# taz.de -- Syrische Ärzte in Deutschland: Sie werden dringend gebraucht | |
> Über 6.000 syrische Ärzt:innen arbeiten in Deutschland. Mit dem Sturz | |
> des Assad-Regimes wächst die Sorge der Krankenhäuser, dass sie | |
> zurückkehren. Ein Ortsbesuch. | |
Bild: Der Kardiologe Ibrahim Al Shaar im Krankenhaus in Neuruppin, Brandenburg | |
Ja, wenn die Syrer weg sind, können die hier zumachen“, scherzt Oberarzt | |
Ibrahim Al Shaar im Kontrollraum der Kardiologie im Universitätsklinikum | |
Ruppin-Brandenburg. Der Ort wirkt wie eine medizinische Raumstation. | |
Insgesamt zehn Bildschirme strahlen einem entgegen, diverse Geräte rauschen | |
permanent im Hintergrund. Auf einem der Monitore ist die Nahaufnahme eines | |
Herzens zu sehen: eine dunkelgraue runde Masse, durchzogen von schwarzen | |
Äderchen. | |
Seit vier Jahren arbeitet der Kardiologe Al Shaar in der Klinik in | |
Neuruppin, seit dreizehn Jahren lebt er in Deutschland. Eigentlich, so sagt | |
er, wollte er nur zwei oder drei Jahre für eine Weiterbildung bleiben – bis | |
der Krieg in Syrien „vorbei“ ist. Dann hat es doch dreizehn Jahre gedauert. | |
[1][Ob er seit dem Sturz des Assad-Regimes] überlegt, zurückzukehren? | |
„Nein, ich bin zu alt, um mein Leben noch mal zu ändern. Und meine Kinder | |
kennen nur Deutschland“, sagt der Mann im grünen OP-Kittel bestimmt. | |
Aus dem Kontrollraum blickt man direkt in einen grell beleuchteten | |
Operationssaal. Dort liegt eine ältere Frau auf einem OP-Tisch. Sie hatte | |
einen Herzinfarkt, soll gleich einen Stent eingesetzt bekommen, damit ihr | |
Blut wieder besser durch ihr Herz fließt. „Können Sie sich vielleicht | |
woanders hinsetzen, die Patientin übergibt sich gerade“, ruft eine andere | |
Ärztin nach ein paar Minuten aus dem Hintergrund. Das Gespräch wird auf | |
später verlegt. Al Shaar muss sich um die Patientin kümmern, noch schnell | |
einen Herzschrittmacher bei einem anderen Patienten einsetzen, einen | |
Katheter legen, dann hat er wieder Zeit. | |
In Deutschland arbeiten über 6.000 syrische Ärzt:innen, die größte Gruppe | |
an ausländischen Medizinern. Mit der Machtübernahme der islamistischen | |
Miliz HTS Anfang Dezember wurde Syrien aus der jahrzehntelangen Diktatur | |
unter Baschar al-Assad befreit. Seither ist eine gewisse Stabilität in dem | |
Land erreicht. [2][Die von der HTS angeführte Übergangsregierung gibt sich | |
gemäßigt], sie will sich nach eigenen Angaben für die Inklusion aller | |
Bevölkerungsgruppen einsetzen. Freie Wahlen sollen aber erst in vier Jahren | |
stattfinden. | |
## Syrische Menschen sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft | |
Die veränderte politische Lage entfachte auch eine Diskussion in | |
Deutschland. Kein Tag war vergangen, da forderte etwa der CDU-Politiker | |
Jens Spahn ein Startgeld von 1.000 Euro, mit dem Syrer:innen in ihr | |
Heimatland zurückkehren könnten. Einen Monat später verkündete | |
Innenministerin Nancy Faser (SPD), den Schutzstatus von syrischen | |
Geflüchteten neu zu prüfen, alle Asylverfahren wurden vorerst ausgesetzt. | |
All jene, die nicht arbeiten oder in Ausbildung sind, sollen zurückkehren. | |
In dem Diskurs wird oft vergessen, wie viele syrische Menschen sich | |
mittlerweile ein Leben in Deutschland aufgebaut haben. Und was für ein | |
wichtiger Teil der Gesellschaft sie geworden sind. Knapp 80.000 | |
Syrer:innen arbeiten in Engpassberufen, also in Bereichen, in denen | |
Stellen schwer nachzubesetzen sind. Sie helfen somit, dem Fachkräftemangel | |
in Deutschland zu begegnen. | |
Besonders im Gesundheitswesen werden sie gebraucht. Laut einer Studie des | |
Instituts der deutschen Wirtschaft vom Dezember letzten Jahres sind in der | |
Gesundheits- und Krankenpflege 2.157 syrische Fachkräfte beschäftigt. In | |
diesem Bereich bleiben sieben von zehn Stellen unbesetzt. Laut der | |
Krankenhausgesellschaft fehlen deutschlandweit derzeit mindestens 5.000 | |
Vollzeitstellen im ärztlichen Bereich. „Angesichts des Fachkräftemangels | |
ist es naiv und unverantwortlich, dringend benötigte Fachkräfte auch noch | |
mit Prämien und kostenlosen Flügen zur Rückkehr zu animieren“, sagt Gerald | |
Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft. | |
## Die Meisten haben die deutsche Staatsbürgerschaft | |
[3][Man kann zudem davon ausgehen, dass die Anzahl an Ärzt:innen mit | |
syrischer Migrationsgeschichte] weitaus höher ist. Denn viele haben | |
mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Syrische Gesellschaft für | |
Ärzte und Apotheker in Deutschland e. V. (Sygaad) geht davon aus, dass | |
insgesamt etwa 10.000 Ärzt:innen mit syrischer Migrationsgeschichte in | |
Deutschland arbeiten. | |
Auch Al Shaar ist inzwischen deutscher Staatsbürger. Berlin, das ist seine | |
neue Heimat geworden. Dort lebt er mit seiner Frau und ihren drei Kindern. | |
Mit seinen drei besten Freunden aus Syrien trifft er sich regelmäßig zum | |
Kartenspielen, auch sie sind seit einigen Jahren in Deutschland. Seine | |
Eltern sind noch in Syrien, jedes Jahr kommen seine vier Geschwister und er | |
in Damaskus zusammen. | |
Sein Bruder wohnt noch dort, seine drei Schwestern in Dubai und den USA. | |
Anders als Syrer:innen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus konnte er | |
jedes Jahr in sein Heimatland fahren. Wenn man Al Shaar nach der Lage in | |
Syrien fragt, dann wirkt er nicht besonders euphorisch. „Die Wirtschaft ist | |
kaputt und niemand weiß, wie sich das Land entwickelt“, sagt er. Eine | |
Rückkehr, das kommt für ihn derzeit nicht infrage. | |
Seit dem Sturz von Assad sorgen sich viele Krankenhäuser in Deutschland, | |
dass ihnen das Personal wegbricht. Vor allem im ländlichen Raum und in | |
Ostdeutschland befürchten Kliniken Versorgungsengpässe. „Würden viele | |
syrische Ärzte Deutschland verlassen, wären längere Wartelisten, mehr | |
verschobene OPs, mehr Überstunden und vieles mehr die Folge“, sagt Gaß. | |
## 23 syrische Ärzte arbeiten in der Klinik in Neuruppin | |
Auch Alexander Lottis war sofort alarmiert, als er von den Nachrichten aus | |
Syrien erfuhr. Der Geschäftsführer der Klinik in Neuruppin sitzt gerade in | |
einem Besprechungsraum in einem der über ein Dutzend Backsteingebäude der | |
Klinikanlage. „Ich kann auf syrische Angestellte nicht verzichten“, sagt er | |
entschieden. Insgesamt 23 syrische Ärzte arbeiten an der Klinik, zwei | |
Syrerinnen in der Pflege. Es sei allgemein schwierig, Arztstellen in einer | |
strukturschwachen Region wie Ostprignitz-Ruppin neu zu besetzen. | |
Im Dezember ließ Lottis deshalb sofort erheben, wie viele Angestellte aus | |
Syrien in der Klinik arbeiten und ob diese mit dem Gedanken spielen, | |
zurückzukehren. Bisher sei die Rückmeldung, dass die meisten erst einmal | |
abwarten wollen. „Wir sind froh, dass wir bisher noch keine einzige | |
Kündigung erhalten haben“, sagt er. | |
Was der Geschäftsführer davon hält, dass Deutschland gerade darüber | |
diskutiert, syrische Geflüchtete zurückzuschicken, anstatt über deren | |
Bedeutung für den Arbeitsmarkt zu sprechen? Der Frage weicht er aus. Für | |
seine Klinik seien ausländische Arbeitskräfte unverzichtbar, er würde | |
niemandem Geld geben, seine Klinik zu verlassen, betont er erneut. | |
Samer Matar von Sygaad findet klarere Worte. Der Syrer arbeitet selbst als | |
Arzt in Leipzig. „Wir werden nur als Arbeitskräfte gesehen, nicht als | |
Menschen mit Schicksalen“, sagt er. Er wünsche sich mehr Empathie in der | |
deutschen Debatte. Es irritiert ihn, dass syrische Menschen in den Medien | |
lediglich als Last und als Kriminelle dargestellt werden. Das bekommen auch | |
seine Kollegen zu spüren. Vor allem in Ostdeutschland berichten sie immer | |
wieder von rassistischen Äußerungen von Patienten. „Einige wollen nur von | |
einem biodeutschen Arzt behandelt werden.“ Das würde in vielen Fällen | |
bedeuten, dass sie länger auf eine Behandlung warten müssen. | |
## Für Al Shaar ist die Stimmung im Land wenig überraschend | |
Bei der Landtagswahl im September hat die AfD in Brandenburg 29,2 Prozent | |
der Stimmen bekommen, in Neuruppin stimmten 26 Prozent für die vom | |
Landesverfassungsgericht beobachtete Partei. Deren Spitzenkandidat für die | |
Bundestagswahl, Götz Frömming, fordert lautstark Abschiebungen, kritisiert | |
Containersiedlungen für Geflüchtete im ländlichen Raum. Was bekommt Al | |
Shaar von den Ressentiments gegen Migrant:innen zu spüren? | |
„Ich habe schon das Gefühl, dass sich die Stimmung in den letzten Jahren | |
verändert hat“, sagt er. Für ihn ist das wenig überraschend. Geht es der | |
Wirtschaft in einem Land schlecht, dann wird eben nach unten getreten. Die | |
Ausländer seien die ersten Opfer. In seinem Arbeitsalltag bekommt er von | |
dieser Stimmung aber wenig mit. Die meisten Patient:innen seien sehr | |
herzlich und dankbar. | |
Als Kardiologe wird man schnell zum Helden. Erst heute Morgen hat er einem | |
älteren Herrn einen Herzschrittmacher eingesetzt, der Mann konnte kaum | |
laufen, nach der Operation fühlte er sich sofort besser. „Das liebe ich an | |
der Kardiologie, du hast sofort Effekte“, sagt Al Shaar. | |
Etwas weniger dramatisch geht es in der Geriatrie zu. In der Station sind | |
vor allem Menschen über 65, die an alterstypischen Erkrankungen leiden. | |
Dort herrscht mittags reges Treiben. Krankenpfleger laufen mit | |
Essenstabletts durch die Gegend. Eine ältere Frau mit Rollator wird von | |
einer Krankenschwester aufgehalten. „Sie wollen bestimmt meinen | |
Blutzucker“, ruft sie der entgegen. Die Krankenschwester nickt. Die Frau | |
zückt ihr Smartphone, wischt über das Display und hält der Schwester das | |
Display ins Gesicht. „16,2“, sagt sie mit einem stolzen Unterton. Auf dem | |
Gang ist gerade auch der syrische Arzt Baraa Daboul auf dem Weg zu einer | |
Visite. | |
## Rassistische Äußerungen kommen mal vor | |
„Wie geht es Ihnen denn heute?“, fragt der junge Arzt, als er das | |
Patientenzimmer am Ende des Gangs betritt. Dort liegt eine ältere Patientin | |
im Bett, auf einem kleinen Fernseher läuft eine Gameshow. „Ja, geht so“, | |
antwortet sie. „Haben Sie immer noch Schwindel?“, fragt Daboul. Die | |
Patientin bejaht, vor allem wenn sie den Kopf drehe, nehme der Schwindel | |
zu. Wie eine Karussellfahrt fühle sich das an. Er würde jetzt mal das Herz | |
abhören, sagt er, tritt ans Bett, setzt das Stethoskop auf und lauscht | |
einen Moment den Herztönen der Frau. Ihre linke Klappe scheint nicht in | |
Ordnung zu sein, er wird mal einen Ultraschall ihres Herzens in die Wege | |
leiten. Nächste Woche reden sie dann noch mal wegen der Entlassung. Die | |
Frau nickt, er verlässt den Raum. | |
„Ich habe mich eigentlich immer willkommen gefühlt, aber natürlich gab es | |
ab und zu Schwierigkeiten“, erzählt der 29-Jährige später. Er ist vor drei | |
Jahren nach Deutschland gekommen, gerade macht er seine | |
Facharztweiterbildung und seine Approbation. Vor allem die Sprache war am | |
Anfang eine Herausforderung – und der deutsche Humor. | |
Rassistische Äußerungen kämen auch immer mal wieder vor, aber damit hat er | |
mittlerweile einen Umgang gefunden. Als er noch nicht so gut Deutsch | |
konnte, wusste er nicht, wie er sich wehren kann. Das sei jetzt anders, | |
mittlerweile spricht er die Patienten direkt an oder meldet Vorfälle bei | |
seinen Vorgesetzten. | |
Nach Neuruppin ist Daboul eher zufällig gekommen, er wollte in der Nähe von | |
Berlin sein, da sein Onkel dort wohnt. Er genießt die Ruhe der Kleinstadt | |
und es gibt mittlerweile auch eine kleine syrische Community. Daboul trifft | |
sich mit ihnen im Fitnessstudio oder sie fahren gemeinsam in die | |
Hauptstadt. Seit acht Monaten sind seine beiden Brüder in Deutschland. Er | |
konnte sie über das Familiennachzugsprogramm nach Neuruppin holen. Sie | |
hätten Glück gehabt, denn die Asylverfahren und der Familiennachzug sind | |
ausgesetzt. | |
## Daboul kann sich nicht vorstellen Deutschland zu verlassen | |
Den Sturz des Assad-Regimes hat Daboul überhaupt nicht erwartet und sich | |
wahnsinnig gefreut. Seine Eltern leben noch in Aleppo, sein Vater war elf | |
Jahre lang aus politischen Gründen im Gefängnis. Nach einer | |
jahrzehntelangen Diktatur seine Meinung frei äußern zu können, das sei ein | |
besonders Gefühl. „Wir haben so ein syrisches Sprichwort, das die | |
Assad-Zeit gut beschreibt: Die Wände haben Ohren. Das ist jetzt vorbei“, | |
sagt er. | |
Aber auch seine Brüder und er können sich gerade nicht vorstellen, | |
zurückzugehen. Dafür ist die politische Lage im Land noch zu unsicher, die | |
Wirtschaft hat sich noch nicht erholt. Daboul hatte unabhängig vom Krieg | |
vor, im Ausland als Arzt zu arbeiten. Jetzt hat er sich hier in Deutschland | |
ein neues Leben aufgebaut, sich durch die Bürokratie des deutschen | |
Gesundheitssystems gekämpft, das will er nicht alles aufgeben. Er möchte | |
wie Al Shaar in der Kardiologie arbeiten, das war schon immer sein | |
Traumberuf. Es wird aber noch ein paar Jahre dauern, bis es so weit ist. | |
Was er von der Diskussion über Rückführungen hält? „Ich habe schon das | |
Gefühl, dass da ein rassistischer Unterton mitschwingt“, sagt er. Die | |
Parteien würden das Thema gerade für den Wahlkampf ausnutzen. Er versucht, | |
solche Nachrichten zu ignorieren. Der junge Arzt wirkt unaufgeregt, wenn er | |
über das Thema Migration spricht. Er könne sich nicht vorstellen, dass in | |
Deutschland wirklich rassistische Gesetze durchgebracht werden, er hat | |
Vertrauen in die demokratischen Strukturen im Land. Deutschland sei noch | |
immer ein freies Land. | |
In der Kardiologie ist gerade Patientenwechsel, die ältere Frau wird aus | |
der OP auf einem Krankenbett Richtung Ausgang geschoben. Ein groß | |
gewachsener schmaler Mann kommt durch die Tür, auch er ist aus Syrien, vor | |
drei Jahren kam er nach Deutschland. „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen | |
irgendetwas Interessantes erzählen kann, ich bin kein Geflüchteter“, betont | |
er gleich am Anfang des Gesprächs. Seinen Namen will er auch nicht nennen, | |
er weiß nicht genau, warum. Es wirkt, als wolle er nicht stellvertretend | |
für alle Syrer sprechen. | |
Nach Neuruppin zu kommen, das war für den Arzt vor allem eine | |
Karriereentscheidung, sein Vater hat schon eine Weiterbildung zum | |
Kardiologen in Frankreich gemacht, jetzt macht er das Gleiche in | |
Deutschland. Er kommt aus einer christlichen Familie in Damaskus, vom Krieg | |
hat er wenig mitbekommen. | |
## Für ausländische Fachkräfte ist es bürokratisch schwer | |
Über den Sturz des Regimes hat er sich trotzdem sehr gefreut, bis jetzt | |
entwickele sich sein Heimatland in eine gute Richtung. Auf Minderheiten wie | |
Christen wird bisher Rücksicht genommen. Auch er will erst mal abwarten, | |
wie sich alles entwickelt. Als Christ blickt er noch vorsichtiger auf die | |
Situation in seinem Land. Was er von der Migrationsdebatte hält? Dazu hat | |
er keine Meinung, betrifft ihn ja nicht. Dass sie keine Geflüchteten seien, | |
das betonen alle drei syrischen Ärzte. Fast so, als müssten sie | |
klarstellen, dass sie ja nicht diejenigen sind, über die in der Debatte | |
gesprochen wird. | |
Bei den syrischen Ärzten in Neuruppin hat man nicht das Gefühl, als würden | |
sie sofort in ihr Heimatland zurückkehren wollen. Doch wie ist es im Rest | |
von Deutschland? Die Sygaad hat kurz nach dem Sturz von Assad eine nicht | |
repräsentative Umfrage in einer Facebook-Gruppe gestartet. Darin gaben 945 | |
von den 1.200 Teilnehmenden an, dass sie in ihr Heimatland zurückkehren | |
wollen. Matar geht davon aus, dass die meisten nicht Hals über Kopf | |
ausreisen. Sie wollen ihre Ausbildung vielleicht erst einmal abschließen, | |
oder eben abwarten, wie sich alles entwickelt. „Ich habe das Gefühl, dass | |
vor allem jene, die nicht gut integriert sind, schnell zurückgehen werden“, | |
sagt er. | |
Auch Baraa Daboul möchte seinem Heimatland helfen. Aber erst einmal von | |
Deutschland aus. Wie das gehen soll, darüber macht sich Matar mit seinen | |
Kollegen zurzeit Gedanken. Sie wollen syrischen Ärzt:innen ermöglichen, | |
eine kurze Zeit in Syrien zu arbeiten, um dort ihre Expertise zu teilen. | |
Dafür sind sie mit Akteuren wie dem Bundesentwicklungsministerium und der | |
Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Gespräch. | |
Denn in Syrien gebe es zwar genügend Ärzt:innen, aber es fehle an | |
Fachwissen, vor allem in Bereichen wie der Kardiologie. Eine Idee wäre es, | |
den Angestellten eine Art Bildungsurlaub zu ermöglichen. Bevor | |
Krankenhäuser ihre Fachkräfte ganz verlieren, könnten sie auf diese Weise | |
womöglich gehalten werden. | |
Unabhängig von der politischen Lage in Syrien gibt es aber noch immer viele | |
syrische Ärzt:innen, die nach Deutschland kommen wollen, so Matar. Sie | |
müssten schneller in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden. Auch die | |
Krankenhausgesellschaft sieht in der Integration von Fachkräften Luft nach | |
oben. Wegen bürokratischer Hürden dauert es manchmal Jahre, bis | |
ausländische Ärzt:innen ein Visum bekommen oder ihre Approbation | |
anerkannt wird. „Deutschland macht es ausländischen Fachkräften sehr oft | |
unnötig schwer, das muss sich ändern“, sagt Gaß. | |
In der Kardiologie ist es mittlerweile nachmittags. Der OP-Tisch ist leer, | |
alle Geräte sind ausgeschaltet. Für Al Shaar ist gleich Feierabend. Aber | |
erst posiert er noch für ein Foto. Dafür setzt er seine OP-Haube mit | |
Herzmuster auf und stellt sich lächelnd hinter den OP-Tisch. Der Oberarzt | |
hat auch nach sechs Operationen noch gute Laune. „Wie viel kostet ein | |
Mensch, bis er Arzt geworden ist in Deutschland?“, fragt er scherzend. Mit | |
den ganzen Ausbildungskosten, Schule, Kita, etwa 500.000 Euro, beantwortet | |
er die Frage selbst. „Wir sind kostenlos gekommen als Facharzt, komplett, | |
fertig.“ Seine Aussage ist ein Appell für mehr Anerkennung und Respekt für | |
syrische Menschen in Deutschland. Integration, das sei keine Einbahnstraße. | |
30 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-Fall-des-Assad-Regimes/!6064775 | |
[2] /Kuenstlerin-ueber-Sturz-des-Assad-Regimes/!6060123 | |
[3] /Syrerinnen-in-Deutschland/!6060149 | |
## AUTOREN | |
Sabina Zollner | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Syrien | |
Heimat | |
Schwerpunkt Syrische Demokratische Kräfte (SDF) | |
Emanzipation | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
GNS | |
Gesundheitswesen | |
Schwerpunkt Syrien | |
Schwerpunkt Syrien | |
Kolumne Hamburger, aber halal | |
Schwerpunkt Syrien | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Europäische Union | |
zeitgenössische Kunst | |
Asyl | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sozioökonomische Gesundheitsfaktoren: In der Medizin sind nicht alle gleich | |
Nicht nur körperliche Faktoren entscheiden in Deutschland, wie gesund die | |
Bürgerinnen und Bürger sind. Es gibt aber Bestrebungen, das zu ändern. | |
Deutsch-syrische Klinikpartnerschaft: Neuer deutscher Einfluss | |
Die deutsch-syrische Klinikpartnerschaft ist ein Schritt in die richtige | |
Richtung. Die Zukunft Syriens wird weit über die Landesgrenzen wirken. | |
Deutsch-syrische Klinikpartnerschaften: Gesundheit für Syrien | |
Nach dem Sturz Assads ist der Zustand der Krankenversorgung im Land | |
desaströs. Kooperationen mit deutschen Partnern sollen helfen. | |
Wiederaufbau in Syrien: Mit viel Hoffnung ins neue Jahr | |
Aufbauhilfe sollte durch deutsch-syrische Partnerschaften geschehen. Ein | |
gutes Beispiel sind die „Klinikpartnerschaften“, die Ministerin Schulze | |
plant. | |
Zusammenarbeit von Syrien und Türkei: „Nahtlose Übereinstimmung“ | |
Syriens Übergangspräsident Al-Scharaa und sein türkischer Kollege Erdoğan | |
betonen ihre gemeinsamen Interessen. Beide wollen die Kurden entwaffnen. | |
Deutschlandbild in Syrien: Autos, Wurst und humanitäre Hilfe | |
Nach dem Sturz von Assad schauen viele Syrer:innen optimistisch in | |
Richtung Bundesrepublik. Doch auch die Kälte der Deutschen spielt eine | |
Rolle | |
Nach Fall des Assad-Regimes: EU erwägt Teilaufhebung von Sanktionen gegen Syri… | |
Die EU will eine baldige Aussetzung ihrer Sanktionen in den Bereichen | |
Energie und Verkehr diskutieren. Die Außenminister kommen am Montag | |
zusammen. | |
Künstlerin über Sturz des Assad-Regimes: „Der Krieg war die Realität meine… | |
Die syrische Künstlerin Joudi Haj Sattouf ist im Krieg aufgewachsen. In | |
ihrer Kunst macht sie auf die Opfer des Assad-Regimes aufmerksam. | |
Syrer*innen in Deutschland: Kein Grund zu gehen | |
Politiker*innen überbieten sich im Wahlkampf mit Ideen, wie man | |
syrische Geflüchtete zur Rückkehr bewegt. Viele der Angesprochenen verletzt | |
das. |