Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Urteil zur NPD-Parteienfinanzierung: Generalprobe mit der NPD
> Die verfassungsfeindliche NPD (Die Heimat) darf nicht mehr staatlich
> finanziert werden. Das Urteil ist auch für ein mögliches AfD-Verbot
> relevant.
Bild: NPD-Aufmarsch in Hannover im November 2019: Die Partei hat heute noch run…
Karlsruhe taz | Das Bundesverfassungsgericht hat die NPD (die sich heute
„Die Heimat“ nennt) für zunächst sechs Jahre von der staatlichen
Finanzierung ausgeschlossen. Die entsprechende Rechtsgrundlage verstoße
nicht gegen das Grundgesetz, stellte das Gericht fest. Damit steht das
Instrument [1][theoretisch auch gegen die AfD] zur Verfügung.
Schon seit zwei Jahrzehnten versucht die Bundespolitik, gegen die
rechtsextremistische NPD vorzugehen. Ein erstes Verbotsverfahren scheiterte
2003, weil in den NPD-Vorständen zu viele staatliche Spitzel saßen und das
Verfahren daher nicht fair war. Ein zweiter Verbotsanlauf endete 2017 zwar
mit der Karlsruher Feststellung, dass die NPD verfassungsfeindlich ist. Sie
konnte dennoch nicht verboten werden, weil sie zu schwach ist und ihr somit
das Potenzial fehlt, ihre politischen Ziele zu erreichen.
Auf Anregung des Bundesverfassungsgerichts änderten daraufhin Bundestag und
Bundesrat binnen sechs Monaten das Grundgesetz. Nun kann eine
verfassungsfeindliche Partei auch von der [2][staatlichen
Parteienfinanzierung] ausgeschlossen werden. Auf die Potenzialität, also
die Stärke der Partei, kommt es hier nicht mehr an. An diesem Dienstag
wandte das Bundesverfassungsgericht die neue Verfassungsnorm erstmals an.
Ausgelöst wurde das Urteil durch einen gemeinsamen Antrag von
Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, der 2019 beim
Bundesverfassungsgericht einging. Eine mündliche Verhandlung fand im Juli
2023 statt. Die NPD sagte kurzfristig ihre Teilnahme ab. Sie werde nicht an
einer „Justizsimulation“ teilnehmen. Auch bei der jetzigen
Urteilsverkündung blieben die Plätze der NPD leer.
[3][Die NPD hat heute] noch rund 3.000 Mitglieder (in den 1960er Jahren
waren es bis zu 50.000). An 10 der letzten 16 Landtagswahlen hat sie gar
nicht mehr teilgenommen. Im Übrigen waren die Wahlergebnisse so schlecht,
dass die Partei schon deshalb ihren Anspruch auf staatliche Zuschüsse
verloren hat. Das jetzige Urteil ist aber nicht rein symbolisch. Denn es
nimmt der NPD auch weitere Vorteile. So sind Spenden an die NPD nicht mehr
steuerbegünstigt. Außerdem ist die NPD nicht mehr von der Erbschafts-,
Schenkungs- und Körperschaftssteuer befreit.
Die NPD hatte in ihren Schriftsätzen schon die Verfassungsänderung von 2017
nicht akzeptiert. Es handele sich hier um „verfassungswidriges
Verfassungsrecht“. Die Möglichkeit, verfassungsfeindlichen Parteien die
Finanzierung abzuschneiden, verstoße gegen das unveränderliche
Demokratieprinzip. Diese Argumentation wies das Bundesverfassungsgericht
nun aber zurück.
## Verfassungsfeindlichkeit schon 2017 bestätigt
Die Chancengleichheit der Parteien sei nur bei solchen Parteien vom
Demokratieprinzip umfasst, die „die grundlegenden demokratischen Prinzipien
anerkennen und achten“. Das Konzept der [4][„wehrhaften Demokratie“], das
ja sogar ein Verbot verfassungsfeindlicher Parteien ermöglicht, erlaube
auch eine Benachteiligung von verfassungsfeindlichen Parteien im
politischen Wettbewerb, wenn dies im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen
ist.
Die bereits 2017 festgestellte Verfassungsfeindlichkeit der NPD sah das
Bundesverfassungsgericht bestätigt. Dass die NPD die
freiheitlich-demokratische Grundordnung mit ihren drei zentralen Elementen
„Menschenwürde“, „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ bekämpft, machte …
Gericht vor allem am ethnischen Volksbegriff der NPD fest. Sie gehe von
einer „Volksgemeinschaft“ aus, die auf dem Abstammungsprinzip beruht. Dies
führe zu einer rassistischen, insbesondere antimuslimischen,
antisemitischen und antiziganistischen Grundhaltung und verletzte damit die
Menschenwürde derjenigen, die nicht der ethnisch reinen Volksgemeinschaft
angehören können.
Auch das Demokratieprinzip werde durch das völkische Denken der NPD
verletzt. Das NPD-Postulat, „Volksherrschaft setzt Volksgemeinschaft
voraus“, schließe „denknotwendig“ alle aus dem demokratischen Prozess au…
die der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ nicht angehören. Sowohl
das Konzept der „Volksgemeinschaft“ als auch die antisemitische
Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen
Ordnung lassen laut Bundesverfassungsgericht eine Wesensverwandtschaft zum
Nationalsozialismus erkennen.
Vier Erkenntnisse für die AfD
[5][Mit Blick auf die AfD] bringt die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vier Erkenntnisse: Erstens ist das Instrument des
Ausschlusses einer verfassungsfeindlichen Partei von der staatlichen
Finanzierung jetzt voll einsetzbar. Letzte Zweifel an der Zulässigkeit hat
das Bundesverfassungsgericht beseitigt. Zweitens hat das Gericht
klargestellt, dass die Voraussetzungen für ein Parteiverbot und einen
Finanzierungsausschluss fast identisch sind. Einziger Unterschied: Beim
Parteiverbot ist eine gewisse Stärke/Potenzialität erforderlich.
Drittens kommt es für die Verfassungsfeindlichkeit nicht nur auf die
Partei- und Wahlprogramme einer Partei an, sondern auf die „wirklichen
Ziele“ der Partei. Hier muss die Partei sich auch Äußerungen der
Parteiführung zurechnen lassen. Auch das Verhalten führender Funktionäre
von Teilorganisationen wie Landesverbänden sind der Partei zuzurechnen.
Damit sind die Veröffentlichungen von [6][Björn Höcke, des Thüringer
Landesvorsitzenden], nicht nur seine Privatäußerungen, sondern wären auch
für ein Verfahren gegen die AfD relevant. Bei verfassungsfeindlichen
Aussagen einfacher Mitglieder kommt es darauf an, ob sie von der Partei
geduldet werden oder ob sie mit Disziplinarmaßnahmen, etwa einem Antrag auf
Parteiausschluss, dagegen vorgeht.
Viertens betonen die Richter:innen aber immer wieder, dass die
Bestimmungen der „wehrhaften Demokratie“ Ausnahmecharakter haben und
deshalb „restriktiv“, also vorsichtig auszulegen, sind. Das heißt wohl: Im
Zweifelsfall wird das Bundesverfassungsgericht ein Parteiverbot und einen
Antrag auf Finanzierungsausschluss ablehnen.
23 Jan 2024
## LINKS
[1] /AfD-Verbot/!5986382
[2] /Karlsruhe-prueft-NPD-Ausschluss/!5945442
[3] /NPD-aendert-Parteinamen/!5938361
[4] /Demos-gegen-rechts/!5984227
[5] /Umgang-mit-der-AfD/!5982848
[6] /Stoppt-Hoecke-Petition/!5985179
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bundesverfassungsgericht
Parteienfinanzierung
NPD
Schwerpunkt Neonazis
Rechtsextremismus
GNS
Köpenick
Mecklenburg-Vorpommern
Rechtsextremismus
Bundesverfassungsgericht
Krise der Demokratie
Schwerpunkt AfD
Kolumne Der rechte Rand
NPD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Mutmaßlicher Nazi-Angriff in Köpenick: Attacke mit Flaschen und Fäusten
In der Nacht auf Samstag kam es zu einem mutmaßlich rechtsextremistisch
motivierten Übergriff in Köpenick. Es wäre nicht der erste im Bezirk.
Jugendzentrum in Anklam in Gefahr: „Amtlich versiegelt“
Das Jugendzentrum „Demokratiebahnhof “ wurde vom Landkreis geschlossen. Was
bedeutet das für die Stadt, in der viele Rechtsextreme leben?
Offener Brief an den Kanzler: Seite an Seite mit AfD und Nazis
Zusammen mit der AfD haben Kreistagsabgeordnete der Uckermark einen Brief
an Olaf Scholz unterzeichnet. Sie fordern eine andere Ukrainepolitik.
Schutz vor autoritären Angriffen: Gefährdetes Verfassungsgericht
Eine Gruppe von Verfassungsrechtler:innen stellt drei Modelle vor,
wie man das höchste Gericht besser vor autoritären Angriffen schützen kann.
Karlsruher Urteil zur NPD-Finanzierung: Die AfD ist eine andere Partei
Das Urteil des Verfassungsgerichts mag mit Blick auf die AfD enttäuschen.
Doch wen soll eine Demokratie überzeugen, die Schmuddelkinder
benachteiligt?
AfD-Verbot: Auf nach Karlsruhe?
Viele Demonstrant*innen und immer mehr Abgeordnete fordern ein
Verbotsverfahren gegen die AfD. Auch unsere Autorin hat ihre Meinung
geändert.
Rechtsextreme Partei „Die Heimat“: Hamburgs NPD bleibt NPD
Der Hamburger Landesverband der NPD macht die Umbennung in „Die Heimat“
nicht mit. Er will nicht „anschlussfähig“ sein.
Karlsruhe prüft Parteienfinanzierung: NPD boykottiert Verfassungsgericht
Die rechtsextreme Partei blieb der Verhandlung über ihren Ausschluss von
der Parteienfinanzierung fern. Ein Urteil wird in ein paar Monaten
erwartet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.