# taz.de -- Rassismus der CDU: Merz will Doppelstaatler ausbürgern | |
> Menschen mit zwei Pässen sollen den deutschen verlieren, wenn sie | |
> straffällig werden. Davon träumt der CDU-Chef. Doch SPD, Grüne und FDP | |
> lehnen das ab. | |
Bild: CDU-Bundesvorsitzender Friedrich Merz gräbt Forderungen aus dem AfD-Wahl… | |
Berlin taz | Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will straffällig | |
gewordenen Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit „aberkennen“. | |
Den Vorschlag könnte er aber nicht mit den potenziellen Koalitionspartnern | |
SPD, Grünen und FDP umsetzen. Nur die AfD vertrat bereits ähnliche | |
Positionen. | |
Die Welt am Sonntag veröffentlichte am Wochenende ein langes Interview mit | |
[1][Unions-Kanzlerkandidat] Friedrich Merz. Darin fordert er eine | |
Ausweisung von Ausländern, die straffällig wurden. Auf den Vorhalt, dass | |
eine Ausweisung von deutschen Staatsbürgern nicht möglich sei, kritisierte | |
Merz die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes durch die Ampel-Koalition. | |
Die grundsätzliche Hinnahme einer doppelten Staatsbürgerschaft führe dazu, | |
dass dies zum Regelfall werde. Unter Bezugnahme auf die vorläufige | |
Einbürgerungsbilanz des Jahres 2024 monierte Merz: „Von den mehr als | |
200.000 Antragstellern wollen rund 80 Prozent ihre ursprüngliche | |
Staatsangehörigkeit behalten.“ Das schaffe „zusätzliche Probleme“ in | |
Deutschland. | |
Merz schlägt dann vor: „Es müsste wenigstens auf der gleichen Ebene eine | |
Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir | |
erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht | |
haben.“ Er will also Personen, die die deutsche und eine andere | |
Staatsbürgerschaft haben, die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen, um sie | |
ausweisen und abschieben zu können. Im gemeinsamen Wahlprogramm der CDU und | |
CSU für die Bundestagswahl 2025 ist die Forderung nicht enthalten. | |
## Die CSU ist Merz eine Nasenlänge voraus | |
Eine ähnliche Forderung hatte 2023 aber bereits der bayerische | |
[2][Innenminister Joachim Herrmann (CSU)] erhoben. Als Beispiele für Taten, | |
die die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit rechtfertigen können, | |
nannte Herrmann schwere antisemitische Gewalttaten oder schwere Straftaten | |
wie Mord oder Vergewaltigung. | |
Die AfD forderte im Wahlprogramm von 2017, dass die Rücknahme der | |
Staatsbürgerschaft ermöglicht werden soll, wenn jemand kriminellen Clans | |
angehört oder innerhalb von zehn Jahren nach der Einbürgerung erheblich | |
straffällig wird. Im Wahlprogramm von 2021 war die Forderung nicht mehr | |
enthalten. Auch im AfD-Programmentwurf für die kommende Bundestagswahl | |
fehlt sie. AfD-Politiker greifen die Forderung aber immer wieder auf. | |
Die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft ist verfassungswidrig. | |
Oder wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte, sie setzt eine | |
Änderung des Grundgesetzes voraus. | |
Derzeit heißt es in [3][Artikel 16 des Grundgesetzes]: „Die deutsche | |
Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.“ Dieses Verbot erfasst jede | |
staatliche Wegnahme der Staatsbürgerschaft gegen den Willen des Bürgers. | |
Diese Garantie ist eine Reaktion auf die Ausbürgerungspolitik der Nazis | |
gegen Juden und politische Gegner. Auch in der DDR wurden Oppositionelle | |
wie Wolf Biermann ausgebürgert. | |
Außerdem heißt es in dem Artikel: „Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf | |
nur aufgrund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann | |
eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.“ Eine | |
gesetzliche Verlust-Regelung ist damit nur gegenüber Personen mit doppelter | |
Staatsbürgerschaft möglich. | |
## Erwägungen zur Sicherheit reichen nicht | |
Nach herrschender verfassungsrechtlicher Ansicht darf die deutsche | |
Staatsbürgerschaft auch nur dann verloren gehen, wenn dies auf eine | |
Handlung folgt, die der Betroffene vermeiden könnte. Außerdem müsse die | |
Anlasshandlung Ausdruck einer „Abwendung“ von Deutschland sein. Reine | |
Sicherheits-Erwägungen genügen demnach nicht für den Verlust der | |
Staatsbürgerschaft. | |
Als „Abwendung“ von Deutschland gilt es schon lange, wenn jemand in die | |
Streitkräfte eines ausländischen Staates eintritt, dessen | |
Staatsangehörigkeit er besitzt. Seit 2019 geht bei einem Doppelstaatler die | |
deutsche Staatsangehörigkeit auch dann verloren, wenn er „sich an | |
Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland konkret | |
beteiligt“. Es wird wohl nur wenige Straftaten geben, die in diesem Sinne | |
als „Abwendung“ von Deutschland anzusehen sind, schließlich begehen ja auch | |
viele Deutsche Straftaten. | |
Die CDU/CSU könnte im kommenden Bundestag die Änderung des | |
Staatsangehörigkeitsgesetzes nur mit der AfD umsetzen. Für eine | |
Grundgesetzänderung wäre sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und | |
Bundesrat erforderlich. Auf Anfrage der taz erklärten Vertreter von SPD, | |
Grünen und FDP, dass sie den Merz-Vorschlag nicht unterstützen. | |
So betonte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese, die Forderung von Friedrich Merz | |
führe „in eine gefährliche Richtung: Sie würde de facto Deutsche erster und | |
zweiter Klasse schaffen, abhängig davon, ob jemand eine zweite | |
Staatsbürgerschaft besitzt oder nicht.“ Das widerspreche dem Grundgesetz | |
und dem Prinzip der Gleichheit aller Bürger, so Wiese. „Solche Vorschläge | |
sind populistisch und abzulehnen. Sie spalten die Gesellschaft und | |
untergraben die Grundwerte unseres Rechtsstaates.“ | |
## Merz droht Ärger mit dem Verfassungsschutz | |
Auch Katharina Dröge, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, ist eindeutig: | |
„Für uns gibt es keine Bürger zweiter Klasse. Wenn Friedrich Merz mit dem | |
Entzug der Staatsangehörigkeit droht, sendet er das verheerende Signal, | |
dass Menschen, die nach Deutschland einwandern, hier nie richtig | |
dazugehören können. Dem widersprechen wir ganz ausdrücklich.“ | |
Für die FDP erklärt der Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle: „Die | |
Staatsangehörigkeit im Nachhinein abzuerkennen, ist mit gravierenden | |
verfassungsrechtlichen und praktischen Problemen verbunden.“ Besser sei es, | |
schon bei der Einbürgerung restriktiv vorzugehen. | |
Unabhängig von den fehlenden Mehrheiten könnte Merz auch Ärger mit dem | |
Verfassungsschutz bekommen. Wer eingebürgerte Deutsche gegenüber geborenen | |
Deutschen rechtlich abwertet, beeinträchtigt die freiheitliche | |
demokratische Grundordnung. Dies hat das Bundesverfassungsgerichts 2017 in | |
seinem [4][NPD-Urteil] festgestellt. Wohl auch deshalb hat sich die AfD in | |
diesem Punkt gemäßigt. | |
6 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Wahlprogramm-von-CDU/CSU/!6056715 | |
[2] /Joachim-Herrmanns-rassistische-Aussage/!5302368 | |
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_16.html | |
[4] /Urteil-zur-NPD-Parteienfinanzierung/!5984461 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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