# taz.de -- Rechtsruck in Deutschland: Das Dorf der Unbeugsamen | |
> Ganz Mecklenburg-Vorpommern wählt die AfD … ganz Mecklenburg? Nein! In | |
> einem Dorf gewinnt die SPD die Bundestagswahl. Eine Spurensuche in Kieve. | |
Bild: Seit 2014 setzt sich Christine Jantzen als Bürgermeisterin von Kieve fü… | |
Kieve taz | Am [1][Frauentag] scheitert Christine Jantzen heute zum siebten | |
oder achten Mal. Sie steht in purpurner Cordjacke und -hose auf der | |
Holzbühne des Gemeindezentrums in Kieve, vor ihr ein Raum voller | |
Seidenschals und Softshelljacken. „Frauenrechte sind heute wichtiger denn | |
je, zumal es nicht nur in den USA, sondern auch im eigenen Land immer mehr | |
Leute gibt, die uns lieber am Herd sehen wollen“, sagt sie. Neben ihr steht | |
ein Telefon, Requisite für das Theaterstück, das gleich folgt. Aber erst | |
Jantzen: „Darum will ich anstoßen auf die Solidarität unter Frauen.“ Kurz | |
ist Stille, dann Gemurmel, ein Mann brummt „Was?“, einige rufen: „Prost!�… | |
Jantzen nimmt die drei Stufen von der Bühne herunter. Dann klingelt das | |
Telefon, ein Mann platzt von hinten in den Raum, Hose in den Kniekehlen, | |
stolpert an den Reihen vorbei auf die Bühne und nimmt das Telefon ab – zu | |
spät. Hollywood hat schon aufgelegt. | |
In den folgenden 60 Minuten wartet Thomas Rudnick als Frank Czerwinski auf | |
den Anruf aus Hollywood, mit Witzen über Flüchtlinge und Nazis. Das | |
Publikum, vor allem Frauen über 60, lacht großzügig, eine Zuschauerin in | |
Reihe sieben lallt gelegentlich Pöbeleien und schenkt sich dabei | |
Rotkäppchen-Sekt ein. Danach sagt Jantzen, dass sie den Frauentag nicht | |
noch mal organisiert: Politisch solle es sein, nicht so belanglos. Aber das | |
sage sie jedes Jahr. | |
Jantzen ist Bürgermeisterin von Kieve, einem Dorf mit 140 | |
Einwohner*innen in Mecklenburg-Vorpommern, direkt an der Grenze zu | |
Brandenburg. Ihre Gemeinde ist die einzige in Ostdeutschland, in der die | |
SPD bei der [2][Bundestagswahl 2025] stärkste Kraft wurde, 2021 war es ein | |
einsamer grüner Fleck auf den Wahlkarten. Damals stimmten noch 5 | |
Kiever*innen für die AfD, dieses Mal kam sie auf 17 Stimmen, nur eine | |
weniger als die SPD „und 17 zu viel“, sagt Jantzen. | |
Aber im Nachbardorf Buchholz kam die AfD auf 46 Prozent, in Melz auf 42, in | |
Eldetal auf 44. Kieve ist eines von drei Dörfern in Mecklenburg-Vorpommern, | |
in denen die AfD nicht stärkste Kraft wurde. | |
Was ist hier los? | |
Christine Jantzen beschreibt das Dorf gern in Dritteln: Ein Drittel | |
Ureinwohner*innen, ein Drittel Berliner*innen und ein Drittel Diverse – | |
Leute wie sie, die aus der Region nach Kieve gezogen sind. Die 56-Jährige | |
wurde in Röbel geboren, ist 1997 nach Kieve gezogen, um in der Nähe auf dem | |
Ferienhof einer Freundin zu arbeiten. Jantzen erzählt das im | |
Gemeindezentrum des Dorfes, das im August neu eröffnet wurde. Sie hat | |
Fördermittel eingeworben, die Kiever*innen haben Schubkarren geschoben | |
und alte Tapeten abgekratzt. Auf den neuen Dielen sieht man schon schwarze | |
Streifen: Abdrücke von Tanzenden, letztes Wochenende wurde hier Geburtstag | |
gefeiert. | |
In vier Stunden wird Jantzen auf die Bühne steigen und ihre Rede halten. | |
„Ein Albtraum“ sei Frauentag für sie in Kieve, ein so bedeutender Tag und | |
„die Leute wollen eigentlich so eine DDR-Feier, ein bisschen bedient | |
werden, der Mann am besten noch mit Schürze“. | |
Jedes Jahr habe sie etwas anderes probiert: ein Quiz veranstaltet, aus | |
Büchern der DDR-Schriftstellerin Maxie Wander vorgelesen. Nichts davon kam | |
an. „Ich weiß, dass man da scheitern kann und dann macht man wieder was | |
Neues“, sagt sie. „Und ich mag die Leute auch alle.“ | |
Bürgermeisterin sei sie nur geworden, weil 2014 niemand anderes antreten | |
wollte – dann wäre Kieve zwangseingemeindet worden. „Wir wussten ganz | |
genau: Wenn wir jetzt eingemeindet werden mit Wredenhagen, hätten die | |
natürlich das Geld genommen für die Hühnerfarmen hier. Aber verwendet | |
hätten die das sicher nicht für Kieve. Und den Gedanken hab ich nicht gut | |
ertragen.“ | |
Seitdem Jantzen Bürgermeisterin ist, sticht Kieve aus den Wahlkarten | |
heraus: Bei der Bundestagswahl 2017 wählten vier Kiever*innen AfD, zwei | |
mehr als noch 2013. Aber in Melz verdreifachte sich die Zahl damals, in | |
Buchholz wählten achtmal so viel Menschen AfD. | |
## Zugezogene verändern Kieve | |
Fragt man die Ur-Kiever*innen woran das liegt, sagen sie meist: am Zufall. | |
Es seien halt viele Berliner*innen hergezogen. Die wählen nun mal, wie | |
man in Berlin so wählt. Überhaupt seien die merkwürdig: Vor einiger Zeit | |
gab es Streit, weil die Städter*innen so gern auf dem Badesteg am nahen | |
See ein Handtuch ausbreiteten, sich hinlegten, Kaffee tranken. Die | |
Ur-Kiever*innen meinten, ein Steg sei zum Ins-Wasser-Springen da und die | |
Berliner*innen im Weg. | |
Probleme macht auch der Fuchs: Die Berliner*innen freuen sich über ein | |
bisschen Wildnis, die Ur-Kiever*innen haben Angst um ihre Hühner. Und dass | |
man auf dem Dorf den Bürgersteig selbst fegt und nicht die Straßenreinigung | |
kommt, das musste man denen auch erst mal beibringen. | |
„Früher“, sagt eine Kieverin, „hat man halt auf der LPG gearbeitet, da h… | |
man sich kennengelernt. Mit den Berlinern dauert das viel länger.“ | |
In dieser Hinsicht ist Kieve ein Dorf wie viele andere in Brandenburg und | |
Mecklenburg: Die Jungen ziehen weg, die Alten bleiben. Der Bus kommt | |
zweimal am Tag, am Wochenende gar nicht. Die Gaststätte ist geschlossen, | |
weil die Pächterin krank ist. Friseur, Arzt, Sparkasse gibt es im Ort | |
längst nicht mehr, generell hat Kieve selbst kaum Arbeitsplätze, anders als | |
früher, als viele in der Landwirtschaft auf der LPG, der | |
Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, gearbeitet haben. Die | |
Zugezogenen sind meist eher Ältere, junge Familien gibt es eine Handvoll. | |
In der Gemeindevertretung, früher dominiert von den Ureinwohner*innen, | |
sitzen heute vor allem Zugezogene. Die Ur-Kiever*innen sehen nicht nur, wie | |
sich ihr Dorf verändert. Sie können auch immer weniger dagegen tun. | |
Es gibt in Kieve jene, die diese Veränderung radikal ablehnen, sie sind im | |
Dorf bekannt. Einige von ihnen wollen nicht mit der Presse reden, sich | |
jedenfalls nicht zur AfD bekennen. | |
Jörg Blüschke schon. | |
Blüschke wohnt seit 35 Jahren in Kieve, seine Frau Regina Geinitz ist | |
Ur-Kieverin. „Es gibt zu viele Zugezogene hier im Dorf“, sagt er, „der | |
Zusammenhalt verschlechtert sich seit 15 Jahren.“ Wohl fühle er sich nur, | |
wenn er alleine spazieren gehe oder mal einen Einheimischen treffe – aber | |
von denen gebe es ja kaum noch welche. Das schwache AfD-Ergebnis in Kieve | |
sei „die Schande Ostdeutschlands“, man traue sich in anderen Gegenden ja | |
kaum noch zu sagen, wo man herkommt. Auch daran seien die Neuen schuld. | |
Aber in Kieve haben mehr als 80 Prozent demokratische Parteien gewählt, aus | |
Berlin zugezogen ist nur ein Drittel. Und auch andere Dörfer in der | |
Umgebung haben viele Zugezogene, die Hauptstadt ist nur anderthalb Stunden | |
mit dem Auto entfernt. | |
Irgendwas muss doch anders sein in Kieve. Umfrage also im Dorf, zuerst bei | |
Heiko Ihde, Ur-Kiever, die Ihdes sind einer der alten Kiever Namen: Auf dem | |
Gedenkstein für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs vor der Dorfkirche | |
steht ganz oben ein Wilhelm Ihde und ganz unten auch. | |
## Klare Bestreben nicht rechts zu werden in Kieve | |
Heiko Ihde hat gar nicht gewählt. Er musste arbeiten, Fahrdienst fürs DRK. | |
Ihde wohnt am Ortseingang, von der Straße sieht man im Garten eine große | |
Hansa-Rostock-Flagge wehen. Es ist Samstagabend, im Fernseher läuft die | |
Sportschau. Ihdes Vater war Kraftfahrer für die LPG, die Mutter arbeitete | |
im Forst, so wie die meisten Kiever*innen damals. „Ich muss mich | |
manchmal beherrschen, bei den Leuten zu klingeln und nicht wie als Kind | |
einfach durch die Hintertür reinzugehen“, erzählt er. Jedes Haus im Dorf | |
kenne er von innen. | |
Die AfD ist Ihde „viel zu radikal“, Kieve „schön durchmischt“. Die | |
Berliner*innen passten sich an, und wenn es mal ein Problem gibt, dann | |
komme das auf den Tisch. „Das Zusammenleben kenne ich von anderen Dörfern | |
so nicht“, sagt er. „Da hat Frau Jantzen viel Anteil dran, sie macht | |
jedenfalls mal was.“ Manchmal frage er sich, ob die ganzen Aktionen und | |
Projekte alle sein müssen. „Aber das ist ihre Sache.“ | |
Drei Fußminuten entfernt wohnt Nikolaus Pellnitz. Er kommt aus Berlin und | |
wohnt erst seit einem Jahr in Kieve, aber seine Partnerin Anne war | |
jahrelang Mitglied der Gemeindevertretung. Er hat Links gewählt, um eine | |
linke Opposition im Bundestag zu sichern. Jantzen habe „ein | |
Integrationsanliegen“, fördere im Dorf Offenheit gegenüber Neuen. Aber das | |
heiße nicht, dass in Kieve anders über Politik gesprochen wird als | |
anderswo. „Vielleicht brechen die Zugezogenen die dörfliche | |
Bestätigungsblase ein bisschen auf“, sagt er. | |
Im Schaukasten des Dorfes hängt neben der Ankündigung des Frauentag-Events | |
und dem Pilz des Jahres 2024 (dem Schopf-Tintling) ein laminiertes | |
A4-Blatt: „SOS“, steht darauf, „Sensibilität im Umgang mit fremden Ängs… | |
Offenheit für abweichende Positionen, Sorgfalt beim Formulieren der eigenen | |
Ansichten“, unten in der Ecke ein Hinweis auf die Urheberin: die Autorin | |
Juli Zeh. | |
Direkt neben Ihde wohnt Anja Heydenreich, pastellblaues Haus, pastellblauer | |
Mantel, hat SPD gewählt. Die Architektin kommt aus Röbel und ist vor 18 | |
Jahren mit ihrem Mann nach Kieve gezogen, als sie ihren ersten Sohn | |
bekommen haben. Sie luden sofort zur Einweihungsfeier ein, dann zum Public | |
Viewing im Garten. Sie hat die Kategorie „Diverse“ erfunden für die | |
Zugezogenen aus der Region. Heydenreich organisiert ein Theaterprojekt, das | |
am Sonntag vorgestellt wird, gerade ist sie auf dem Weg zur | |
Frauentagsveranstaltung. Sie erklärt die Schwäche der AfD im Dorf so: „Wir | |
versuchen unser Bestes, nicht rechts zu sein.“ | |
Vielleicht ist es das, was Kieve besonders macht. In Zepkow, zehn Kilometer | |
entfernt, haben 60 Prozent die AfD gewählt. Dort seien die Rechten | |
verbandelt, erzählt Heydenreich, und machten Gemeindearbeit, aber eben auf | |
rechts. In Kieve stecken Jantzen, sie und einige andere „punktuell viel | |
Energie in die Gemeinde“, sagt Heydenreich. Mit dem klaren Bestreben, nicht | |
rechts zu sein. Die ganzen Stimmen für die Grünen 2021, meint Jantzen, hat | |
die Partei auch dem Kiever Polder zu verdanken. | |
Der Kiever Polder ist ein wiedervernässtes Moor, über das Jantzen | |
regelmäßig Vorträge für Ornitholog*innen hält. Silberreiher stehen | |
dort im Gestrüpp, ein hohler Betonzylinder ragt aus dem seichten Wasser. In | |
der DDR wurde das Moor trockengelegt, für die LPG. Das Land | |
Mecklenburg-Vorpommern ließ es ab 2012 wiedervernässen, [3][wollte knapp | |
15.000 Tonnen CO2 einsparen]. Bei der letzten Messung, 2019, waren es | |
[4][schon 40.000 Tonnen]. „Aber wo es für mich interessant wurde“, erzählt | |
Jantzen, „waren die anderen Auswirkungen, die das Moor auf das Dorf hat.“ | |
Die Kinder hätten jetzt einen Ort zum Schlittschuhlaufen, zum Beispiel, | |
weil das Moor viel schneller zufriert als der nahe See. Und die | |
Kirchenältesten – fünf Prozent des Moores sind in Besitz der Kirche – war… | |
plötzlich offen für Umweltschutz. | |
„Auf einmal kam der Stolz: Habt ihr das gesehen, die Silberreiher und so“, | |
erinnert sich Jantzen. Den Moment habe sie genutzt und gefragt, wie | |
eigentlich die anderen 180 Hektar Kirchenland bewirtschaftet werden. „Dann | |
haben wir uns fast zwei Jahre lang damit beschäftigt und einen neuen | |
Pachtvertrag erarbeitet, der ein Leuchtturm in der Nordkirche war. Mit | |
Glyphosat-Verbot, Fünffach-Fruchtfolge, Winterzwischenfrucht und so | |
weiter.“ Davon hätten sie auch die Landwirte überzeugt, nachdem sie sich | |
von Expert*innen beraten ließen: „Wir sind mit den Landwirten ins | |
Gespräch gegangen. Wir haben ihnen erklärt, warum. Das war’s schon.“ | |
Umweltschutz war für viele Kiever*innen in dieser Zeit ein wichtiges | |
Thema. | |
In Kieve mit seinen 140 Einwohner*innen kann Jantzen tatsächlich mit | |
jedem reden. Das geht schon bei größeren Gemeinden nicht mehr. Bürgerräte | |
könnten helfen, sagt sie, und mehr Verantwortung für die lokalen Gremien: | |
„Jedes Dorf hat eigene Ansprüche, eigene Kapazitäten, eigene Probleme. Und | |
dann sitzt irgendwo in Schwerin oder Berlin einer und denkt, er weiß, wie | |
es geht. Das funktioniert eben nicht.“ | |
Aktuell will Jantzen ein Nahwärmenetz fürs Dorf anlegen. Dafür hat sie | |
mehrmals das gesamte Dorf eingeladen, so lange mit allen gesprochen, dass | |
fast alle dafür waren. Am 26. März findet auf Jantzens Initiative hin ein | |
Grundsteuer-Gipfel im Landkreis statt, „weil ich gesagt habe, wir müssen | |
die Leute mit dem Frust da wenigstens hören und versuchen zu erklären“, | |
sagt sie. „Sonst kommt die AfD und sagt, die da müssen weg, wir machen | |
alles besser.“ Die Ängste der Leute ernst nehmen, sie nicht allein lassen, | |
zum Perspektivwechsel ermuntern: „Das versucht kaum einer, aber es macht | |
ganz viel.“ Und viel Feiern natürlich, viel Tanzen, das verbinde. | |
## An altee Gewohnheiten festhalten | |
Trotzdem bleibt da der Zweifel. Bei Jörg Mondschein zum Beispiel, | |
Gemeinderatsmitglied und einem der Diversen. Geboren in Sachsen-Anhalt, mit | |
14 nach Röbel gezogen, Klassenkamerad von Jantzen. Seine Frau Anja ist seit | |
Mitte der Achtziger mit Jantzen befreundet, „immer kurze Haare, schwarzes | |
Motorrad, Nickelbrille“, erinnert sie sich. Jörg Mondschein ist einer von | |
denen, der sagt: der Zufall, die Berliner*innen. „Dass die Dorfgemeinschaft | |
gut ist, kann sein, aber ob das so einen Einfluss hat?“ | |
„Das ist kein Zufall“, sagt Judith Campbell bestimmt. Sie sitzt am | |
Sonntagmorgen im Innenhof von Auguste Opfermann, Goldschmiedin, Berlinerin. | |
Opfermann hat sie und noch eine andere Freundin zum Frühstück eingeladen. | |
Auf dem Tischchen stehen getöpferte Kaffeetassen, warme Milch gibt es aus | |
dem Kochtopf. Campbell ist Neuseeländerin, wechselt ab und zu ins | |
Englische. Sie hat während der Pandemie in Kieve gewohnt, jetzt ist sie | |
wieder viel unterwegs, für die Vereinten Nationen. Campbell berät | |
Regierungen und NGOs dabei, wie Gesellschaften Wandel bewältigen können. | |
Auch für Ostdeutschland ist das eine große Herausforderung. | |
Viele Wünsche seien nach der Wiedervereinigung enttäuscht worden, sagt | |
Campbell. „Die Leute haben sich machtlos gefühlt.“ Irgendwann breche das | |
aus, außer die Menschen würden beteiligt. Etwas, wofür Christine Jantzen | |
ein intuitives Verständnis habe: „Ihre Lebensaufgabe ist es, den Osten zum | |
Funktionieren zu bringen.“ | |
Jantzen halte an alten Gewohnheiten fest, am Erntefest, am [5][Subbotnik, | |
einem gemeinsamen, unbezahlten Arbeitseinsatz]. „Das ist verlässlich“, sagt | |
Campbell. Wenn es so viele unterschiedliche Interessen, Bedürfnisse und | |
Alltage gebe wie in Kieve, müsse man einen Weg finden, Menschen | |
zusammenzubringen. Jantzen schaffe das, immer wieder: mit dem Polder, dem | |
Gemeindezentrum. | |
Dort stehen die Tische am Sonntagnachmittag in einem großen Rechteck, | |
Judith Campbell mustert die Inhaltsangabe der Bärenmarke-Kondensmilch. 30 | |
Kiever*innen sind zur Vorstellung des Theaterprojekts „Miteinander | |
reden“ gekommen, das von der Bundeszentrale für politische Bildung | |
gefördert wird. | |
„Die Idee dahinter ist, dass wir unsere Geschichten auf die Bühne bringen“, | |
erklärt Heydenreich den Kiever*innen, „mal die Perspektive der anderen | |
einnehmen.“ Der Fuchs könnte eine gute Geschichte sein, der Badesteg, die | |
Vorgärten. „Wir wissen nicht, ob’s funktioniert“, sagt Jantzen auf der | |
Bühne, „ob wir ein Thema finden.“ Da öffnet sich die Tür, ein älterer H… | |
tritt ein. Jantzen erkennt ihn, zeigt auf eine ältere Dame im grünen | |
Blazer, „deine Frau hat dir einen Platz freigehalten, Klaus“, und fährt | |
fort: „Versuchen ist das Wichtigste! Es gibt keine Erfolgspflicht.“ | |
Unbeschwert sagt sie das, Sorgen macht Jantzen sich trotzdem. | |
„Ich habe teilweise echte Angst. 1933 ist genau in solchen Dörfern wie | |
diesem der Pastor oder Lehrer oder Bürgermeister aufgeknüpft worden, weil | |
die anders ticken.“ Ihr Mann und sie hätten auch ans Aufgeben gedacht. Aber | |
da habe er, „ein ganz kluger Kopf“, gesagt, wenn einer freiwillig geht, | |
wird die Position von den Rechten besetzt. „Und dann hab ich gedacht, okay, | |
er hat recht. Kampflos überlassen wir denen nicht das Feld.“ | |
Im Theaterstück jedenfalls soll es um die Vorgärten gehen: Einigen im Dorf | |
sind sie zu wild. Anderen zu steril. | |
23 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Das-Leben-einer-Frau/!t6072453 | |
[2] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2025/!t5007549 | |
[3] /Studie-zur-Wiedervernaessung-von-Mooren/!5975058 | |
[4] https://www.moorfutures-mv.de/projekte/polder_kieve/ | |
[5] /Interview/!5185820 | |
## AUTOREN | |
Jonas Waack | |
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