |
einverstanden ist. | |
Die Rückweisungen an der Grenze findet Bozkurt nicht nur prinzipiell | |
falsch, er beklagt auch, dass sich die Koalitionäre weiter offen lassen, | |
was „in Abstimmung mit den Nachbarstaaten“ genau bedeuten soll. Bozkurt: | |
„Das muss jetzt geklärt werden.“ Zu den von der Union geforderten | |
Asylverfahren in Drittstaaten sagt er: „Sollte auch nur eine Prüfung am | |
Ende im Koalitionsvertrag stehen, wäre das ein nächster Sündenfall für die | |
SPD.“ | |
Er verweist auch darauf, dass solche Pläne laut Expert*innen kaum | |
umsetzbar sind. Laut Medienberichten ist auch das noch SPD-geführte | |
Bundesinnenministerium in einem internen Prüfverfahren zu diesem Schluss | |
gekommen. Allerdings wird der Bericht unter Verschluss gehalten. | |
Die Opposition im Bundestag ist ohnehin entsetzt von den Plänen von Union | |
und SPD. Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat sagte der taz: „Ich kann nur an | |
SPD und Union appellieren, dass sie ihren Kompass für Menschlichkeit nicht | |
gänzlich loslassen.“ Zu den Staatsbürgerschafts-Plänen sagte Polat: „SPD | |
und Union laufen Gefahr, das Misstrauen gegenüber eingewanderten Menschen | |
zu verschärfen.“ | |
Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger sagte: „Mit der neuen Koalition droht | |
in der Migrationspolitik eine humanitäre Eiszeit.“ Die SPD solle „sich an | |
ihre Grundsätze erinnern und die absolut maßlosen Forderungen der Union | |
klar zurückweisen, statt sich von ihr über den Tisch ziehen zu lassen“. | |
Druck auf die Sozialdemokrat*innen macht auch die | |
Pro-Asyl-Rechtsexpertin Wiebke Judith. Sie sagte: „Die SPD muss sich klar | |
gegen den Irrweg stellen, Asylverfahren auszulagern.“ Denn: „Solche | |
Versuche führen zu viel Leid, sind extrem teuer und meist zum Scheitern | |
verurteilt.“ | |
Und auch 13 Bundesdachverbände von Migrant*innenorganisationen | |
positionierten sich am Mittwoch gegen die Pläne von Union und SPD. In einem | |
offenen Brief forderten sie: „Keine Verschärfung des Asylrechts, beim | |
Chancenaufenthaltsgesetz und beim Familiennachzug sowie keine Verschärfung | |
des Staatsangehörigkeitsrechts.“ Sie forderten außerdem eine bessere | |
Einbindung von migrantischen Menschen in politische Entscheidungen, mehr | |
Personen mit Migrationshintergrund im Kabinett und einen nationalen | |
Aktionsplan gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung. | |
26 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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